14 Jahre, 14 Fixpunkte – in Teil acht der Serie „Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ erzählt Benjamin Henrichs von seiner Zeit in Leverkusen.
Schon mit sieben Jahren trug Benni das Bayer 04-Trikot, durchlief als torhungriger Offensivspieler ab der U8 alle Nachwuchsmannschaften der Werkself und des DFB. Mit 17 Jahren wurde er schon Profi (76 Einsätze für die Werkself) und – nach einer Umschulung zum Außenverteidiger - mit 19 Jahren Stammspieler in Leverkusen sowie A-Nationalspieler (5 Einsätze). 2016 bekam er die Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten U19-Spieler. Über die AS Monaco (2018-2020) ist der heute 24-Jährige mittlerweile für RB Leipzig im Einsatz (seit 2020).
Mein erstes Mal Bayer 04:
„2004 bin ich mit sieben Jahren aus Porz zu Bayer 04 gewechselt. In Porz haben wir auf Asche gespielt und immer verloren. In Leverkusen auf Rasen war es dann ein großer Unterschied. Alles war professioneller, wir hatten Kabinen – und haben fast immer gewonnen. Das hat dann natürlich vom Start in der U8 weg schon großen Spaß gemacht.“
Mein bestes Jugendspiel:
„Mit der U14 haben wir gegen Alemannia Aachen mal 6:0 gewonnen und mir sind an dem Tag fünf Tore gelungen. Das war schon klasse. Aber schon am nächsten Tag ging es ganz normal weiter. Unser Trainer Thomas Hölzgen hat nie einen Unterschied gemacht, ob wir gewonnen oder verloren haben. Wir mussten so oder so Achterläufe machen (lacht).“
Mein bester Tag bei den Junioren:
„Mein erstes A-Junioren-Spiel war noch mit 17. Im Finale um den Mittelrhein-Pokal 2014 gegen den 1. FC Köln wurde ich in der 80. Minute eingewechselt. Ich habe zwei Tore gemacht und wir haben 4:3 gewonnen. Das war bis dahin der beste Fußballtag in meinem Leben.“
Mein erstes Profi-Training:
„Das war auch 2014. Ich war gerade mit der deutschen U17 bei der EM ausgeschieden und bekam dann gesagt, dass ich ab Sommer mit den Profis trainieren werde. Ich war gerade mal 17. Zu Anfang sitzt du als junger Spieler einfach nur da, willst nicht negativ auffallen. Gottseidank mussten wir nicht singen, wie es bei anderen Neuen üblich ist (lacht). Wenn jetzt junge Spieler hochkommen, versuche ich immer, mit denen zu reden, weil ich weiß, dass das nicht so einfach ist.“
Mein größter Kampf:
„Das war ganz klar die Schule. Für meine Eltern war klar, dass sie dazugehört. Für mich war es sehr, sehr schwer. Gut, dass es bei Bayer 04 die Hausaufgabenbetreuung und später das Teil-Internat des TSV Bayer 04 gab. Als es Richtung Abitur ging, habe ich mir irgendwann gesagt: Ich will das durchziehen. Andere haben das ja auch geschafft. Am Ende hat es geklappt. Aber es war echt hart.“
Mein Durchbruch als Profi:
„Zwischen meinem ersten Profi-Training und meinem ersten Spiel lagen fast zwei Jahre. Ich war ganz schön ungeduldig und habe mich gefragt: Wie kann es sein, dass ich bei der ersten Mannschaft trainiere, aber nicht spiele? Mein Debüt war eine Einwechslung in Dortmund. Aber dann war ich gefühlt wieder ein paar Monate weg vom Fenster. Erst als Roger Schmidt beim Heimspiel im März 2016 gegen Bremen auf die Idee kam, mich als Außenverteidiger einzusetzen, ging es richtig los. Ich habe mich schnell mit der Position angefreundet. Ich wäre auch ins Tor gegangen, um zu spielen. Danach ging alles irre schnell.“
Mein erstes Profi-Highlight:
„Ende 2016 haben wir in der Champions League im Wembley-Stadion gegen Tottenham Hotspur gespielt. Das war für mich das krasseste Spiel. 85.000 Zuschauer. Blitzlichter, Handys. Du fühltest dich wie ein Rockstar. Dann habe ich als Rechtsverteidiger eines meiner besten Spiele gemacht und Kevin Kampl schießt das Siegtor zum 1:0. Danach hat Jogi Löw angerufen.“
Der erste Anruf von Jogi Löw:
„Einen Tag nach dem Tottenham-Spiel saßen wir gerade beim Essen und mein Handy hat geklingelt. Jogi Löw war dran, hat mir zum Spiel gratuliert und mich zur Nationalmannschaft eingeladen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich Trainer sagen soll. Oder Sie oder du. Ich war komplett überfordert und habe ihn reden lassen. Eine Woche später war ich umgeben von Weltmeistern wie Toni Kroos, Sami Khedira, Thomas Müller und allen anderen. Dabei hatte ich gerade erst ein paar Spiele gemacht.“
Mein erstes A-Länderspiel:
„Direkt mit der ersten Einladung habe ich auch mein erstes Länderspiel unter Löw gemacht. Ich war unfassbar nervös. Aber das hat sich dann nach einigen Minuten gelegt. Und dann war es eigentlich wie jedes andere Fußballspiel auch. Aber 90 Minuten beim 8:0 in der WM-Qualifikation bei San Marino – das war ein Tag, den ich in meinem Leben nicht vergessen werde.“
Meine Lehren aus dem Profi-Start:
„Wie gesagt war ich am Anfang noch ungeduldig. Der große Einschnitt kam mit dem Debüt bei der Nationalmannschaft. Da war ich nicht mehr der Junge, der umgeschult wurde. Da war ich Nationalspieler und es wurde sofort ein anderer Maßstab angelegt. Das war für mich schwer zu verstehen. Ich hatte oft den Eindruck, dass ich gut gespielt hatte, aber für die öffentliche Wahrnehmung reichte das irgendwie nicht. Dem Druck musst du dann standhalten. Von diesen Aufs und Abs habe ich mittlerweile viele erlebt. Aber damals war das schon hart.“
Mein Abschied aus Leverkusen:
„Der Wechsel nach Monaco ist mir sehr schwergefallen. Ich bin in der BayArena durch die Gänge, durch die Kabine gegangen, habe allen Tschüss gesagt und geweint wie ein kleines Kind. Da war ich wie in Trance und erst am Flughafen ist mir bewusst geworden: Jetzt beginnt etwas Neues.“
Meine Verbindung nach Leverkusen:
„Die gibt es immer noch. Meine Familie ist in der Nähe. Meine besten Freunde sind immer noch viele Spieler, die ich seit der U9 kenne. Erst vor Kurzem habe ich Tsy William Ndenge in Luzern besucht. Auch am Kurtekotten war ich zwischendurch. Ich wollte eigentlich nur kurz Hallo sagen und war dann über zwei Stunden da und habe mit so vielen Leuten von früher über alles Mögliche geredet.“
Was noch vom Leistungszentrum in mir steckt:
„Schule war für mich gefühlt am Kurtekotten manchmal wichtiger als Fußball. Das habe ich damals nicht verstanden, aber heute weiß ich, dass es richtig so war. Auch Disziplin – wir gewinnen und müssen trotzdem am nächsten Tag hart trainieren - oder der Umgang mit Erfolg und Misserfolg waren Dinge, bei denen mir die Jugendzeit bei Bayer 04 als Profi geholfen hat.“
Mein Fazit:
„Die Junioren-Zeit war eine Hammerzeit. Wir hatten so viel Spaß, haben so viel gewonnen und aus dem Jahrgang sind auch richtig viele Profis geworden. Ich habe zwischen sieben und 21 den größten Teil meines Lebens bei Bayer 04 verbracht. Das wird für immer ein Teil von mir sein und ich bin dankbar dafür.“
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil VII: René Adler
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil VI: Kim Falkenberg
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil V: Jonas Meffert
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil IV: Fabian Giefer
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil III: Stefan Reinartz
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil II: Erik Zenga
„Vom Kurtekotten in die Profi-Welt“ – Teil I: Gonzalo Castro