Mit einem Brief fängt alles an. Im Februar 1903 bitten die beiden Angestellten Wilhelm Hauschild, langjähriger Gauturnwart des Wuppertaler Turngaues, und August Kuhlmann, Männerturnwart des Sonnborner Turnvereins, die „Herren Betriebs - & Bureaubeamten“ um die Unterstützung zur Gründung eines werkseigenen Turnvereins. In Wiesdorf existieren um die Jahrhundertwende drei „wilde“, nicht dem deutschen Turnerbund unterstehende, Turnvereine. Hauschild und Kuhlmann wollen das Turnen in Leverkusen, wie damals das Areal rund um das Werk genannt wurde, hoffähig machen und weisen in ihrem Brief auf die Vorteile des Turnens hin. Sie bitten die höheren Angestellten mit deren Unterschriften ihr „Interesse zu bekunden, dass auch in Leverkusen Turn-und Spielgelegenheiten geboten werden“. Der Aufruf hat Erfolg. 170 Männer fühlen sich angesprochen und bekunden mit ihrer Unterschrift ihr Interesse.
Dieses Rundschreiben inklusive der Unterschriften und einem erklärenden Brief schickt Hauschild im November 1903 an die „verehrliche Direktion der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co.“ mit der Bitte um Stellungnahme. Die Rückantwort lässt nicht lange auf sich warten. Friedrich Bayer Jr. und Carl Duisberg lassen Wilhelm Hauschild wissen, dass sie sich „außerordentlich freuen würden, wenn sich in Leverkusen ein Turnverein bilden würde“. Sie stellen den Bau einer Turnhalle in Aussicht und die Ingenieur-Verwaltung wird beauftragt einen passenden Spielplatz zu finden.
Am 1. Juli 1904 wird der „Turn- und Spielverein der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen“, kurz TuS 04, ins Leben gerufen.
Geturnt wird noch nicht in einer richtigen Turnhalle, sondern bis zum Bau einer solchen in einem Anbau des Medizinal-Produktlagers, Geb. R 657 (später E 26) der Farbenfabriken, das sich südlich des Pförtners 1 befindet, oder aber auf einer Freifläche neben diesem Gebäude.
Da in diesem Lager und auch dem gesamten Pharma-Bereich erstmalig bzw. überwiegend Frauen beschäftigt sind, befindet sich der „Turnraum“ neben den Sozialräumen der Arbeiterinnen.
Möglicherweise war dieser „Turnraum“ bereits bei der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1903 mit eingeplant, um den Arbeiterinnen, die zehn Stunden am Tag eine monotone sitzende Tätigkeit ausüben, einen Ort für Bewegung zur Verfügung zu stellen (so zeigen die ersten Fotos ausschließlich Frauen).
Das Turnen wird sehr exerziermäßig, also militärisch, durchgeführt und stößt vor allem bei den jungen Männern auf wenig Begeisterung. So kommt es, dass die Turner Ferdinand Stader, Gustav und Willi Lerch, Ernst und Lorenz Meurer den Ball in Leverkusen zum ersten Mal ins Rollen bringen.
Am Freitag, 31. Mai 1907, treffen sich die fünf Männer mit elf Gleichgesinnten und rufen, natürlich nach Absprache mit den Turnern, die Fußballriege des TuS 04 zum 1. Juni 1907 ins Leben. Bedingung der Turner für die Erlaubnis zur Fußballbetätigung ist die regelmäßige Beteiligung der Fußballer an den wöchentlichen Turnabenden. Die Wiege unseres Fußballvereins steht im „Wiesdorfer Hof", wie die Gaststätte von Fritz Lützenkirchen genannt wird. Das Gebäude existiert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs an der Ecke Titanstraße zur Friedrich-Ebert-Straße. Der angebaute Germaniasaal dient noch nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Abriss unter der Werks-Gebäudebezeichnung A 9 als Übungsstätte für alle Abteilungen.
Die ersten Spiele bestreitet die Fußballriege des Werksvereins auf einem Ballspielplatz entweder hinter dem „Wiesdorfer Hof“ auf noch unbebautem Werksgelände im heutigen F-Block, wo sich bis heute die Titandioxidfabrik der Firma „Kronos Titan“ befindet, oder aber gegenüber dem „Wiesdorfer Hof“ auf der anderen Seite der damals so genannten Provinzialstraße auf einem ehemaligen Ziegeleigelände, auf dem sich seit etwa 1958 der Autohof des Werkes befindet. Allerdings werden auch Begegnungen auf einer unbebaut gebliebenen Rasenfläche südlich der Beamtenkolonie an der Böttingerstraße oder aber in Wiesdorf am hinteren Ende des früheren „Wohlfahrtsparks“ (heute Erholungshauspark) hinter der Hauswirtschaftsschule, Zugang von der Carl-Leverkus-Straße, veranstaltet , alle als sogenannte Gesellschaftsspiele, also Freundschaftsspiele. Selbst der schöne Rasen des heutigen Carl-Duisberg-Parks (bis zu Duisbergs Tod Kaiser-Wilhelm-Park) wird mit Füßen getreten, allerdings trifft das nicht auf viel Begeisterung beim Namensgeber, und das Spielen wird bald eingestellt. Wahrscheinlich findet dies ab der Zeit des 1. Weltkrieges in demjenigen Bereich statt, wo 1933 das Carl-Duisberg-Schwimmbad errichtet wird.
Mit dem Bau des Erholungshauses eröffnen sich für den Verein endlich neue bzw. komfortablere Möglichkeiten beim Turnen, denn der Veranstaltungssaal des großen multifunktionalen Gebäudes an der Nobelstraße, das auch ein Restaurant, Kegelbahn, Billardsaal und Lesesaal beherbergt, steht auch (inkl. der Bühne) den Turnern zur Verfügung. Anlässlich der Einweihung am 13. September 1908 stiftet Dr. Carl Duisberg, Generaldirektor der Farbenfabriken, dem Verein eine Fahne, die heute noch existiert.
Die erste Spielerkluft, deren Anschaffung Sache der Fußballer selbst ist, besteht aus schwarzem Hemd mit rotem Kragen und Ärmelaufschlägen. Auf Bitten der Fußballriege gestattet die Direktion die Benutzung des Bayerlöwen als Vereinswappen, das auf die Hemden aufgenäht wird.
Bis zum Ersten Weltkrieg vagabundiert unsere Fußballmannschaft zwischen den verschiedenen Spielorten, bis sie 1914 endlich eine Heimat findet: den Platz an der Dhünn oder auch Dhünn-Platz. Das Spielfeld liegt etwas abseits der zwischen 1910 und 1914 auch nach Westen erweiterten Kolonie II mit dem Rücken zur Dhünn. Die Fläche für das Spielfeld im Auebereich der Dhünn kann erst geschaffen werden, nachdem das Flüsschen im Jahr 1910 bis zur Mündung in die Wupper kanalisiert wurde. Mit dem Bau des hofartigen Gebäudekomplexes nördlich des damaligen Nordringes (heute Albert-Einstein-Straße) als letzte Kolonieerweiterung rückt Wiesdorf im Jahr 1919 näher an den Sportplatz heran, der für 18 Jahre die Heimat vieler Sportveranstaltungen, vor allem für den Fußball und den Feldhandball, wird. Trotz der neuen Heimat muss man immer wieder auf andere Wiesdorfer Sportstätten ausweichen, denn der Platz an der Dhünn hat noch immer ein großes Manko: Hochwasser! Aufgrund noch mangelhaften Hochwasserschutzes am Rhein kommt es oft zu Überschwemmungen – Spielausfälle oder Platzwechsel sind leider an der Tagesordnung.
Im Ersten Weltkrieg wird der Sport in Leverkusen-Wiesdorf nur schwer am Laufen gehalten. Viele Mitglieder des TuS 04 müssen in den Krieg ziehen. Erst in den 20er-Jahren normalisiert sich das Sportleben in unserer Stadt.
Quellen: