Unterwegs in Europa: „Allesfahrern“ ist kein Weg zu weit

Als der ehemalige argentinische Nationalspieler Hernan Crespo in Monaco seinen Job als „Losfee“ beendet hatte und die Gruppengegner von Bayer 04 in der Europa League feststanden, brach fernab in einer Leverkusener Wohnung tosender Jubel aus. Tobias Franik und seine Kumpels Robert, Kevin und René waren aus dem Häuschen.
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Ludogorets Rasgrad und AEK Larnaka stand da schwarz auf weiß geschrieben. Nur Fußballfans können ermessen, warum Klubs wie diese Begeisterungsstürme auslösen. Auch der FC Zürich gehörte noch zu den Gegnern der Werkself in Gruppe A. Gut, Zürich, ja, eine schöne Stadt. Der Letzigrund - ein altes Schätzchen von Stadion. Kennt man, hat man schon gesehen. Wer aber, bitteschön, war schon mal im bulgarischen Rasgrad oder in Larnaka auf Zypern zum Fußballgucken?! Eben.

Rasgrad und Larnaka verhießen neue (Fußball-) Welten, die erschlossen werden wollten – und die  „Allesfahrern“ wie Tobias, Robert, Kevin und René zwei neue Länderpunkte auf ihrem persönlichen schwarz-roten Groundhopper-Konto in Aussicht stellten. Die vier Leverkusener haben in den vergangenen mindestens fünf Jahren sämtliche internationalen Spiele der Werkself gesehen, auch auswärts nicht ein einziges verpasst. Und klar war ja auch: Nach einjähriger europäischer Abstinenz litt das Quartett längst an Entzugserscheinungen.

Also fieberten die Jungs der Auslosung am 31. August in Monaco entgegen, die sie zusammen am Bildschirm verfolgten. Neben dem Laptop lagen vier Smartphones griffbereit, um unmittelbar nach Hernan Crespos Ziehung reagieren zu können. Denn nur der frühe Vogel fängt den Wurm, sprich, günstige Flüge wollen rechtzeitig gebucht sein. „Weil die Terminierungen der Auswärtsspiele etwas Zeit in Anspruch nahm, hatten wir aber genügend Zeit, um mögliche Verbindungen rauszusuchen“, sagt Tobias. Für die Reise nach Zürich würde die NK12, der Dachverband der Bayer 04-Fans, ohnehin einen Zug organisieren, das war schon während der Auslosung durchgesickert.

Erstmal aber stand Rasgrad auf dem Programm: Aus der Reise nach Bulgarien Mitte September wurde für die vier Freunde eine ausgedehnte fünftägige Männertour, die schon dienstags losging. Nach der Ankunft in Varna, nur 16 Kilometer vom Goldstrand entfernt, machte es sich die kleine Gruppe im Hotel gemütlich und hisste auf dem Balkon erstmal ein paar schwarz-rote Flaggen und Transparente. Am Spieltag mussten noch einmal knapp 150 Kilometer von Varna nach Rasgrad zurückgelegt werden. Für die Strecke hin und zurück gönnten sich die Jungs ein Taxi. „100 Euro für rund 300 Kilometer fanden wir einen fairen Deal“, sagt Tobias. Das Spiel selbst in der Ludogorets-Arena endete mit einem 3:2-Sieg für Bayer 04, bescherte den Jungs einen weiteren Länderpunkt und zeigte einmal mehr, dass auch eine Schar von rund 120 schwarz-roten Fans ordentlich Stimmung machen kann. „Unglaublich stark“ fand Tobias den Support der mitgereisten Leverkusener Anhänger. Für ihn und seine Freunde ging’s erst Samstagmorgen wieder zurück in die Heimat.

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Altes Schätzchen: Der Letzigrund in Zürich

Ende Oktober folgte dann die zweite Etappe auf der Europareise: Nach Zürich im Sambazug! „Die Hintour war unglaublich“, sagt Tobias. „Alle tanzten, feierten und sangen zusammen. Wo hat man so etwas, außer beim Fußball?“ Die Partie beim FC Zürich ging zwar diesmal mit 2:3 verloren, aber die Stimmung unter den 1.500 schwarz-roten Fans im Letzigrund war während der 90 Minuten gigantisch. Und auch die Rückfahrt im Zug gestaltete sich nach anfänglicher Zurückhaltung wieder ausgelassen.

Welche Herausforderungen und Unwägbarkeiten solche Fanreisen mit sich bringen, sollte die Tour nach Zypern zeigen. Denn manchmal erweisen sich Schnellschüsse in Sachen Flugtickets als echte Rohrkrepierer: Die Clique um Tobias hatte wie immer zügig gebucht, nicht wissend allerdings, dass die Partie bei AEK eben nicht in Larnaka, sondern in Nikosia stattfinden würde. Noch unangenehmer wurde die Sache, als die Airline, mit der die Jungs fliegen wollten, Insolvenz anmeldete und sämtliche Flüge ersatzlos ausfielen. Pech zwar und nicht zu ändern. Aber ein echter Allesfahrer lässt sich von einem solchen Ärgernis nicht aufhalten. Eine Alternative war schnell gefunden, und Bayer 04 stellte netterweise vier Reisebusse ab Larnaka zur Verfügung, der die Fans aus Leverkusen von dort nach Nikosia bringen sollte. Erst einmal aber ging es für Tobias, Kevin, Robert und René Mitte Dezember vom Start in Leverkusen über Aachen nach Brüssel, von dort mit dem Flieger nach Mailand. Nach kurzem Zwischenaufenthalt weiter mit dem nächsten Flug nach Larnaka. In der zyprischen Hafenstadt bezogen die Werkself-Fans Quartier in einer kleinen Villa und stimmten sich dort auf den Matchday ein. Am Donnerstag beförderten die Bayer 04-Busse sämtliche in Larnaka untergebrachten Bayer 04-Anhänger in den knapp 60 Kilometer entfernten Spielort nach Nikosia. „Der 5:1-Sieg tat gut. Und obwohl das Stadion insgesamt extrem spärlich besucht war, haben wir in unserem Block mit rund 300 Fans einen richtig guten Job gemacht“, erinnert sich Tobias.

Dass die Touren quer durch Europa bei allem Enthusiasmus und Spaß auch ganz schön in die Knochen gehen, wollen die Vier gar nicht verhehlen. Aber „der Bayer“ ist es ihnen nun mal wert. Tausende von Kilometern abzureißen, um das eigene Team auch dort zu unterstützen, wo keine großen Fußball-Spektakel zu erwarten sind - das eben ist echte Leidenschaft. Und die wird natürlich auch beim nächsten Auftritt von Bayer 04 in der Europa League wieder gelebt: Im Sechzehntelfinale geht es für die Werkself am 14. Februar nach Krasnodar, in den Süden Russlands. Die Flugtickets haben Tobias, Robert, Kevin und René natürlich längst gebucht.

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