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13.05.2023Bundesliga

Gegner-Check: Der VfB kämpft wieder um den Klassenerhalt

Wie in der vergangenen Saison wird es für den VfB Stuttgart bis zum letzten Spieltag ein harter Kampf um den Klassenerhalt werden. Der Tabellen-16. braucht am Sonntag, 14. Mai (Anstoß: 15.30 Uhr), gegen die Werkself dringend drei Punkte, muss in der Mercedes-Benz Arena allerdings auf seinen zweikampfstärksten Spieler verzichten. Der Gegner-Check.
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Position

Immer schön die Ruhe bewahren, lautet die Maxime des VfB Stuttgart vor den finalen drei Saisonspielen. Leichter gesagt als getan. Die 1:2-Niederlage beim Tabellenletzten Hertha BSC am vergangenen Wochenende war extrem ärgerlich für die Schwaben, die aus ihrer spielerischen Überlegenheit vor allem in der zweiten Halbzeit kein Kapital schlagen konnten. Mehr Ballbesitz (64 Prozent), mehr Torschüsse (16:7), die höhere Passquote (86 Prozent) – die meisten Werte sprachen für den VfB. Entsprechend groß war die Enttäuschung nach der Niederlage in der Hauptstadt. „Wir haben viel investiert, auf ein Tor gespielt und defensiv im zweiten Durchgang nichts mehr zugelassen, konnten aber nicht die Durchschlagskraft für klare Torchancen entwickeln“, analysierte Trainer Sebastian Hoeneß, der nach dem 26. Spieltag die Nachfolge von Bruno Labbadia angetreten hatte.

In den ersten vier Spielen unter Hoeneß waren die Weiß-Roten ungeschlagen geblieben. Bei seinem Debüt gewannen die Stuttgarter 3:2 beim VfL Bochum – ihr erster Bundesliga-Auswärtssieg seit Dezember 2021. Anschließend trotzte der VfB dem Titelaspiranten Borussia Dortmund ein 3:3 ab, obwohl er zweimal in Rückstand gelegen und ab der 39. Minute in Unterzahl gespielt hatte. Es folgten ein 1:1 beim FC Augsburg und der wichtige 2:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach, mit dem die Schwaben erstmals nach langer Zeit wieder nicht nur die Abstiegsränge, sondern auch den Relegationsplatz verlassen konnten. Im Halbfinale des DFB-Pokals musste der VfB dann die erste Niederlage unter Hoeneß hinnehmen. Das 2:3 gegen Eintracht Frankfurt schmerzte, war aber relativ schnell abgehakt. Denn der Fokus der Stuttgarter liegt klar auf dem Klassenerhalt in der Liga. Dass man drei Tage nach dem Pokalaus auch bei der Hertha unterlag, hat die zuvor gute Stimmungslage in Cannstatt zwar vorübergehend etwas getrübt. „Aber wir haben schon öfter mit Rückschlägen leben müssen“, sagt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth und appelliert an die Mannschaft: „Von der Niedergeschlagenheit und der Enttäuschung können wir uns nichts kaufen. Wir müssen weiter daran glauben.“

Drei Spieltage vor Saisonende steht der VfB auf Rang 16, punktgleich mit dem VfL Bochum (Platz 17) und mit zwei Punkten Rückstand auf den FC Schalke 04 (Platz 15). Aus eigener Kraft können die Schwaben den Relegationsplatz nicht mehr verlassen.

Personal

Verzichten muss Sebastian Hoeneß am Sonntag weiterhin auf Konstantinos Mavropanos, der nach Bayern Münchens Benjamin Pavard die besten Zweikampfwerte aller Bundesligaspieler aufweist (66,8 Prozent). Der griechische Nationalspieler hatte sich beim 2:3 gegen Frankfurt eine Muskelverletzung im Unterschenkel zugezogen. „Der Heilungsverlauf ist gut, aber für Sonntag ist er keine Option“, sagt Hoeneß. Im Zentrum der Dreierkette dürfte der VfB-Coach wieder auf Dan-Axel Zagadou setzen. Der Franzose hatte zwar Mitte der Woche wegen Knieproblemen eine Trainingseinheit früher beenden müssen. Aber Hoeneß gab Entwarnung: „Ich gehe davon aus, dass ein Ausfall kein Thema ist.“ Für alle Fälle wurden aber die beiden jungen Defensivspieler Luca Bazzoli (22) und Peter Reinhardt (18) aus dem eigenen Nachwuchs zu den Profis hochgeholt. Bazzoli hatte schon in Berlin auf der Bank gesessen.

Neben dem Ex-Dortmunder Zagadou sind der Japaner Hiroki Ito (links) und Waldemar Anton (rechts) gesetzt. Auf den Flügeln ist der VfB nicht mehr ganz so linkslastig unterwegs wie noch in der Vor-Hoeneß-Zeit. Unter dem neuen Coach hat sich der rechte Außenbahnspieler Josha Vagnoman prächtig entwickelt. Der im vergangenen Sommer vom Hamburger SV an den Neckar gewechselte deutsche Nationalspieler brachte es unter Hoeneß in fünf Einsätzen auf zwei Tore und zwei Torvorlagen. „Josha hat ein gutes Paket anzubieten, er ist flexibel einsetzbar und hat Stärken nach vorne mit seiner Athletik und Größe, auch im Kopfballspiel. Er ist zweikampfstark und verfügt über eine athletische Komponente", sagt Hoeneß über Vagnoman, der im April für den Rookie des Monats April als bester Nachwuchsstar nominiert war (gewonnen hat schließlich Matthijs de Ligt vom FC Bayern).

Über weite Strecken der Saison liefen die meisten Angriffe der Stuttgarter über die vom Kroaten Borna Sosa beackerte linke Seite. Der 25-Jährige ist mit sieben Torvorlagen immer noch bester Vorbereiter der Schwaben.   

Im Mittelfeld wird der zuletzt in Berlin gelbgesperrte Atakan Karazor wieder an die Seite von Kapitän Wataru Endo zurückkehren. Dafür muss voraussichtlich Winter-Neuzugang Genki Haraguchi weichen. „Ata ist eine wichtige Stütze auf dem Platz, ein Führungsspieler“, sagt Hoeneß. In der Offensive dürfte der Trainer wieder auf den Franzosen Enzo Millot, der meist über rechts kommt, sowie den Portugiesen Tiago Tomas setzen. Im Sturmzentrum spielt Serhou Guirassy. Der vom FC Stade Rennes ausgeliehene Guineer ist mit neun Treffern erfolgreichster Torschütze der Stuttgarter.

Prunkstück

Die Schwaben können fighten und weisen die drittbeste Zweikampfquote (52 Prozent) aller Bundesligisten auf. Von Rückständen wie gegen Augsburg und Dortmund, gegen die man jeweils noch ein Remis erkämpfte, lässt sich der VfB ebensowenig aus der Ruhe bringen wie von späten Ausgleichstreffern. Gegen Gladbach antworteten die Stuttgarter auf das 1:1 von Julian Weigl (78.) fast postwendend mit dem 2:1-Siegtreffer von Tanguy Coulibaly (83.). Auch bei den Niederlagen gegen Frankfurt (2:3) und Hertha (1:2) blieben sie bis zum Schluss dran. Mentalität, Einstellung, Lauf- und Kampfbereitschaft stimmen absolut bei der Truppe, die in der Schlussviertelstunde zwölf Treffer erzielte in dieser Saison – Platz 7 in der Liga in diesem Ranking. Der VfB ist ein spielstarkes Team mit hoher Passquote, das den Abschluss sucht. 443 Torschüsse sind der viertbeste Wert aller Mannschaften.

Probleme

Bei aller Abschlussfreude: Was Schussgenauigkeit (45 %, Platz 14) und Chancenverwertung (13 %, Platz 17) betrifft, belegen die Stuttgarter hintere Ränge. Kein Wunder, dass der VfB die viertwenigsten Tore aller Bundesligaklubs erzielt hat. Vorne fehlt die Durchschlagskraft. Auch bei Standardsituationen strahlen die Schwaben wenig Torgefahr aus. Zehn Treffer nach ruhenden Bällen sind ligaweit der schlechteste Wert (gemeinsam mit der TSG 1899 Hoffenheim). Zuverlässig trifft nur Serhou Guirassy, der in 19 Spielen 9-mal einnetzte und damit auf eine starke Torquote kommt. Hinten steht bei den Schwaben zu selten einmal die Null. Der VfB kommt in der gesamten Saison bisher nur auf zwei weiße Westen – der schwächste Wert aller Teams.

Prognose

Wollen die Cannstätter den Relegationsplatz verlassen, sind sie auf Schützenhilfe angewiesen. Dabei schauen sie vor allem auf den FC Schalke 04. „Schalke hat drei ganz schwere Spiele“, verweist Borna Sosa auf das Restprogramm der Königsblauen, die noch zu den Bayern und nach Leipzig müssen und dazwischen zu Hause gegen Frankfurt spielen. Für den VfB geht es nach der Partie gegen die Werkself zum 1. FSV Mainz 05, am letzten Spieltag empfangen die Schwaben schließlich die TSG 1899 Hoffenheim mit Ex-VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo zu einem möglichen Endspiel um den Klassenerhalt.

Für Torhüter Fabian Bredlow steht schon vor dem Duell mit Bayer 04 fest: „Wir haben einiges wiedergutzumachen am Sonntag zu Hause gegen Leverkusen vor einer sicherlich erneuten Top-Kulisse.“ Dass der Klub über eine enorme Fan-Basis verfügt, wurde gerade durch eine beeindruckende Zahl untermauert: Am Freitagvormittag gab der VfB bekannt, dass er die Marke von 80.000 Mitgliedern durchbrochen hat. „Dieser Meilenstein gibt dem gesamten Verein unfassbaren Rückenwind, mit dem wir aus jeder noch so schwierigen Situation gestärkt hervorgehen können", sagt Präsident Claus Vogt.

Klar dürfte sein, dass der VfB aus den verbleibenden drei Partien sechs Punkte holen sollte, um den direkten Klassenerhalt schaffen oder zumindest den Relegationsrang halten zu können. Einen Showdown wie in der vergangenen Saison wollen sie sich am Neckar  ersparen. Vor einem Jahr gewann der VfB am 34. Spieltag durch den Treffer von Wataru Endo in der Nachspielzeit 2:1 gegen den 1. FC Köln und schaffte damit in allerletzter Sekunde den direkten Klassenerhalt. Diesmal würden die Stuttgarter gerne früher feiern können.

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