Aufsteiger-Check: VfL Bochum – Der verlorene Erstliga-Sohn

Elf Jahre Bundesliga-Abstinenz liegen hinter dem Ruhrpottklub aus Bochum und seiner treuen Anhängerschaft. Mit Beginn der Saison 2021/22 ist der VfL wieder Teil des deutschen Fußball-Oberhauses – und wird damit auch zweimal gegen die Werkself antreten. Warum sich die Rückkehr in die Bundesliga bereits in der vorletzten Spielzeit abzeichnete und worauf sich Schwarz-Rot im Duell mit Blau-Weiß einstellen muss, erfahrt ihr in Part II des Aufsteiger-Checks. Bayer04.de nimmt die zwei neuen Liga-Konkurrenten der Werkself unter die Lupe.
crop_imago1002828200h.jpg

Seit seinem ersten Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 1971 stieg der VfL Bochum jeweils direkt wieder auf. Bis ins Jahr 2011 – damals unterlag die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel in der Relegation zur Bundesliga Borussia Mönchengladbach. So mussten sich die Anhänger an der Castroper Straße ganze elf Jahre gedulden, bis sie ihren Klub endlich wieder im deutschen Oberhaus anfeuern können.

Nach dem Gang in die Zweitklassigkeit im Jahr 2010 hatte sich der VfL zum respektierten wie etablierten Zweitliga-Klub entwickelt, der auch aus Fan-Perspektive mit seinem 27.599 Zuschauer fassenden Vonovia Ruhrstadion immer ein attraktives Reiseziel darstellte. Bochum und die 2. Bundesliga: Das schien für viele Außenstehende zu passen.

Der Schein trügt

Allerdings zeigt ein Blick auf das ewige Bundesliga-Tableau: Die Bochumer gehören streng genommen vielmehr ins Oberhaus – zumindest aus historisch-tabellarischer Sicht. Mit 1.160 absolvierten Partien und 1.374 gesammelten Zählern auf dem ewigen Bundesliga-Konto reiht sich der Verein aus dem Herzen des Ruhrgebiets nur drei Plätze hinter der Werkself auf Rang 13 ein.

Dass die Rückkehr in die höchste deutsche Spielklasse sportlich vorgezeichnet war, zeigte sich bereits mit Beginn des Corona-Re-Starts Mitte Mai 2020. Denn: In den neun verbliebenen Partien der Spielzeit 2019/20 holte der VfL fünf Siege, spielte dreimal Remis und rauschte so vom abstiegsbedrohlichen 15. Rang noch auf Platz acht des Zweitliga-Klassements hoch. Diese Kontraste zwischen Abstiegssorgen und sportlich erfolgreichen Etappen kennen sie in Bochum nur zu gut – schließlich verbucht der VfL mit sechs Bundesliga-Abstiegen die drittmeisten im deutschen Vereinsfußball, ist gleichzeitig mit fünf direkten Comebacks aber auch der „Rekord-Wiederaufsteiger“.

Die vergangene Saison

In der abgelaufenen Spielzeit machte die Elf von Cheftrainer Thomas Reis da weiter, wo sie nach dem Corona-Re-Start begonnen hatte. Die Hinrunde beendeten die Blau-Weißen mit nur drei Zählern Rückstand auf den Hamburger SV auf Rang zwei und verloren von da an die Aufstiegsränge nicht mehr aus den Augen: Ab dem 15. Spieltag belegten sie stets einen der ersten drei Plätze.

Die sportliche Konstanz, die den VfL saisonübergreifend bereits 26 Spieltage begleitet hatte, hielt auch in der Rückrunde an. Bei elf Siegen und nur einem Unentschieden sicherte sich Bochum mit zuzüglichen 34 Punkten in der Rückrunde (lediglich Greuther Fürth sammelte mit 35 Zählern mehr) nach 1994, 1996, 2006 das vierte Mal die Meisterschaft in der 2. Bundesliga.

Die Stärken

Maßgeblichen Anteil an der Bundesliga-Rückkehr des Rekordaufsteigers hatte das Offensiv-Duo „Zoller-Zulj“, in dem Simon Zoller als klassischer Neuner agierte und Robert Zulj eine Position dahinter im offensiven Mittelfeld die Strippen zog. Das 4-2-3-1-System von Chefcoach Thomas Reis schien besonders bei den beiden 29-jährigen Offensivakteuren zu fruchten – Zoller (15 Tore, 10 Assists) und Zulj (15 Treffer, 15 Vorlagen) waren mit ihrer Treffsicherheit sowie Übersicht für den Nebenmann an 37 respektive 45 Prozent aller Bochumer Tore direkt beteiligt.

Mix aus Alt und Jung

Die offensiven, aber auch die defensiven Mechanismen dürften das Trainer-Team zufriedengestellt haben. Die Mischung aus jungen, dynamischen Verteidigern wie Maxim Leitsch (23 Jahre) oder dem 19-jährigen Amel Bella Kotchap, die beide aus der eigenen Jugend stammen, und Routiniers wie Danilo Soares, der bereits 125 Spiele im blau-weißen Dress absolviert hat, hielt die Bochumer Hintermannschaft klebstoffartig zusammen. Neben den 66 erzielten Treffern musste das Team von der Ruhr lediglich 39 Gegentore hinnehmen – nur Holstein Kiel (35) kassierte weniger.

Abgesehen von den sportlich-individuellen Charakteristika des Personals im VfL-Kader, die das Team zur Zweitliga-Meisterschaft trugen, stach die Mentalität des Kollektivs ins Auge. Bezeichnend für die vergangene Spielzeit: Die „Ganz-oder-gar-nicht“-Mentalität der Reis-Elf. Zwar verloren die Bochumer neunmal und damit häufiger als alle anderen Aufstiegskonkurrenten, dennoch schaffte es der VfL mehrfach, hart umkämpfte Duelle letztendlich doch noch für sich zu entscheiden. Mit nur vier Unentschieden in der gesamten Saison spielte der VfL zudem nur halb so oft Remis wie die direkten Konkurrenten um den Aufstieg aus Fürth (10), Kiel (8) und Hamburg (10).

Die Schwächen

Die wohl größte Schwäche der Bochumer ist im Abgang des Topscorers Robert Zulj zu sehen. Den 29-Jährigen, der in der abgelaufenen Spielzeit an nahezu jedem zweiten Treffer der Blau-Weißen direkt beteiligt war, zieht es ins Ausland.

Auf VfL-Seite hat man in der noch jungen Transferperiode jedoch bereits mehrfach auf den schmerzlichen Abgang reagiert. Neben Torhüter Michael Esser (Hannover 96) wechseln drei weitere Profis mit Bundesliga-Erfahrung an die Castroper Straße: die Offensivakteure Christopher Antwi-Adjei (SC Paderborn) und Takuma Asano (Partizan Belgrad) sowie Eduard Löwen, der von Hertha BSC ausgeliehen worden ist. Zudem reiht sich in Patrick Osterhage (Borussia Dortmund U23) ein junger Spieler mit fußballerischem Entwicklungspotenzial in den Bochumer Kader ein.

Die Bilanz

In der Historie des deutschen Fußballs sind sich Bayer 04 und der VfL Bochum bereits des Öfteren über den Weg gelaufen. Von der Regionalliga West Mitte der 1960er Jahre über den DFB-Pokal bis hin zur Bundesliga trafen die beiden West-Kontrahenten, deren Stadien lediglich 45 Auto-Minuten trennen, bisher 57-mal aufeinander – mit Vorteilen für die Werkself. Bei einem Gesamt-Torverhältnis von 101:84 pro Bayer 04 sowie 26 Siegen und 13 Remis hat das Team von der Dhünn im direkten Vergleich mit den Blau-Weißen die Nase vorn.

Ähnliche News