Thomas Zdebel ist viel rumgekommen in seiner langen Karriere. Als Profi hat er insgesamt 394 Pflichtspiele für seine Vereine in Deutschland, Belgien (Lierse SK) und der Türkei (Genclerbirligi Ankara) absolviert. Aber schon zu seiner Zeit beim 1. FC Köln Mitte der 90er Jahre machte die Familie Zdebel Bergisch Gladbach zu ihrem Lebensmittelpunkt. Das blieb auch so, als der in Kattowitz geborene Pole beim VfL Bochum spielte. Täglich fuhr er auf dem Weg zum Training an der BayArena vorbei. Manchmal, das gesteht er heute mit einem Lächeln, dachte er beim Blick aufs Stadion an der Bismarckstraße: „Die könnten sich doch eigentlich auch mal bei mir melden.“ Doch es sollte ein Weilchen dauern, bis sich die Wege von Zdebel und Bayer 04 nicht nur kreuzten, sondern auch vereinten.
Ein Anruf von Bruno Labbadia vor fast elf Jahren gab seiner Karriere die entscheidende Wendung. Der damals 35-jährige Thomas Zdebel hörte mit wachsender Begeisterung zu, was der Trainer von Bayer 04 ihm da am anderen Ende der Leitung in aller Ausführlichkeit erklärte. Er wolle ihn als Back-up für Arturo Vidal nach Leverkusen holen, sagte Labbadia. Für Zdebel, der beim VfL Bochum gerade eine schwierige Phase durchmachte, war das Angebot von Bayer 04 „wie ein Sechser im Lotto“. Es seien fünfeinhalb schöne Jahre beim VfL gewesen, so der ehemalige polnische Nationalspieler. „Ich habe für Bochumer Verhältnisse sehr viel erlebt, bin mit dem Klub in die Bundesliga aufgestiegen, habe mit dem VfL sogar im UEFA-Cup gespielt und war lange Kapitän.“ Leider endete dieses Kapitel unschön. Nach einem Disput mit Coach Marcel Koller wurde Zdebel suspendiert: „Es ist wirklich unglücklich zu Ende gegangen. Man wollte wohl ein Zeichen setzen, und es hat mich als Mannschaftskapitän getroffen“, sagt Zdebel, für den diese Entscheidung wie „ein Schlag ins Gesicht war“.
In der Winterpause der Saison 2008/2009 kam der Anruf von Labbadia. Zdebel wechselte im Herbst seiner Karriere nach Leverkusen – und hatte fortan nicht nur einen wesentlich kürzeren Weg zur Arbeit. Anderthalb Jahre trug er das Bayer-Kreuz auf der Brust, machte noch zwölf Bundesliga-Partien, ein DFB-Pokalspiel für die Werkself und gehörte zur Mannschaft, die 2009 das Pokalfinale erreichte. Und obwohl er nicht so oft zum Einsatz kam, betrachtet er die Zeit in Leverkusen als absoluten Gewinn. „Ich erhielt die Anerkennung, die man sich als älterer Spieler wünscht und fühlte mich als wichtiger Bestandteil der Mannschaft.“ Im Sommer 2010 wechselte Zdebel noch einmal zu Alemannia Aachen, wo er seine Karriere im Juli 2011 beendete.
Schon als Spieler hatte er sich intensiv Gedanken über die Zeit nach der aktiven Laufbahn gemacht. Eines war dabei klar: Ohne Fußball geht es nicht. Zdebel fuhr zweigleisig, machte seine Trainerscheine und absolvierte nebenbei ein Fernstudium zum Fußball-Manager. Es lag nahe, dass Bergisch Gladbach seine erste Trainerstation wurde. Zdebel stieg schnell vom Jugend-Trainer zum Jugend-Koordinator auf. Im März 2015 übernahm er als Trainer die erste Mannschaft, die damals in der Mittelrheinliga gegen den Abstieg spielte. Er schaffte mit ihr den Klassenerhalt und formte das Team in den folgenden zwei Spielzeiten zum Aufstiegskandidaten. Darauf folgte ein Kurzzeit-Engagement beim TV Herkenrath, wegen der finanziellen Situation des Vereins eine laut Zdebel „recht wilde Zeit“.
Der Kontakt zu Bayer 04 riss aber nie ab. Der ehemalige Mittelfeldspieler schnürte oft die Schuhe für die Traditionsmannschaft. In diesem Frühjahr schließlich bekam er das Angebot, als U17-Trainer von Bayer 04 zu arbeiten, gemeinsam mit Jan Hoepner. Wie damals, im Winter 2008/09, zögerte Zdebel keine Sekunde.
Nun also ist er wieder in offizieller Funktion zurück an alter Wirkungsstätte. Während sich seine Spieler in der Kabine unter der Westtribüne der BayArena umziehen, bereitet Zdebel mit seinem Trainerkollegen das anstehende Spiel im Besprechungsraum vor. Dort stehen eine Taktiktafel und mehrere Stühle, auf denen die Spieler gespannt den Ausführungen ihrer Trainer zuhören. Zdebel und Hoepner legen großen Wert auf eine klare Kommunikation und die richtige Wortwahl: „Man muss mit Jugendlichen anders reden als mit Erwachsenen“, sagt Zdebel. Auch die Arbeitsweise unterscheidet sich. Im Jugendbereich gehe es noch mehr um die Grundlagen. Hier muss eben ausgebildet werden. Und trotzdem will man natürlich auch die Spiele möglichst gewinnen. „Wir wollen einen dominanten und offensiven Spielstil praktizieren“, betont Zdebel.
Die Idee dahinter: Einerseits können die Spieler ihr fußballerisches Können mit einem auf Ballbesitz angelegten Stil viel besser zur Geltung bringen beziehungsweise noch optimieren. Und darüber hinaus passt dies natürlich auch bestens zur Spielphilosophie von Bayer 04. Auch Disziplin und ein respektvolles Miteinander stehen bei Zdebel ganz oben auf der Werteliste. In dieser Beziehung hat ihm Jupp Heynckes als Trainer imponiert. „Er hatte eine tolle Menschenführung und gab jedem Spieler das Gefühl, wichtig für den Gesamterfolg zu sein.“
Dass der Weg zum Fußball-Profi nicht vorgezeichnet ist, nur weil die Talente einem Nachwuchsleistungszentrum angehören, versucht Zdebel seinen Spielern immer wieder klarzumachen. „Manchmal führen eben auch Umwege zum Ziel“, sagt er. Viele glaubten leider, ihre Karriere sei beendet, wenn sie es aus der U19 „nur“ in die Regionalliga oder Oberliga schaffen. Zdebel sieht das anders: „Wenn man aus der U19 kommt, muss man spielen, egal wo. Denn sonst verliert man den Anschluss.“
Mit der Hinrunde ihres Teams durften Thomas Zdebel und Jan Hoepner durchaus zufrieden sein, auch wenn die beiden Heimniederlagen kürzlich in den Spitzenspielen gegen Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach schmerzten. Die Entwicklung der Mannschaft sei positiv, vor allem wenn man bedenkt, dass in der U17 auch viele Spieler aus dem jüngeren Jahrgang spielen. „Wir hatten oft mindestens drei jüngere Jahrgänge in der Startelf oder sogar fünf im Laufe des Spiels“, betont Zdebel. Das Prinzip dahinter: „Wer besser ist, der wird auch spielen.“
Das ist nicht immer selbstverständlich im Jugendbereich. Denn manche Trainer setzen auf die körperlich stärkeren Spieler, weil diese eher den kurzfristigen Erfolg bringen. Aber das passt nicht zu Zdebels Philosophie. Für ihn steht die Ausbildung an oberster Stelle: „Im Jugendbereich geht es darum, dass du die Spieler besser machst und sie weiterbringst.“ Das schließt aber nicht aus, dass man auch als Gemeinschaft erfolgreich ist. Für Zdebel hängt das eine vielmehr mit dem anderen zusammen: „Wenn du die Spieler und die Mannschaft besser machst, dann werden die Punkte und Erfolge automatisch kommen.“
Die Balance zwischen guter, individueller Ausbildung und sportlichem Erfolg ist eine diffizile Angelegenheit. Thomas Zdebel weiß das. Aber er liebt solche Herausforderungen – und geht dabei mit viel Herz und großer Leidenschaft ans Werk, um seinen Jungs den Weg nach oben zu ermöglichen.
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