Am Ende schwang auch ein Schuss Erleichterung mit. „Das war ein schwieriges Spiel“, analysierte Romelu Lukaku das Aufeinandertreffen mit dem FC Getafe im Achtelfinale am vergangenen Mittwochabend. Der spanische Klub hatte Inter Mailand in Gelsenkirchen einiges abverlangt: Getafe hatte frühe Chancen zur Führung, vergab dann später einen Handelfmeter zum möglichen Ausgleich. Das Weiterkommen für die „Nerazzurri“ stand schon im ersten Spiel nach dem Europa-Re-Start teils auf der Kippe. Letztendlich setzte sich aber die höhere individuelle Qualität des italienischen Vize-Meisters durch: Eine unwiderstehliche Einzelleistung von Stürmerstar Lukaku brachte Inter im ersten Durchgang in Führung, unmittelbar nach Getafes verschossenem Elfmeter besorgte der kurz zuvor eingewechselte Christian Eriksen den 2:0-Endstand.
„Die Europa League ist ein wichtiger Wettbewerb für uns“, sagte Trainer Antonio Conte. Er weiß: Für seine Mannschaft kann es in diesem Jahr weit gehen. „Die Jungs verbessern sich konstant, wir sind mittlerweile sehr schwer zu schlagen.“ Keine Frage: Mit der Verpflichtung von Conte und mehreren europäischen Top-Spielern im vergangenen Sommer hat Inter zuletzt wieder den Schritt zurück zu einem absoluten Spitzenklub Europas gemacht. In der Serie A fehlte am Ende nur ein einziger Punkt zu Serienmeister Juventus, auch in der Champions League brauchte es in der Hammer-Gruppe mit dem FC Barcelona und Borussia Dortmund nicht viel zum Weiterkommen. Stattdessen setzte sich Inter in der Europa League zunächst souverän gegen Ludogorez Rasgrad durch (2:0; 2:1) – und nun am Ende auch verdient gegen Getafe.
Wohl dem, der es sich leisten kann, einen Christian Eriksen erst in der 82. Minute einzuwechseln. Der dänische Spielmacher, vergangene Saison immerhin noch in der Startformation im Champions-League-Finale, ist bei Inter derzeit nur Edeljoker – trotz der unbestrittenen Klasse, die der Mittelfeldmann auch gegen Getafe sogleich zeigte: Wenige Sekunden war er auf dem Feld, als er den Treffer zum 2:0 erst selbst einleitete und dann auch erzielte. Conte bescheinigte dem Dänen nach dem Getafe-Spiel: „Er fügt sich bei uns immer besser ein.“ Doch das Team ist mittlerweile eben derartig hochkarätig besetzt, dass ein Stammplatz für einen wie Eriksen keine Selbstverständlichkeit ist.
Im vergangenen Sommer hat der Verein mächtig aufgerüstet: Neben Trainer Conte, ehemals Coach bei Juve, Chelsea und der italienischen Nationalmannschaft, kam eine ganze Reihe an hochkarätigen Spielern wie Mittelstürmer Lukaku, Abwehr-Routinier Diego Godin und – zunächst auf Leihbasis – Angreifer Alexis Sanchez, den Inter nun fest verpflichtet hat, wie der Verein am Donnerstag bekanntgegeben hatte. Im Winter folgten dann weitere große Namen wie Ashley Young, Victor Moses – und eben Eriksen. Zusammen mit bereits zuvor im Kader stehenden Klassespielern wie dem von vielen Spitzenklubs umgarnten Angreifer Lautaro Martinez, Mittelfeld-Abräumer Marcelo Brozovic oder Innenverteidiger Stefan de Vrij ergibt sich durch die Transfer-Offensive eine Mannschaft, die sich wohl vor keinem anderen Team dieses Kontinents noch verstecken muss.
„Wir haben es oft falsch gemacht, wenn wir von hinten herausgespielt haben“, kritisierte Conte nach dem Getafe-Spiel. Tatsächlich hatten es die Spanier in der Anfangsphase geschafft, Inter schon im Spielaufbau unter Druck zu setzen und auf diese Weise oftmals Ballverluste der „Nerazzurri“ zu provozieren. Ansonsten offenbarte das Team in den vergangenen Wochen aber kaum Schwächen, das einzige öffentlichkeitswirksame Problem ist wohl eher ein mediengemachtes: Die Reservistenrolle von Winter-Neuzugang Eriksen wird in Italiens Zeitungen und Fernsehsendungen rauf und runter thematisiert. Aber auch daran könnte sich bald noch etwas ändern.
Zum ersten Mal seit der historischen Triple-Saison 2009/2010 unter José Mourinho scheint Inter Mailand wieder zurück an der Spitze des internationalen Fußballs. Selbst in der Serie A war der einstige Abo-Meister (von 2006 bis 2010 fünf Scudetti in Folge) zwischenzeitlich ins Mittelmaß abgerutscht, nun scheint die große Renaissance vonstatten zu gehen. Mit dieser hochkarätigen – allerdings auch bereits überdurchschnittlich alten – Mannschaft hat Inter beste Chancen, in den kommenden Jahren wieder einen Titel zu holen – womöglich sogar schon in diesem Sommer.
Keine Frage: Inter ist ein hartes Los für die Werkself. Unter den verbliebenen acht Mannschaften findet sich kaum ein Team, das eine derartige Vielzahl von großen Namen in seinen Reihen hat. Nicht nur für Anhänger von Bayer 04 dürfte diese Partie ein absoluter Leckerbissen werden, das Potenzial für eines der Highlight-Spiele des Europa-League-Turniers ist definitiv da – und der Sieger hätte im Halbfinale eine mehr als realistische Chance, gegen Donezk oder Basel bis ins Endspiel in Köln vorzustoßen. Mehr geht kaum in einem Viertelfinale, doch klar ist auch: Die Werkself wird eine Top-Leistung benötigen, um das Weiterkommen zu realisieren.
Spitzenreiter in der Premier League, drei Siege in drei Spielen in der Königsklasse und souverän ins Viertelfinale des League-Cups eingezogen: Der FC Liverpool hätte kaum besser in die Saison starten können. Und dem englischen Top-Klub gelang am vergangenen Wochenende auch die Generalprobe für das Duell mit der Werkself an diesem Dienstag, 5. November (Anstoß 21 Uhr), im legendären Anfield. Jetzt wollen Virgil van Dijk, Mohamed Salah und Co. gegen den deutschen Doublesieger den nächsten Erfolg feiern. Der Gegner-Check.
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