Schon die eine oder andere Überraschung hat Hapoel Beer Sheva in dieser Saison auf internationalem Parkett vollbracht. Als israelischer Pokalsieger der Vorsaison musste der Klub einen langen Weg durch die Qualifikation für die Europa League nehmen: zunächst gegen Dinamo Batumi aus Georgien (3:0), dann bei KF Laci aus Albanien (2:1) und gegen den FC Motherwell aus Schottland (3:0). So weit, so durchaus möglich. Eher überraschend dann aber das 1:0 in der Play-off-Runde gegen Viktoria Pilsen, immerhin tschechischer Vize-Meister. „In der Gruppe sind wir der Außenseiter“, sagte Trainer Yossi Abukasis nach der Auslosung – und so wirklich widersprochen dürfte ihm kaum jemand haben. Schließlich hat Beer Sheva nach drei Meistertiteln zwischen 2016 und 2018 zuletzt zweimal „nur“ Platz vier in der israelischen Liga belegt und ist auch in die wegen der Coronavirus-Pandemie zwischenzeitlich unterbrochenen aktuellen Spielzeit nicht gut gestartet. Am Montagabend beispielsweise kam der kommende Werkself-Gegner gegen den bis dato noch punktlosen Tabellenletzten Bnei Sachnin zu Hause nicht über ein 2:2 hinaus. Beer Sheva belegt mit nun fünf Punkten aus vier Spielen Rang acht. Dennoch haben die Israelis in der Europa League die vermeintlich „größeren“ Teams durchaus Paroli geboten. Zum Auftakt gewann Beer Sheva mit 3:1 gegen Werkself-Bezwinger Slavia Prag, das Auswärtsspiel in Nizza verlor der selbsternannte Außenseiter nur knapp mit 0:1. Konsequenz: Nach zwei Spieltagen steht Hapoel noch immer auf Gruppenplatz zwei.
„Die Qualitäten von Peter Bosz sind mir von seiner Zeit in Tel Aviv bekannt“, sagte Beer Shevas Trainer Yossi Abukasis nach der Gruppenauslosung. Er muss es wissen. Denn obwohl der heutige Werkself-Coach im Jahr 2016 nur ein knappes halbes Jahr Trainer von Maccabi Tel Aviv war, trat er in dieser Zeit gleich dreimal gegen Abukasis, damals noch Trainer von Ihud Bnei Sachnin, an. Die Bilanz: zwei knappe Siege für Bosz, ein Unentschieden. Seit Januar trainiert Abukasis nun Hapoel Beer Sheva, holte in dieser Zeit den nationalen Pokal und qualifizierte sich nun für die Europa League – ein Arbeitsnachweis, der sich mehr als sehen lassen kann. Abukasis, ehemals Co-Trainer der israelischen Nationalmannschaft, setzt zumindest in der Europa League auf einen stabilen Defensivverbund und bot sowohl gegen Prag als auch gegen Nizza eine Fünferabwehrkette auf.
Große Namen sucht man in seinem Team vergeblich, unter den vielen Israelis im Kader findet sich in Innenverteidiger Loai Taha auch nur ein aktueller Nationalspieler. Im Sommer schlag Beer Sheva kräftig auf dem Transfermarkt zu und holte diverse Spieler aus dem Ausland, die den Kader nun auf einigen Positionen deutlich stärker machen: Der schnelle Außenstürmer Elton Acolatse aus den Niederlanden etwa entschied das Spiel gegen Prag mit einem späten Doppelpack, auch der kolumbianische Angreifer Jhonatan Agudelo steuerte einen Treffer bei, der Argentinier Mariano Bareiro räumt vor der Abwehr auf.
Fixpunkt und Star des Teams ist der Portugiese Josué. In einer Mannschaft voller Spieler mit eher überschaubarem Bekanntheitsgrad dürfte der Mittelfeldmann gleichzeitig auch der wohl prominenteste Name sein. Josué stammt aus der Jugendakademie des FC Porto und lief für seinen Heimatverein unter anderem sechsmal in der Champions League auf, machte außerdem vier Spiele für die portugiesische Nationalmannschaft – mitunter an der Seite von Cristiano Ronaldo. Später spielte er unter anderem für den SC Braga und Galatasaray Istanbul. Seit 2019 läuft der inzwischen 30-Jährige für Beer Sheva auf, ist im zentralen Mittelfeld Schaltzentrale, Kreativposten – und auch Torschütze: In den vier Qualifikationsspielen vor der Gruppenphase erzielte Josué vier Treffer. Gemeinsam mit Neuzugang Bareiro als Abräumer sowie seinem Landsmann und Kapitän Miguel Vitor (schon 28 Europa-League-Einsätze unter anderem für Benfica Lissabon) als Abwehrchef bildet Josué eine stabile Achse in der Zentrale.
Die israelische Liga war aufgrund der Pandemie über einen Monat lang unterbrochen, dafür kommt es jetzt Schlag auf Schlag für Beer Sheva. Nachdem das Team drei Wochen lang kein Pflichtspiel bestreiten konnte, wird die Partie gegen die Werkself die fünfte binnen 14 Tagen sein. Und diesmal ist die Pause besonders kurz, schließlich war Hapoel noch am Montagabend in der Liga gefordert. All zu viel Rotation kann sich Trainer Abukasis aber nicht erlauben, denn um Leistungsträger wie Josué, Miguel Vitor oder Acolatse auf europäischer Bühne gleichwertig ersetzen zu können, fehlt es im Kader an Qualität in der Breite.
Dass Beer Sheva ein mehr als ernstzunehmender Gegner ist und auch scheinbar überlegenen Mannschaften große Probleme bereiten kann, hat das Team auch in dieser Saison schon hinlänglich bewiesen. Das Weiterkommen in der Gruppe wäre für den Außenseiter sicher eine riesige Überraschung, nach dem Auftakt-Erfolg gegen Prag aber eben auch alles andere als unmöglich. Schon in der Europa-League-Saison 2016/17 überstanden die Israelis die Vorrunde in einer nicht minder stark besetzten Gruppe mit Inter Mailand, dem FC Southampton und Sparta Prag. Warum also nicht nochmal?
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