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22.05.2024Europa League

Gegner-Check: Auch Atalanta will eine historische Saison krönen

Mit dem fünften Platz in der Serie A und der Qualifikation für die UEFA Champions League hat Atalanta Bergamo sein erstes großes Ziel zwei Spieltage vor Saisonschluss schon erreicht. Jetzt will der Klub aus der Lombardei im Finale der UEFA Europa League gegen die Werkself am Mittwoch, 22. Mai (Anstoß: 21 Uhr), den nächsten Coup landen. Wie unbequem die zweikampf- und offensivstarken Bergamasken als Kontrahent sind, weiß Bayer 04 noch aus eigener Erfahrung. Der Gegner-Check.
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Position

Wie der Werkself gelang auch Atalanta Bergamo am vergangenen Wochenende die Generalprobe vor dem Europa-League-Finale in Dublin. Die Elf von Chefcoach Gian Piero Gasperini gewann bei UC Lecce mit 2:0 und machte zwei Spieltage vor Saisonschluss den fünften Platz in der Serie A fest. Die Bergamasken haben damit das Ticket für die Champions League gelöst. „Unser großes Saisonziel ist erreicht, ich bin wirklich stolz auf meine Mannschaft“, sagte der 66-jährige Gasperini, der seit 2016 Trainer bei Atalanta ist und mit dem Klub aus der Lombardei zum vierten Mal die Gruppenphase der Königsklasse erreicht hat. Beim Tabellendreizehnten in Lecce erzielten Charles de Ketelaere und Torjäger Gianluca Scamacca kurz nach dem Seitenwechsel die Treffer für die souveränen Gäste. Einen großen Schritt Richtung Champions League hatte Atalanta bereits in der Woche zuvor gegen die AS Rom gemacht. Vor dem Spiel rangierten beiden Teams auf den Plätzen 5 und 6. In Bergamo dominierten die Gastgeber von Beginn an und führten durch einen Doppelschlag von de Ketelaere früh mit 2:0. Anschließend vergab Atalanta viele weitere große Chancen. Den Römern gelang durch Pellegrini nur noch der Anschlusstreffer.

Zwischen diesen beiden wichtigen Ligasiegen musste das Gasperini-Team Mitte vergangener Woche eine schmerzhafte Niederlage im Finale der Coppa Italia einstecken. Im Stadio Olimpico in Rom verlor Atalanta 0:1 gegen Juventus Turin. Es war für Bergamo die dritte Finalniederlage im Pokalwettbewerb seit 2019. Dennoch ist diese Saison eine überaus erfolgreiche für Atalanta. In der Gruppenphase der Europa League hatten sich die Schwarz-Blauen souverän und ungeschlagen als Tabellenerster durchgesetzt. Im Achtelfinale schaltete man den portugiesischen Meister Sporting Lissabon aus (1:1, 2:1). Für Aufsehen sorgte dann vor allem der 3:0-Auswärtssieg im Viertelfinale beim FC Liverpool, nach dem sich Bergamo im Rückspiel eine 0:1-Niederlage leisten konnte. Und schließlich ließ man im Halbfinale auch Olympique Marseille keine Chance. Nach dem 1:1 in Südfrankreich gewann Atalanta das Rückspiel im Gewiss Stadium hochverdient mit 3:0 und zog damit erstmals in der Klubgeschichte in das Finale eines europäischen Wettbewerbs ein.

Personal

Die 0:1-Niederlage gegen Juventus Turin im Pokalfinale war für Marten de Roon doppelt bitter. Der 33 Jahre alte Mittelfeldakteur, der in elf von zwölf Europa-League-Partien über die volle Distanz für Bergamo auf dem Feld stand, musste gegen Juve nach 64 Minuten ausgewechselt werden. De Roon hatte sich am Oberschenkel verletzt und wird seiner Mannschaft im Finale gegen die Werkself fehlen. Die Position des 33 Jahre alten niederländischen Nationalspielers könnte der gebürtige Mainzer Mario Pasalic einnehmen. Eine Alternative wäre der gelernte Innenverteidiger Giorgio Scalvini, der zuletzt auch im defensiven Mittelfeld spielte.

Noch fraglich ist der Einsatz von Verteidiger Sead Kolasinac. Der ehemalige Schalker hatte sich im Halbfinal-Hinspiel gegen Olympique Marseille ebenfalls am Oberschenkel verletzt und stand seitdem nicht mehr im Kader. Sollte es für ein Comeback in Dublin nicht reichen, stehen auf der linken Abwehrseite der 21-jährige Giovanni Bonfanti und der im vergangenen Sommer von Bayer 04 nach Bergamo gewechselte Mitchell Bakker bereit. Auch Scalvini könnte in die Verteidigung rücken, in der der Albaner Berat Djimsiti und der Schwede Ikak Hien gesetzt sein dürften. Letzterer kam erst im Januar dieses Jahres von Hellas Verona nach Bergamo. Aber auch Kapitän Rafael Toloi wäre eine Option für die Dreierkette.

Auf den Außenbahnen setzt Trainer Gasperini meist auf Matteo Ruggeri (links) und Davide Zappacosta. Im zentralen Mittelfeld hat sich der Brasilianer Ederson seit seinem Wechsel von US Salernitana vor zwei Jahren zu einer unverzichtbaren Stammkraft bei den Nerazzurri entwickelt. Für die Offensive zuständig sind unter anderem der Niederländer Teun Koopmeiners, der Belgier Charles de Ketelaere sowie der Russe Aleksey Miranchuk. Auch im Sturmzentrum verfügen die Bergamasken mit Spielern wie El Bilal Touré, Ademola Lookman und vor allem Gianluca Scamacca über große Qualität. Luis Muriel hingegen, der vor zwei Jahren beim 3:2-Sieg der Bergamasken gegen die Werkself zwei Treffer erzielt hatte, wechselte im Februar 2024 in die Major League Soccer zu Orlando City.

Prunkstück

Gian Piero Gasperini setzt seit seinem Dienstantritt in Bergamo vor acht Jahren auf Offensivfußball. Unter seiner sportlichen Leitung zählte La Dea („Die Göttin“) immer zu den torgefährlichsten Teams in der Serie A. So auch in dieser Saison. Nach Meister Inter Mailand (86) und Vizemeister AC Mailand (73) stellt Bergamo mit 67 Treffern die drittbeste Offensive in der italienischen Liga. Torjäger Gianluca Scamacca, ein 1,96-Meter-Hüne, kam im vergangenen Sommer von West Ham United zurück in sein Heimatland. Der gebürtige Römer hat in der laufenden Saison in der Europa League bereits sechsmal eingenetzt und ist damit nach Pierre-Emerick Aubameyang (10 Tore für Olympique Marseille) und Romelu Lukaku (7/AS Rom) erfolgreichster Torschütze des Wettbewerbs. Mit zwei Treffern war Scamacca Man of the Match beim 3:0-Hinspielsieg im Viertelfinale beim FC Liverpool. In der Serie A erzielte Scamacca elf Tore für Atalanta. Nur Teun Koopmeiners traf noch einmal mehr. Brandgefährlich sind vorne auch Charles de Ketelaere (10 Tore) und der ehemalige Leipziger Ademola Lookman (9).

Aber auch in der Defensive sind die Schwarz-Blauen stark und schwer zu knacken. In der Europa League kassierte der Klub aus der Lombardei in zwölf Spielen nur acht Gegentore, 0,67 pro Spiel – das ist der beste Wert aller Teilnehmer. Atalanta hat in diesem Wettbewerb zudem pro Spiel nur 2,8 gegnerische Abschlüsse aufs eigene Tor zugelassen. Auch das wird von keiner anderen Mannschaft getoppt. Die Bergamasken spielen einen extrem intensiven, zweikampfbetonten Fußball. „Das ist eine italienische Mannschaft, die Erfahrung hat und brutal aggressiv spielt“, warnt Werkself-Stratege Granit Xhaka.

Probleme

Die sehr offensive Spielweise der Bergamasken birgt auch ihre Risiken. Weil die Abwehr oft weit aufrückt, bieten sich den Gegnern über schnelles Umschaltspiel Räume. Juventus nutzte eine solche Situation im Finale der Coppa Italia zum spielentscheidenden 1:0. Abzuwarten bleibt, wie schwer der verletzungsbedingte Ausfall von Leistungsträger Marten de Roon wiegen wird.

Prognose

Ähnlich wie in Leverkusen ist die Euphorie auch in Bergamo riesengroß. Bis auf den kleinen Dämpfer im Finale der Coppa Italia hat die Mannschaft zuletzt in der Serie A und in der Europa League viel Selbstvertrauen tanken können. La Dea ist in bestechender Form. „Das wird ein historisches Finale“, sagt Trainer Gasperini. „Für eine Mannschaft wie die unsere ist es einfach unglaublich, so weit gekommen zu sein.“ Jetzt will der Klub eine ohnehin schon großartige Saison mit dem ersten internationalen Titel seiner Historie veredeln. Nicht nur der Trainer, auch Spieler wie Teun Koopmeiners, Davide Zappacosta oder Torhüter Juan Musso werden sich gerne an das erste Duell mit der Werkself in der Saison 2012/22 erinnern, als sich Atalanta im Achtelfinale der Europa League mit zwei knappen Siegen (3:2, 1:0) gegen Schwarz-Rot durchsetzen konnte. Nun werden die Karten neu gemischt. Und klar ist: Gasperini hat auch diesmal wieder ein ausgezeichnetes Blatt auf der Hand.

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