Zurück zur Übersicht
9.05.2023Europa League

Gegner-Check: AS Rom und die hohe Kunst des Verteidigens

Zum fünften Mal treffen die AS Rom und Bayer 04 an diesem Donnerstag, 11. Mai (Anstoß: 21 Uhr), international aufeinander. Im Halbfinal-Hinspiel wartet im Olimpico eine höchst anspruchsvolle Aufgabe auf die Werkself. Beim aktuellen Tabellensiebten der Serie A ist vor allem der Trainer ein Star. Einer, den Bayer-Chefcoach Xabi Alonso gut kennt. Der Gegner-Check.
crop_imago1024329325h.jpg

Position

Wie Bayer 04 ist auch der AS Rom die Generalprobe für das Halbfinal-Hinspiel misslungen. Die Giallorossi verloren am vergangenen Wochenende 0:2 gegen Inter Mailand durch Tore von Federico Dimarco und Romelu Lukaku. Es war eine Niederlage, die für das Team von Trainer José Mourinho einen herben Rückschlag im Rennen um die Champions-League-Ränge in der Serie A bedeutet. Dennoch mochte der Kult-Trainer seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil, auf der Pressekonferenz nach der Partie sagte Mourinho: „Ich bin unheimlich stolz auf meine Jungs. Wir haben heute gegen die stärkste Mannschaft Italiens gespielt, gegen eine Mannschaft, die im Halbfinale der Champions League steht. Es ist schön zu sehen, gegen Inter nicht unterlegen gewesen zu sein. Das Ergebnis sagt 0:2, weil sie vor dem Tor nichts vergeben haben, wir schon. Aber wir gehen weiter, es ist noch nicht vorbei.“

Allerdings hat Mourinhos Team aus den vergangenen vier Ligaspielen nur zwei Punkte geholt –jeweils ein 1:1 gegen den AC Mailand und AC Monza – und rutschte von Platz vier auf Platz sieben ab. Vier Spieltage vor Saisonende beträgt der Rückstand auf den letzten Champions-League-Rang, den nun Inter Mailand einnimmt, fünf Punkte. Die AS muss um den Einzug in einen internationalen Wettbewerb bangen. Auch für sie könnte die große Chance auf das europäische Geschäft also im Gewinn der Europa League liegen. Was internationale Titel betrifft, sind die Römer in der vergangenen Saison auf den Geschmack gekommen, als sie das Finale der neu eingeführten Conference League gegen Feyenoord Rotterdam mit 1:0 für sich entschieden. Es war der erste internationale Triumph des Klubs seit 61 Jahren.

Die Niederländer waren zuletzt auch der Gegner im Viertelfinale der Europa League. Und auch hier haben es die Giallorossi im Rückspiel spannend gemacht. Als Feyenoord zehn Minuten vor Ende der Partie zum 1:1 ausgleichen konnte, schien die AS nach dem 0:1 im Hinspiel geschlagen. Doch dann rettete Paulo Dybala sie in der 89. Minute in die Verlängerung, in der schließlich Stephan El Shaarawy und Kapitän Lorenzo Pellegrini die entscheidenden Treffer zum Einzug ins Halbfinale schossen. „Ein episches Comeback“, nannte das die „Gazzetta dello Sport“. Nun ist die Vorfreude riesig in der Ewigen Stadt auf das Halbfinal-Hinspiel gegen die Werkself. Über 60.000 Tickets für die Partie im Stadio Olimpico waren vier Stunden nach Start des freien Verkaufs vergriffen.

Personal

Vor dem 35 Jahre alten portugiesischen Nationaltorhüter Rui Patricio (107 Länderspiele) lässt José Mourinho meist mit einer Dreierkette spielen, in der der Engländer und ehemalige Spieler von Manchester United Chris Smalling häufig die zentrale Innenverteidiger-Position übernimmt. Rechts ist Gianluca Mancini gesetzt, links der Brasilianer Roger Ibanez, dem am vergangenen Wochenende ein grober Patzer vor dem 0:2 gegen Inter Mailand unterlaufen war. Mögliche Alternativen könnten Bryan Cristante, der Smalling zuletzt gegen Milan vertrat, meist aber im Mittelfeld spielt, Diego Llorente oder der Türke Mehmet Celik sein. Verzichten muss Mourinho hingegen auf die Verteidiger Rick Karsdorp (Knie-OP) und Marash Kumbulla (Kreuzband-Verletzung).

Feste Größen als Schienenspieler sind Leonardo Spinazzola (links) und der Pole Nicola Zalewski (rechts). Im zentralen defensiven Mittelfeld zählt der 34 Jahre alte Serbe Nemanja Matic zu den Stammkräften. Auch der erst 20-jährige Edoardo Bove bekam für seine Leistung gegen Milan viel Lob von Mourinho. Für die offensiven Akzente ist unter anderem Kapitän Lorenzo Pellegrini zuständig. Der italienische Nationalspieler schießt fast alle Standards bei den Romanisti. Mit acht Torbeteiligungen (vier Treffer, vier Assists) ist Pellegrini der erfolgreichste Scorer der laufenden Europa-League-Saison.

Sehr unglücklich verlief die Spielzeit bisher für den niederländischen Auswahlspieler Georginio Wijnaldum. Der 32 Jahre alte Offensivakteur hatte sich zu Saisonbeginn einen Schienbeinbruch zugezogen, fiel monatelang aus und verpasste die WM mit der Oranje. Der ehemalige Liverpooler war erst im Sommer 2022 von Paris Saint-Germain zur AS Rom gewechselt. Im Februar dieses Jahres gab er sein Comeback, erzielte bislang in 16 Pflichtspielen zwei Tore.

Top-Stürmer der Giallorossi ist der argentinische Weltmeister Paulo Dybala, der ebenfalls im vergangenen Sommer von Juventus Turin nach Rom kam. Der Nationalmannschaftskollege von Werkself-Profi Exequiel Palacios traf in 35 Pflichtspielen 16-mal für die AS (8 Assists), war zuletzt aber häufiger angeschlagen und kam am vergangenen Wochenende gegen Inter Mailand nur zu einem Kurzeinsatz. Andrea Belotti wechselt sich als Mittelstürmer mit dem Engländer Tammy Abraham ab. Während Abraham in der Serie A schon acht Treffer erzielte (4 Assists), ist Belotti dort in 27 Spielen noch ohne Torerfolg. Dafür netzte der Italiener aber in der Europa League bereits dreimal ein. Auch Stephan El Shaarawy, der meist als Joker kommt, traf in dieser Saison siebenmal in Pflichtspielen.

Prunkstück

José Mourinho setzt seit jeher auf eine defensive Spielphilosophie. Safety first lautet das Motto des Erfolgstrainers, der als einziger Coach bisher drei verschiedene internationale Wettbewerbe gewinnen konnte (Champions League 2004 und 2010, Europa League 2003 und 2017, Europa Conference League 2022). In der Serie A kassierte die AS Rom in bislang 34 Ligaspielen nur 33 Gegentore. Damit stellt sie die viertbeste Abwehr in Italien. Auch in der Europa League mussten die Römer bis dato in zwölf Spielen erst zehn Gegentore hinnehmen. „Man kann sagen, dass sie den allseits bekannten Mourinho-Style perfektioniert haben“, sagt Giulio Donati, der ehemalige Werkself-Profi und aktuelle Spieler von AC Monza, im Interview mit bayer04.de.

Selbst zu Hause überlassen die Römer das Spiel oft dem Gegner, lauern nach Balleroberung auf Kontermöglichkeiten, wie beim 2:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel gegen Real Sociedad. Wenn es, wie im Rückspiel, nötig ist, rühren sie hinten Beton an, können vorne dank Spielern wie Dybala, Spinazzola, Wijnaldum, Belotti, El Shaarawy und Abraham aber immer wieder Nadelstiche setzen.

Gefährlich wird es bei den Romanisti fast immer nach ruhenden Bällen. Lorenzo Pellegrini ist der ausgewiesene Standard-Experte im Team. Aufpassen muss die Werkself auch bei hohen Bällen: Vier Kopfballtore sind Bestwert in der laufenden Europa-League-Saison.

Probleme

Nach dem 0:2 gegen Inter Mailand auf die personelle Situation angesprochen, sagte José Mourinho: „Es gab fünf oder sechs Spieler, die sehr müde waren, weil sie immer spielen: Mancini, Cristante, Pellegrini… Diese Leute sind todmüde. Dann sind da noch die verletzten Spieler wie Paulo Dybala und Andrea Belotti.“ Letzteren plagen seit einem Zusammenprall im Spiel gegen den AC Mailand Rippenschmerzen. Dybala musste zuletzt wegen Adduktorenbeschwerden und einer Knöchelverstauchung kürzertreten. Die Aussicht auf das nur noch zwei Spiele entfernte Finale dürfte freilich auch die angeschlagenen Spieler über ihre Schmerzgrenzen hinausgehen lassen.

So gefährlich die Römer bei Standards sind, so anfällig sind sie selbst nach ruhenden Bällen. So fiel vor einer Woche der 1:1-Ausgleich der AC Monza nach einer weiten Freistoßflanke.

Prognose

„Das wird ein Hexenkessel, da braucht es wieder das, was wir in den vergangenen Wochen gut gemacht haben“, sagt Bayer 04-Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes vor dem Halbfinal-Hinspiel in der Ewigen Stadt. Die AS Rom dürfte auch gegen die Werkself aus einer kompakten Defensive heraus agieren und nicht darauf aus sein, das Spiel zu machen.

„Es wird in beiden Spielen viel Geduld gefragt sein“, ist Rudi Völler überzeugt. Der DFB-Sportdirektor kennt die besondere Atmosphäre im Olimpico noch aus seiner Zeit als Aktiver bei der AS Rom. „Es wird vor 70.000 Zuschauern eine unglaubliche Stimmung im Stadion sein. Das wird für unsere Spieler ein wunderbares Erlebnis.“

Auch für Xabi Alonso wird es ein spezielles Spiel, denn er trifft auf seinen ehemaligen Trainer. Unter José Mourinho spielte der Bayer 04-Chefcoach zwischen 2010 und 2013 bei Real Madrid. Beide feierten mehrere Titel gemeinsam, wurden spanischer Meister, Pokalsieger und Superpokalsieger.

Ähnliche News