Im Hamburger Landespokal führt der Weg zum Titel mittlerweile nur noch über Eintracht Norderstedt. Zum vierten Mal in den vergangenen fünf Jahren erreichte die Mannschaft 2020 das Finale, zum dritten Mal nach 2016 und 2017 ging sie als Sieger hervor. Das Endspiel gegen den klassentieferen Oberligisten TSV Sasel gewann „EN“ im August – unter anderem nach zwei Traumtoren von Rico Bork und Johann von Knebel – äußerst souverän mit 5:1 und sicherte sich damit auch zum dritten Mal in der Geschichte des erst 2003 gegründeten Vereins ein Ticket für den DFB-Pokal. 2016 unterlag Norderstedt der SpVgg Greuther Fürth mit 1:4, ein Jahr später schnupperte man an der Überraschung, musste sich dem VfL Wolfsburg nur knapp mit 0:1 geschlagen geben.
Bayer 04 trifft nun aber auf das vielleicht stärkste Team, das der Verein bislang ins DFB-Pokal-Rennen schickte. Die vorzeitig abgebrochene Saison der Regionalliga Nord beendete Norderstedt auf Rang sechs. Diese Platzierung bedeutete das bislang beste Ergebnis der Vereinsgeschichte, nur 2014/15 gelang die gleiche Platzierung, auch der Sieg im Landespokal erfolgte in diesem Jahr deutlich souveräner als bei den zwei Erfolgen zuvor. Allerdings: Anders als 2016 und 2017 wird Norderstedt nicht im heimischen Edmund-Plambeck-Stadion vor den Toren Hamburgs antreten können. Hintergrund: der Organisationsaufwand durch die Corona-Auflagen. „Da auch ohne Zuschauer der organisatorische Aufwand bei Heimspielen im DFB-Pokal für einen Amateurverein immens ist und zudem erhebliche Kosten für Personal und Ermöglichung der TV-Übertragung entstehen, die ohne Zuschauereinnahmen kaum gedeckt werden können“, habe man sich entschieden, Bayer 04 den Heimrechttausch anzubieten, ließ der Regionalligist verlauten.
Die Mannschaft um das Trainer-Duo Jens Martens und Olufemi Smith ist über die vergangenen Jahre in großen Teilen zusammengeblieben und dementsprechend gewachsen. Einige Spieler haben eine Vergangenheit in Nachwuchsleistungszentren von Profi-Vereinen, anders als bei vielen anderen ambitionierten Regionalligisten sucht man bekannte Namen mit viel Profi-Erfahrung bei Norderstedt größtenteils aber vergebens. Noch am ehesten dürfte Mittelfeldspieler Evans Nyarko dem geneigten Fußballfan ein Begriff sein. Der 28-Jährige lief für die Zweitvertretungen des HSV, Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf auf und stand 2012 in zwei Spielen im Bundesliga-Kader der Fortuna. Zudem spielte er für Holstein Kiel und den SV Wehen Wiesbaden in der 3. Liga.
Kapitän Jordan Brown hat derweil eine besondere Geschichte hinter sich: Der Defensivspieler stammt aus der Norderstedter Jugend, spielte später drei Jahre lang in der Schweiz, unter anderem in der 1. Liga für den Rekordmeister Grasshoppers Zürich. Seit 2016 ist er wieder zurück bei seinem Heimatverein. Bemerkenswert: Brown ist einer von gleich vier Spielern, die im Landespokalfinale gegen Sasel in der Startelf standen und bereits in der Jugend für „EN“ aufgelaufen waren. Der Verein baut sich viele seiner Leistungsträger selbst.
Im Norden der Republik, besonders im Großraum Hamburg, ist Norderstedt bekannt für effektives Flügelspiel. Die Eintracht verfügt über schnelle Außenspieler und versucht, über schnörkellose Angriffe und präzise Hereingaben zum Erfolg zu kommen. In Mittelstürmer Jan Lüneburg verfügt „EN“ zudem über einen Spieler, der im Zentrum neben seiner Kopfballstärke auch enorm viel Wucht und Physis mitbringt und sich dadurch hervorragend als Abnehmer oder Zielspieler eignet. Im Landespokalfinale gegen Sasel glänzte Lüneburg mit einem Doppelpack.
Auch das Ausweichen nach Leverkusen dürfte Norderstedt sportlich gesehen keine allzu großen Sorgen bereiten: Das Team versteht sich als exzellente Auswärtsmannschaft, hat die letzten sieben Partien der vergangenen Regionalliga-Saison auf fremdem Platz allesamt gewonnen.
Die Generalprobe für die Partie gegen die Werkself ging verloren – und Trainer Jens Martens zeigte sich bedient. „Wir sind mit unserer Mannschaft heute sehr unzufrieden“, fand er nach dem 1:3 bei Weiche Flensburg am vergangenen Samstag klare Worte. Hauptgrund: Sein Team hatte zum Auftakt der neuen Regionalliga-Saison gleich drei Standard-Gegentore kassiert. Eine Achillesferse, die es für das Spiel gegen die Werkself abzustellen gilt. Ebenfalls bitter: Flügelmann Dane Kummerfeld verletzte sich gegen Flensburg am Außenband und könnte womöglich für das große Spiel ausfallen.
Dass Norderstedt – zumal nicht im heimischen Stadion – gegen den Finalisten der Vorsaison vor einer Herkulesaufgabe steht, wird wohl kaum einer der Beteiligten bestreiten. Doch die Mannschaft hat in den vergangenen Jahren oft genug unter Beweis gestellt, dass sie weiß, wie man Pokalspiele gewinnt – und auch, wie man auswärts auftritt. Die Werkself wird eine konzentrierte Leistung benötigen, um in die 2. Runde einzuziehen.
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