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4.11.2024Champions League

Back in Liverpool: Xabi Alonsos emotionale Rückkehr

Fünf Jahre lang hat Xabi Alonso für den FC Liverpool gespielt. Hier entwickelte er sich zum Weltstar, gewann mit den Reds 2005 die Champions League und später noch drei weitere Titel. Jetzt kehrt er als Bayer 04-Trainer erstmals wieder an die Anfield Road zurück. Wir lassen seine Zeit in Liverpool Revue passieren und blicken zurück auf die beiden bisherigen Auftritte der Werkself beim FC Liverpool.
Xabi Alonso im CL-Finale 2004/05

Natürlich ist es für ihn kein Spiel wie jedes andere. „Anfield“, sagt Xabi Alonso, „ist etwas ganz Besonderes. Dort zu spielen, das ist schwer zu überbieten.“ Als der Bayer 04-Coach nach dem 0:0 im Topspiel gegen den VfB Stuttgart erstmals auf das vierte Champions-League-Duell seiner Mannschaft in dieser Saison vorausblickt, lässt er seine ganz persönlichen Erinnerungen an den FC Liverpool außen vor. Typisch Alonso. Erst das Team, volle Konzentration auf die anstehende Aufgabe. Und die bezeichnet er als „eine große Herausforderung bei einem der derzeit besten Teams in Europa“. Aber ganz sicher wird es gerade auch für Alonso persönlich eine emotionale Rückkehr an die Anfield Road. Denn vor gut 20 Jahren, im August 2004, wurde er selbst ein Teil des traditionsreichen englischen Klubs aus der Arbeiterstadt Liverpool. Und auch damals zählte der LFC zu den besten Teams in Europa.

Alonso war 22 Jahre alt, als er von Real Sociedad San Sebastian an den Mersey wechselte. Nicht alle neuen Mannschaftskollegen waren gleich begeistert, als sie erstmals vom Neuzugang aus dem Baskenland hörten. Liverpool-Legende Jamie Carragher erzählte dazu einmal eine Anekdote auf „Redmen TV“. Rafael Benitez, der damalige Coach der Reds, habe der Mannschaft seinen Landsmann Alonso mit folgenden Worten angekündigt: „Dieser Spieler wird uns verstärken, ich denke, er ist ein fantastischer Spieler. Er hat mit mir bereits darüber gesprochen, wo das Team sich verbessern kann und über andere taktische Dinge.“ Carragher, damals Liverpools Innenverteidiger und Vizekapitän, erinnert sich an seine Reaktion darauf: „Ich dachte nur: ‚Wer zur verdammten Hölle denkt er, der er ist? 22, kommt rüber aus Spanien und will uns erzählen, was wir falsch machen. Verdammt, zeig' dich erst einmal im Trikot.‘“ Carraghers Skepsis sollte sich jedoch bald legen, denn schnell habe sich herausgestellt, „dass Xabi Alonso tatsächlich über großen Fußballsachverstand verfügte“.

Der Neue mit der Nummer 14 gab sein Heimdebüt in Anfield am 11. September 2004 beim 3:0 gegen West Bromwich Albion. In der 65. Minute wurde Alonso für Kapitän Steven Gerrard eingewechselt. Vier Tage später, erneut vor heimischem Publikum, lief der spanische Nationalspieler im Champions-League-Gruppenspiel gegen die AS Monaco (3:0) im defensiven Mittelfeld neben Gerrard in der Startformation auf. Es war der Auftakt in eine historische internationale Saison der Reds, die sie bis ins Finale nach Istanbul führen sollte. Auf dem Weg dorthin schaltete Liverpool im Achtelfinale unter anderem Bayer 04 aus. Sowohl im Hin- als auch im Rückspiel gewann das Benitez-Team jeweils 3:1. Allerdings ohne Alonso, der in beiden Partien verletzt passen musste. Im Januar 2005 hatte er sich bei einem Spiel gegen den FC Chelsea einen Knöchelbruch zugezogen.

2005: Keine Chance für die Werkself

Auch ohne seinen Mittelfeldstrategen hatte Liverpool wenig Mühe mit den Leverkusenern. Luis Garcia, John Arne Riise und Dietmar Hamann erzielten im Hinspiel in Anfield die Treffer für die Gastgeber. Franca sorgte unmittelbar vor dem Abpfiff für das 1:3 aus Bayer 04-Sicht. Auch beim Rückspiel in der BayArena schaffte Liverpool schnell klare Verhältnisse. Luis Garcia hatte Mitte der ersten Hälfte mit einem Doppelpack vorgelegt. Milan Baros ließ in der zweiten Hälfte das dritte Tor für die Gäste folgen, ehe Jacek Krzynowek kurz vor Schluss der Ehrentreffer für Bayer 04 gelang. Während die Werkself sich nun auf die Bundesliga konzentrieren konnte, arbeitete Alonso an seinem Comeback – und erholte sich schneller als erwartet von seinem Knöchelbruch. Benitez hatte ihn drei Wochen nach der Verletzung schon für den Rest der Saison abgeschrieben. Doch ab dem Viertelfinal-Rückspiel gegen Juventus Turin Mitte April stand der Spanier wieder auf dem Platz. Auch im Finale gegen die AC Mailand am 25. Mai 2005 zählte Alonso zur Startelf.

Liverpool 2005

An das „Wunder von Istanbul“ erinnerte sich der Bayer 04-Trainer kürzlich anlässlich des erneuten Duells gegen die AC Mailand in der aktuellen Champions-League-Saison: „Es ist brutal wichtig für meine Karriere gewesen, was in dieser Nacht passiert ist.“ Ausführlich hatte Alonso bereits vor drei Jahren in einem Interview auf uefa.com auf dieses denkwürdige Endspiel zurückgeblickt, in dem er selbst eine entscheidende Rolle spielte. „Du stehst in den Katakomben und bist völlig konzentriert. Der Blick geht auf die andere Seite und du siehst die Mannschaft von Milan. Das war ein sehr erfahrenes Team mit beeindruckenden Spielern. Und dann schaust du ein paar Meter weiter nach vorne und siehst den Pokal. Meine Frau war im Stadion, mein Vater und mein Bruder waren da. Meine Mutter ist in San Sebastian geblieben und hat vom Sofa aus mitgeschrien.“ Und dann war das Spiel kaum angepfiffen, da führte Milan nach 52 Sekunden bereits durch Paolo Maldini. Hernan Crespo sorgte mit einem Doppelschlag kurz vor der Pause für die 3:0-Halbzeitführung der in allen Belangen überlegenen Mailänder. Was sollte hier noch schiefgehen für das Team von Trainer Carlo Ancelotti?

Alonso: „Ich fühlte mich wie neugeboren“

„Ich weiß noch, wie unzufrieden ich zur Halbzeit mit meiner eigenen Leistung war“, erinnert sich Alonso. „Einige Spieler waren komplett am Boden und es gab Sprüche wie: ‚Okay, das war’s‘ und ‚Wir haben keine Chance mehr‘.“ Es folgte eine „sehr taktische Ansprache“ von Rafael Benitez. „Er hat uns gesagt, was falsch läuft, was wir verändern sollen und meinte: ‚Schauen wir mal, was passiert‘.“ Was dann passierte, war unglaublich. Innerhalb von sechs Minuten egalisierten die Reds den 0:3-Rückstand. Steven Gerrard (54.) und Vladimir Smicer (56.) hatten Liverpool herangebracht.

Und nach exakt einer Stunde kam der große Auftritt von Alonso. „Wir erhielten einen Elfmeter und ich sollte erstmals in meiner Profi-Karriere schießen. Es stimmt, dass ich vorher noch nie zu einem Strafstoß angetreten war. Ich hatte eine sehr klare Vorstellung, wo ich hinschießen wollte. Der Elfer war auch gar nicht schlecht geschossen, aber Dida parierte stark. Zum Glück habe ich die schnellste Reaktion meiner Karriere gezeigt.“ Alonso hämmerte den Abstauber mit links unter die Latte. Es stand 3:3. „Ich fühlte mich wie neugeboren“, sagt er in der Rückschau. „Wir waren wieder im Spiel und haben quasi ein Bonusleben erhalten.“

Xabi Alonso im CL-Finale 2004/05

Bis zum Abpfiff der Verlängerung sei es „eine lange Leidenszeit“ für die Reds gewesen. Aber dann, nach dem gewonnenen Elfmeterschießen, bei dem Alonso nicht mehr antrat, war es „eine Explosion der Freude, pure Euphorie. Ich bin einfach losgerannt und wusste nicht, was ich machen soll. Neben der Freude hatte man auch das Gefühl, andere Leute glücklich gemacht zu haben. Du wusstest einfach, wie sehr die Liverpool-Fans aus dem Häuschen sind. Das bleibt dir ewig in Erinnerung und macht uns so stolz. Deshalb spielen wir. Ohne Fans ist der Fußball nichts.“

2002: Die Bayer 04-Premiere in Anfield

Alonsos damaliger Teamkollege Dietmar Hamann erinnerte sich später in einem Interview mit Welt an die surreale Situation: „Wir konnten überhaupt nicht realisieren, was da gerade passiert war. Knapp zwei Stunden zuvor hatten wir in der Kabine gesessen und 0:3 zurückgelegen. Und plötzlich steht der Pokal mitten in der Kabine.“ Hamann war im Übrigen einer von sieben Finalteilnehmern des FC Liverpool, die bereits drei Jahre zuvor im Champions-League-Viertelfinale gegen Bayer 04 gespielt hatten. Auch Torhüter Jerzy Dudek, die Verteidiger Jamie Carragher, Sami Hyypiä und John Arne Riise sowie die Mittelfeldspieler Steven Gerrard und Vladimir Smicer standen in der Startelf der Reds, als die Werkself am 3. April 2002 erstmals an der Anfield Road antrat.

Bayer 04 kam als Bundesliga-Tabellenführer nach Liverpool, das seinerseits Spitzenreiter in der Premier League war. „Es ist ein absoluter Traum, hier spielen zu dürfen“, freute sich Bayer 04-Trainer Klaus Toppmöller auf die Begegnung. Michael Ballack zeigte sich überzeugt: „In Liverpool werden wir unsere Chancen haben.“ Weit über 1.000 Fans von Schwarz-Rot – für damalige Verhältnisse eine beachtliche Zahl – wollten sich das Erlebnis Anfield Road nicht entgehen lassen und begleiteten die Werkself nach England. Viele von ihnen begaben sich in den Stunden vor dem Spiel noch bei einer individuellen Magical Mystery Tour auf die Spuren der Beatles.

Liverpool 2002

Der Respekt vor den „aspirin bombers“, wie die Werkself in der Stadionzeitung des FC Liverpool bezeichnet wurde, war groß in der Stadt am Mersey River. „Bayer ist vielleicht der am meisten unterschätzte Viertelfinalist“, warnte Dietmar Hamann. Die emotionalen Höhepunkte gab es bereits vor dem Anpfiff. Unmittelbar nach einer Gedenkminute für die vier Tage zuvor im Alter von 101 Jahren verstorbene Queen Mum, bei der absolute Stille herrschte, erhob sich der Gesang auf den Rängen: „You’ll never walk alone“ – die legendäre Hymne des FC Liverpool ging an diesem Abend ganz besonders unter die Haut. Und noch etwas berührte: Die Anfield Road bereitete Liverpools Coach Gérard Houllier einen warmen Empfang bei dessen Comeback. Fünf Monate zuvor hatte er sich nach einem Herzinfarkt einer Operation auf Leben und Tod unterziehen müssen. Jetzt sangen über 42.000 Fans „Olé, olé, Gérard Houllier”, als er erstmals wieder den Weg zur Trainerbank ging. Im Dezember 2020 verstarb der ehemalige französische Nationaltrainer im Alter von 73 Jahren in Paris.

Das Spiel selbst bot nur wenige Highlights. Als „Rasenschach für Spezialisten“ bezeichnete der damalige Bayer 04-Manager Reiner Calmund die erste Halbzeit, in der Liverpools Innenverteidiger Sami Hyypiä, „ein Mensch gewordenes Gebirge aus Finnland“ (Kölner Stadt-Anzeiger), kurz vor dem Pausenpfiff das 1:0 erzielt hatte. Jener Hyypiä also, der 2005 gemeinsam mit Alonso den Titel in Istanbul gewinnen sollte. Und der später seine Profi-Karriere unterm Bayer-Kreuz beendete, wo er ab 2012 noch zwei Jahre als Trainer tätig war. An diesem 3. April 2002 blieb Hyypiäs Tor das einzige in einer wenig berauschenden Partie. Die Reds gewannen verdient, erlebten aber nur sechs Tage später im Viertelfinal-Rückspiel ihr blaues Wunder in Leverkusen. In einem der mitreißendsten Spiele der Klubgeschichte rang die Werkself den FC Liverpool mit 4:2 nieder und zog ins Halbfinale gegen Manchester United ein. Für Liverpool war es bis heute die einzige Niederlage in den zurückliegenden 21 Europapokal-Duellen gegen deutsche Mannschaften. Und seit diesem Tag blieben die Reds in 13 Spielen gegen Bundesliga-Teams ungeschlagen (10 Siege, drei Remis).

Alonsos beeindruckende Bilanz beim LFC

Alonso traf in seiner Liverpooler Zeit auf keinen deutschen Klub mehr. In seinen fünf Jahren in England bestritt er 210 Pflichtspiele für die Reds, erzielte 18 Tore und bereitete 19 Treffer vor. Gewann mit dem Team neben der Champions League noch drei weitere Titel (FA-Cup, Englischer Superpokal, UEFA-Supercup). Als es zwei Jahre nach dem Champions-League-Triumph am 23. Mai 2007 zu einer Neuauflage des Finales gegen die AC Milan kam, gelang den Rossoneri die Revanche: Mailand gewann mit 2:1. Aber Alonso hatte als unverzichtbarer Leistungsträger wieder großen Anteil an einer weiteren erfolgreichen Saison der Reds. In der Premier League schloss Liverpool auf Rang drei ab. Ein Jahr später verpasste der LFC nur denkbar knapp erneut das Endspiel in der Königsklasse, als er im Halbfinal-Rückspiel dem FC Chelsea nach Verlängerung unterlag. Und auch in seinem fünften und letzten Jahr an der Anfield Road spielte Alonso als frisch gebackener spanischer Europameister noch einmal eine ganz starke Saison und wurde Vizemeister mit den Reds. Der inzwischen 27-Jährige hatte sich in Liverpool zu einem Weltstar entwickelt.

Xabi Alonso

Und neben all den sportlichen Erfolgen erlebte Alonso auch privat besondere Momente in der Stadt. Seine Frau brachte im März 2008 in Liverpool Sohn Jontxu, das erste von drei gemeinsamen Kindern, auf die Welt. Im darauffolgenden Jahr verließ die junge Familie England. Alonso wechselte 2009 zu Real Madrid. Nun kehrt er zum ersten Mal wieder an die Anfield Road zurück. Es wird eine emotionale Dienstreise für den Spanier werden.

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