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28.11.2019Bundesliga

Von Thurn und Taxis: „Vielleicht bringe ich ja wieder Glück“

Am Samstag bekommt das Werks11-Radio Unterstützung von einem alten Bekannten. Die 2017 in Ruhestand getretene Kult-Sportmoderatoren Fritz von Thurn und Taxis wird das Topspiel beim FC Bayern München (Anstoß: 18.30 Uhr) für die Bayer 04-Fans mitbegleiten. Vor dem Spiel hat bayer04.de mit dem 69-jährigen Österreicher gesprochen.
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Herr von Thurn und Taxis, beim Spiel in München am Samstag sind Sie an der Seite von Cedric Pick im Werks11-Radio zu hören. Wie kam es zu diesem Engagement?
Von Thurn und Taxis:
Als mich Cedric vor ein paar Wochen höflich angefragt hatte, dachte ich mir: Es macht mir noch immer viel Spaß zu kommentieren, warum also nicht? Es scheint ja auch eine Art Motto geworden zu sein, dass ich von Vereinsradios angefragt werde: Im vergangenen Jahr von Borussia Mönchengladbach, dann von Eintracht Frankfurt und jetzt von Bayer Leverkusen. Witzigerweise wieder bei einem Spiel gegen Bayern München.

Können Sie sich Letzteres erklären?
Von Thurn und Taxis: Naja, das hat gewiss einen Hintergrund: Seit 1971, also seit dem Beginn meiner journalistischen Laufbahn beim Bayerischen Rundfunk, habe ich die Bayern begleitet und ihre riesigen Erfolge sozusagen mit bearbeitet. Dadurch entsteht eine gewisse Nähe zum Verein, man bekommt eine gewisse Einsicht. Logisch, dass man da irgendwie auch zum Experten wird. (lacht)

Sie haben während ihrer Anfänge bereits Radio gemacht, ehe sie dann später nur noch fürs Fernsehen kommentiert haben. Worin liegen die größten Unterschiede?
Von Thurn und Taxis: Es gibt ganz grundsätzliche Unterschiede, eigentlich lässt sich die Arbeit gar nicht richtig miteinander vergleichen. Denn das, was man beim Fernsehen gar nicht braucht, ist Beschreibung. Für eine gute Radio-Reportage hingegen ist es unabdingbar, dem Zuhörer in guter Rhetorik darzulegen, was vor sich geht und Bilder entstehen zu lassen. Das braucht es im TV nicht, denn da sieht der Zuschauer ja alles, dort ist es also mehr ein Kommentieren im eigentlichen Sinne.

Sie haben sich vor gut zwei Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Welche Rolle spielt der Sport – insbesondere der Fußball – nun in ihrem Leben?
Von Thurn und Taxis: Ich bin natürlich weiterhin sehr interessiert. Wenn man fast 50 Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet hat, kann man nicht Schlag auf Fall damit aufhören. Das ist ja eine Leidenschaft durch und durch, der ganze Beruf ist eine einzige Leidenschaft gewesen. Da kann ich nicht einfach sagen: ‚So, ich bin jetzt 67, jetzt geh‘ ich nur noch ins Theater, in Konzerte oder in die Oper.‘ Klar, ich bin längst nicht mehr so intensiv dabei, aber wenn ich so eine Anfrage wie jetzt von Bayer 04 bekomme, dann rutsche ich wieder in meinen Vorbereitungsmodus, den ich noch gut kenne und intensiv wieder ausübe. Ich werde gut vorbereitet sein! (lacht)

Wie sieht eine solche Vorbereitung bei ihnen aus?
Von Thurn und Taxis: In erster Linie viel nachschauen und nachschlagen – vor allem in meinem Privat-Archiv. Ich möchte ein bisschen aus meinem Fundus schöpfen, ein paar Anekdoten zur Verfügung haben. Und das muss ich auffrischen. Aber wichtig ist natürlich auch das, was aktuell ist. Deshalb habe ich alle Spiele in dieser Saison aufgearbeitet, führe viele Telefongespräche und studiere die Vorschaumappen, die vor so einem Spiel ausliegen.

Kommen wir zu Bayer 04. Welche Dinge kommen Ihnen spontan in den Sinn, wenn Sie an Bayer 04 denken?
Von Thurn und Taxis: Ich denke daran, dass der Verein seit 1979 konstant in der Bundesliga spielt und noch nie abgestiegen ist – das ist ein schöner Wert und eine beachtliche Leistung. (überlegt) Ich denke an guten, schönen Fußball – ganz besonders an die Zeit unter Christoph Daum und Klaus Toppmöller. Dann denke ich an Rudi Völler, der für mich eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist. Ihn habe ich damals von Beginn an verfolgt, als er noch Spieler bei 1860 München war – er ist für mich das Gesicht des Vereins. Und ich denke an 2002, an das Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen den FC Liverpool – ein Riesenspiel, das ich als Kommentator in Leverkusen hautnah miterleben durfte und an das ich mich gerne erinnere.

Na, bitte…
Von Thurn und Taxis: Gerne. Das Hinspiel in Liverpool ging mit 0:1 verloren und es war schon eine Überraschung, dass Leverkusen das Rückspiel gewinnt, geschweige denn weiterkommt. Die 90 Minuten waren ein Ritt, es ging hin und her, und am Ende gelingt Lucio das 4:2, welches er mit aller Macht erzielen wollte, und Leverkusen gewinnt tatsächlich mit den nötigen zwei Toren Vorsprung. Sensationell. Von der ganzen Atmosphäre her war es ein Spiel, dass Leverkusen bis dahin wahrscheinlich so noch nie erlebt hat, und auch für mich eines der Höhepunkte in meiner journalistischen Laufbahn. Das war eine großartige Mannschaft, aus meiner Sicht sogar die beste, die Leverkusen je aufs Feld geführt hat. Bizarr, dass man am Ende der Saison in allen Wettbewerben nur Zweiter geworden ist.

Wie bewerten Sie die aktuelle Saison von Bayer 04?
Von Thurn und Taxis: Sehr wechselhaft, sehr ambivalent. Es gab guten Fußball und weniger guten Fußball. Aus meiner Sicht ist es noch keine Mannschaft ‚aus einem Guss‘ – so wie wir es in der vergangenen Rückrunde erlebt haben. Das war fantastisch anzusehen, was da in der Rückrunde unter Peter Bosz passiert ist, die Mannschaft ist zurecht gefeiert worden. Es ist ein sehr hoher Anspruch, wieder so zu spielen. Das gelingt nicht, weil meiner Meinung nach die Balance in der Mannschaft fehlt: Zu viele Spieler sind nicht in Form und Julian Brandt – als ein wesentlicher Faktor in der Rückrunde – noch nicht zu ersetzen. Ein gutes Spiel über 90 Minuten hat es diese Saison glaube ich noch nicht gegeben. Manchmal läuft es in der Verteidigung nicht, manchmal ist das Mittelfeld nicht kompakt genug und dann hat man im Sturm sehr viele Chancen, aber nutzt sie nicht ausreichend – wie gesagt, es passt noch nicht alles zusammen.

Wie erklären Sie sich das?
Von Thurn und Taxis: Peter Bosz versucht, eine gewisse Homogenität zu erreichen und rotiert wenig – auch, wenn es viele Rochaden innerhalb der Mannschaft gibt. Er kommt mit ziemlich wenigen Feldspielern aus, und am Ende ist es dann vielleicht auch eine Frage der Kraft. Aber aus der Distanz ist so etwas immer schwierig zu bewerten und man muss auch versuchen, sich in den Trainer hineinzuversetzen. Dennoch würde ich persönlich auch gerne mal diese jungen Kerle, einen Diaby oder einen Paulinho, häufiger von Anfang an sehen.

Haben Sie einen Lieblingsspieler von Bayer 04?
Von Thurn und Taxis: Ich mag die Bender-Zwillinge gerne – ich kenne sie ebenfalls bereits aus der Zeit, als sie noch bei 1860 gespielt haben. Die Beiden zeichnen sich nun schon über so viele Jahre hinweg durch eine Bodenständigkeit und großartige Leistungsfähigkeit aus. Was Lars und Sven schon an Verletzungen erlebt haben und dennoch immer und immer wieder ihren Mann stehen – das ist in der heutigen Zeit, im modernen Fußball schon phänomenal und wirklich außergewöhnlich. Sie sind zwei große Vorbilder. Insgesamt kann ich sagen, dass ich einfach gerne gute Fußballer sehe. Mein Herz lacht beispielsweise auch bei einem Kai Havertz, einem Leon Bailey, einem Karim Bellarabi oder einem Kevin Volland.

Am Samstag geht’s nun in der Allianz-Arena gegen den Rekordmeister Bayern München. Wie sehen Sie die Chancen für Bayer 04?
Von Thurn und Taxis: Ich habe mir kürzlich die Statistik angeschaut: Bayer Leverkusen konnte bislang nur dreimal in München gewinnen – zweimal in den 80ern und zuletzt 2012. Die vergangenen sechs Spiele in München wurde allesamt verloren – egal, ob der Trainer Hyypiä, Schmidt oder Herrlich hieß. Es ist ja häufig der Fall, dass Mannschaften in München ängstlich und zurückhaltend auftreten und es wird maßgeblich entscheidend sein, ob Peter Bosz die Mannschaft entsprechend mutig einstellen kann, zumal die Bayern unter Hansi Flick zuletzt wieder richtig in Schwung gekommen sind. Wenn Leverkusen gegen diese erstarkte Bayern-Mannschaft gewinnen würde, wäre es schon eine Überraschung. Ich bin sehr gespannt auf das Spiel.

Wem wünschen Sie den Sieg lieber?
Von Thurn und Taxis: Ich bin ein zu neutraler Journalist, als das ich anfange, irgendwem etwas zu wünschen. Ich wünsche beiden ein gutes Spiel. Im Grunde spricht alles für die Bayern, aber Leverkusen hat zweifellos die spielerische Klasse, um in München zu gewinnen. Dafür wird es wichtig sein, dass sie ein gutes Spiel machen und nicht, wie viele, viele andere Vereine in den vergangenen Jahren nur versprechen, einen mutigen Auftritt hinzulegen. Sie müssen es auch umsetzen.

Ihr Tipp?
Von Thurn und Taxis: Ich möchte nicht tippen – wie schon gesagt, hoffe ich auf ein tolles Spiel. Ich bin ein Verfechter guten Fußballs – und als ich zuletzt die Spiele von Gladbach und Frankfurt gegen die Bayern für deren Vereinsradio begleitet habe, kam es so. Übrigens: Dabei haben sowohl Gladbach (3:0, Anm.) als auch Frankfurt (5:1, Anm.) gewonnen. Vielleicht können wir am Samstag diese Linie halten, vielleicht bringe ich ja Glück. (lacht)