Nach Kräften wehrte sich der HSV zuletzt in Dortmund, doch am Ende war der BVB zu stark. Trotz einer ansprechenden Leistung verloren die Hanseaten mit 0:2 – im dritten Spiel die erste Niederlage für Bernd Hollerbach (im Bild) nach zuvor zwei Unentschieden. Der langjährige Bundesligaprofi (223 Spiele für Kaiserslautern und den HSV) hatte Ende Januar den Trainerposten von Markus Gisdol übernommen, der zuvor vier Niederlagen in Folge und das Abrutschen auf Tabellenplatz 17 hatte hinnehmen müssen. Dort rangieren die Hamburger trotz einer klaren Leistungssteigerung unter Hollerbach auch jetzt noch. 17 Punkte und damit drei Zähler Rückstand auf Relegationsplatz 16 stehen derzeit für den Bundesliga-Dino zu Buche. Gegen die Werkself streben die Rothosen an, die Negativserie von insgesamt neun Spielen ohne Sieg zu beenden. Der letzte HSV-Sieg datiert noch aus dem November 2017 (3:0 gegen Hoffenheim).
Hollerbach hat das Spielsystem seit seinem Amtsantritt verändert. Anstatt wie unter Gisdol mit Viererkette spielen die Hamburger nun mit einer Dreierkette, die bei gegnerischem Ballbesitz zur Fünferkette wird. Dahinter setzt der neue Coach im Tor wieder auf Christian Mathenia, den Gisdol zuvor zu Gunsten von Julian Pollersbeck auf die Bank gesetzt hatte. Filip Kostic, zuletzt Hamburgs gefährlicher Offensivspieler, zog Hollerbach vom linken Flügel in die Sturmspitze, um das häufig harmlose Angriffsspiel effektiver zu gestalten. Neben Kostic machen vor allem zwei Spieler den HSV-Anhängern Hoffnung auf mehr Torgefahr – und beide können derzeit nur bedingt helfen. Youngster Jann-Fiete Arp, der in dieser Saison mehrfach sein enormes Potenzial andeutete, steckt derzeit in den Vorbereitungen für sein Abitur und verpasst daher einige Trainingseinheiten, er wurde zuletzt nur als Joker eingesetzt. Nicolai Müller, in der vergangenen Saison Hamburgs beständigster Offensivmann, wird nach seinem am 1. Spieltag erlittenen Kreuzbandriss noch einige Zeit fehlen. Immerhin: Der schnelle Außenstürmer kehrte in der vergangenen Woche wieder zurück ins Mannschaftstraining. Obwohl sich die Verletzungssorgen ansonsten in Grenzen halten, beförderte Hollerbach für das Spiel in Dortmund den 19-jährigen Stephan Ambrosius zu den Profis. Der Innenverteidiger, sonst für die zweite Mannschaft des HSV im Einsatz, stand damit zum ersten Mal im Bundesligakader. „Der Junge gefällt mir richtig gut, weil er richtig hingeht“, lobte Hollerbach, einst selbst als kompromissloser Abwehrspieler bekannt.
Durch die System-Umstellung hat Hollerbach für mehr defensive Stabilität im HSV-Spiel gesorgt. Im Angriff hingegen drückt der Schuh weiterhin. Nur 17 Tore bedeuten Ligatiefstwert. Vor allem an vorderster Front fehlt es an Torgefahr. Kostic, mit gerade mal vier Treffern Hamburgs bester Torschütze, ist gelernter Flügelspieler; der 18-jährige Arp (bislang zwei Tore) soll behutsam aufgebaut werden. Die etatmäßige Sturmspitze Bobby Wood wartet seit Ende August auf ein Erfolgserlebnis, Luca Waldschmidt, Last-minute-Retter aus der Vorsaison, und Sven Schipplock trafen in der laufenden Saison noch gar nicht. Zahlen, die das große Manko aufdecken. Gefährlich wird Hamburg oft nur nach Standards oder Einzelaktionen des schnellen Kostic. Eine Stellschraube, an der Hollerbach in jedem Fall drehen muss.
Nach Jahren geprägt von Abstiegskampf, Trainerwechseln und Chaos in der Führungsetage hat der HSV viel von seiner einstigen Strahlkraft eingebüßt. Und nun droht wieder der Verlust des markantesten Alleinstellungsmerkmals: der ununterbrochenen Erstligazugehörigkeit. Sollte der Reset-Knopf jedoch erfolgreich gedrückt werden, ob nun in Liga 1 oder in Liga 2, verfügt der HSV über alle Voraussetzungen, um zu alter Stärke zurückzufinden: einen attraktiven Standort, ein großes wie gut besuchtes Stadion und in Arp über eines der größten deutschen Talente.
Für den HSV wird es – wie so oft in den letzten Jahren – wohl auch in dieser Saison bis zuletzt um den erneuten Klassenerhalt gehen. Mit Blick auf das Punktekonto und die Sieglos-Serie kein leichtes Unterfangen – und dennoch alles andere als unmöglich. Spielerisch geht die Tendenz seit dem Trainerwechsel nach oben, und der HSV hat in den vergangenen Spielzeiten oft genug gezeigt, dass man ihn aller Widrigkeiten zum Trotz niemals abschreiben darf – und wenn es bis zur letzten Minute des Relegations-Rückspiels dauern sollte.
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