Am Ende war es eines dieser Unentschieden, das sich anfühlt wie eine Niederlage. Souverän hatte Borussia Mönchengladbach am Freitagabend mit 2:0 gegen Werder Bremen im heimischen Borussia-Park geführt, um dann im zweiten Durchgang die Spielkontrolle völlig aus der Hand zu geben. Verdient kam Bremen noch zum Ausgleich, und die Elf vom Niederrhein verpasste es, den Abstand auf das obere Drittel der Bundesliga zu reduzieren. Dass das Team von Dieter Hecking selbst nicht mehr dort rangiert, ist das Resultat einer akuten Schwächephase nach der Winterpause. Fünf der ersten sechs Rückrunden-Spiele verloren die Fohlen und rutschten ins Tabellenmittelfeld ab. Nach zuletzt immerhin vier Punkten aus zwei Spielen liegen die Gladbacher nun auf Rang acht, das internationale Geschäft nach wie vor fest im Blick. Gegen Bayer 04 hat die Borussia einiges an Wiedergutmachungsbedarf. Zweimal trafen sich die beiden Team in der zweiten Jahreshälfte 2017 im Borussia-Park, zweimal setzte es bittere Heimniederlagen für Mönchengladbach: Im Bundesliga-Hinspiel feierte die Werkself ein 5:1-Schützenfest, kurz vor Weihnachten kegelte Herrlichs Team die Fohlen dann mit 1:0 aus dem DFB-Pokal.
Die Gladbacher Misere nach der Winterpause hängt maßgeblich mit dem Fehlen eines Mannes zusammen: dem Brasilianer Raffael. Er ist zuständig für das kreative, das besondere Element im Spiel der Fohlen. Doch seit geraumer Zeit machen ihm Wadenprobleme zu schaffen, in der Rückrunde lief er nur im Heimspiel gegen den FC Augsburg von Beginn an auf – die Borussia gewann mit 2:0. Die ursprünglich als „kleinere Verhärtung“ deklarierte Verletzung des Edeltechnikers zieht sich bereits seit mehreren Wochen hin, immer wieder gab es kleine Rückschläge. Die Rückkehr Raffaels, gemeinsam mit Thorgan Hazard bester Torschütze der Gladbacher in dieser Saison, wird derzeit Spieltag für Spieltag aufgeschoben. Auch am Samstag in der BayArena könnte es so weit sein – oder eben nicht. Definitiv dabei sein sollte der Ex-Leverkusener Christoph Kramer (von 1999 bis 2016 bei Bayer 04 unter Vertrag). Der Mittelfeldakteur musste gegen Bremen verletzungsbedingt ausgewechselt werden, bereits am Folgetag gab die Borussia jedoch Entwarnung: Kramer ist zurück im Training und startklar für das Duell mit seinem Ausbildungsverein. Ein eminent wichtiger Baustein: Zuletzt hatte der Weltmeister von 2014 mit einem herrlichen Volleyschuss in Hannover die Gladbacher Negativserie beendet und auch gegen Bremen gemeinsam mit dem Schweizer Denis Zakaria im zentralen Mittelfeld das Prunkstück in Heckings Elf verkörpert.
In Abwesenheit von Raffael erlahmte das ansonsten flüssig aufgezogene Gladbacher Angriffsspiel zuletzt. Die Konsequenz: Während der über vier Spiele währenden Niederlagenserie zwischen dem 20. und 23. Spieltag gelang den Borussen kein einziger Treffer, dreimal hieß das Endresultat 0:1. Der Ausfall des Brasilianers wiegt also schwer – gerade vor dem Hintergrund, dass in Ibrahima Traoré ein weiterer Spieler, der mit seinen Einzelaktionen den Unterschied machen kann, aufgrund diverser Muskelverletzungen erst drei Partien in der laufenden Saison bestreiten konnte. Ein weiteres Manko im Angriff: Die Chancenverwertung verursacht Probleme. Ein Großteil der Niederlagen in der Rückrunde wäre nicht passiert, hätten die Gladbacher ihre Möglichkeiten konsequent genutzt. Aber: Toptorschütze Raffael fehlte, Thorgan Hazard traf zwar schon siebenmal, lässt aber dennoch viele Großchancen ungenutzt. Ein echter Goalgetter fehlt. Neben Kapitän Lars Stindl, der auch erst vier Tore auf dem Konto hat, ließ Hecking zuletzt in Raúl Bobadilla einen echten Mittelstürmer auf Raffaels Position spielen. Der Argentinier wartet nach seiner Rückkehr nach Gladbach aber noch immer auf sein erstes Saisontor – genau wie sein Vertreter, der Ex-Leverkusener Josip Drmic.
Mönchengladbach verfolgt eine klare Philosophie. Immer wieder bringen die Fohlen junge Talente hervor, die der Verein dann zu Geld macht: Marco Reus, Marc-André ter Stegen, Granit Xhaka oder zuletzt Mahmoud Dahoud. Das dadurch erwirtschaftete Kapital investiert Sportdirektor Max Eberl aber zum größten Teil nicht in fertige Spieler, sondern wiederum in kommende Stars – und davon hat der Gladbacher Kader derzeit einige. Nicht nur Thorgan Hazard (24) wird von europäischen Top-Klubs umworben, auch die Mittelfeldspieler Denis Zakaria (21) (oben im Bild mit Christoph Kramer) und Michael Cuisance (18) sowie Defensivmann Reece Oxford (19) haben in der laufenden Saison bereits ihr großes Potenzial angedeutet. Zuletzt standen außerdem die Nachwuchs-Talente Mandela Egbo (20) und Louis Beyer (17) in Heckings Kader. Für die Zukunft ist also vorgesorgt, der Gladbacher Weg kann fortgesetzt werden.
Die Leistung war meist da, nur die Ergebnisse stimmten in letzter Zeit zu häufig nicht bei den Borussen. Der Abstand auf die Spitzengruppe und damit die internationalen Plätze hat sich zwar vergrößert, ist aber keineswegs uneinholbar, wenn die Gladbacher nach einer Rückkehr Raffaels wieder zu alter Spielstärke zurückfinden und auch die Defensive überflüssige Fehler vermeidet. Ansonsten ist der siebte Platz durchaus realistisch – und auch der könnte bekanntlich reichen, um in der kommenden Saison im Europacup zu spielen.
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