Seit fünf Bundesligaspielen ist der 1. FC Heidenheim sieglos. Vier Niederlagen und nur ein Remis: Die jüngste Bilanz stellt natürlich niemanden im Klub zufrieden. Auch das Aus in der 2. Runde des DFB-Pokals bei Zweitligist Hertha BSC (1:2) schmerzte. Dabei hatte die Saison so gut begonnen. Die ersten fünf Pflichtspiele wurden allesamt gewonnen, darunter die beiden souveränen Zu-Null-Erfolge in der Liga beim FC St. Pauli (2:0) und zu Hause gegen den FC Augsburg (4:0). Nach zwei Spieltagen grüßte der FCH von der Tabellenspitze und am 5. Spieltag stand man nach einem 2:0 gegen den 1. FSV Mainz 05 mit neun Punkten noch auf Platz sechs. Seitdem konnte das Team von Frank Schmidt, der seine 18. Saison als Trainer der Heidenheimer bestreitet, in der Liga nicht mehr gewinnen. Zuletzt musste man vor der Länderspielpause eine 1:3-Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg hinnehmen. „Das ist eine absolut schwierige Situation, in der wir uns jetzt befinden“, gibt Torhüter Kevin Müller unumwunden zu. „Es gibt immer wieder Phasen, wo du als Mannschaft enger zusammenrücken musst, damit man gemeinsam die Trendwende wieder hinbekommt. Diese Niederlage wird uns jetzt nicht aus der Bahn werfen, aber natürlich ist uns der Ernst der Lage bewusst.“
Auch in der vergangenen Saison hatten die Heidenheimer nach zehn Spieltagen zehn Punkte auf ihrem Konto, rangierten zum damaligen Zeitpunkt auf Platz 13. Bei gleicher Punkteausbeute stehen sie nun nur einen Platz schlechter da im Tableau. In der Vorsaison landete der Aufsteiger am Ende noch auf Rang acht, qualifizierte sich für die UEFA Conference League. Von daher muss die aktuelle Situation noch kein Grund zur Beunruhigung sein. Zumal die Baden-Württemberger auf der europäischen Bühne von Erfolg zu Erfolg eilen und sich hier immer wieder viel Selbstvertrauen holen. Drei Spiele, drei Siege: Der FCH fühlt sich in der Conference League offensichtlich pudelwohl. Bei seiner internationalen Premiere gelang dem Klub ein 2:1 gegen Olimpija Ljubljana, anschließend siegte man 1:0 beim FC Pafos auf Zypern. Und schließlich gewann Heidenheim auch beim schottischen Verein Heart of Midlothian mit 2:0. Der erste ganz dicke Brocken steht allerdings am 4. Spieltag auf dem Programm. Am 28. November empfängt der FCH den FC Chelsea in der Voith-Arena. Der Premier-League-Klub führt die Tabelle in der Conference League mit ebenfalls neun Punkten an.
Wie der 1. FC Heidenheim nach seinem ersten phänomenalen Bundesliga-Jahr den Weggang von gleich drei absoluten Leistungsträgern verkraften würde, war auch für den Klub selbst schwer einzuschätzen. In Tim Kleindienst (Borussia Mönchengladbach), Jan-Niklas Beste (Benfica Lissabon) und Eren Dinkci (SC Freiburg) verlor der FCH seine drei erfolgreichsten Torschützen und Scorer. Zur Erinnerung: Kleindienst (12 Tore, 5 Assists), Dinkci (10/6) und Beste (8/13) hatten ganz entscheidenden Anteil am Heidenheimer Aufschwung. Auch Kevin Sessa (3 Tore), der zu Hertha BSC wechselte, hatte zuletzt einen Stammplatz im offensiven Mittelfeld inne. So viel Qualität zu verlieren, das will erst einmal kompensiert werden. Dass es den Verantwortlichen um den Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald gelungen ist, auch für die Doppelbelastung aus Bundesliga und Conference League wieder einen konkurrenzfähigen Kader zusammenzustellen, ist umso höher zu bewerten. Von den Neuzugängen haben sich unter anderem Zehner Paul Wanner (ausgeliehen vom FC Bayern München), der defensive Mittelfeldspieler Niklas Dorsch (FC Augsburg), Außenstürmer Leo Scienza (SSV Ulm 1846) und Mittelstürmer Maximilian Breunig (SC Freiburg) längst als große Verstärkungen erwiesen. Ebenso wie der von Darmstadt 98 gekommene Mathias Honsak. Der linke Außenbahnspieler hat in 13 Pflichtspielen bereits drei Tore vorbereitet und einen Treffer selbst erzielt. Neu sind zudem Sirlord Conteh (SC Paderborn) und Mikkel Kaufmann (1. FC Union Berlin).
Das Gerüst in der Abwehr bilden erfahrene Spieler wie Torhüter Kevin Müller (33), Kapitän Patrick Mainka (30), Benedikt Gimber (27), Jonas Föhrenbach (28) und Omar Traoré (26) – allesamt Profis, die schon in der vergangenen Saison zu den Stützpfeilern zählten. Gleiches gilt im zentralen Mittelfeld für Jan Schöppner und Lennard Maloney, die nun von Niklas Dorsch Konkurrenz bekommen haben. Als Sturmspitze hat sich Marvin Pieringer in der Nachfolge von Tim Kleindienst bewährt. Pieringer ist aktuell mit vier Treffern bester Torschütze der Baden-Württemberger. Und hat damit nach zehn Spielen bereits einmal mehr eingenetzt als bei 31 Einsätzen in der vergangenen Saison.
Beim 1:3 gegen den VfL Wolfsburg waren die Heidenheimer über weite Strecken des Spiels überlegen, dennoch erarbeiteten sie sich nur wenige Chancen. „Wir haben so viele Räume gehabt – überraschend viele Räume“, sagte Frank Schmidt. „Aber im Sechzehner, da waren wir nicht gut genug. Da hätten wir die Wolfsburger schon bestrafen können. In der Offensive müssen wir aus diesen vielen Situationen noch mehr klarere Torchancen erspielen, weil sonst, so hat man es heute gesehen, reicht es nicht.“ Bei den wenigen guten Möglichkeiten zum 2:2 fehlten Durchschlagskraft und Cleverness. Dies war auch beim 0:0 gegen die TSG Hoffenheim schon zu beobachten. Bei der Chancenverwertung hat der FCH definitiv noch Luft nach oben. In den nächsten Spielen geht es diesbezüglich um eine höhere Effektivität. Zumal man es in den kommenden Wochen mit schwierigen Gegnern zu tun bekommt. Nach der Partie in Leverkusen geht es gegen Eintracht Frankfurt, den FC Bayern und den VfB Stuttgart. „Besser geht’s ja nicht, oder?“, sagt Torhüter Kevin Müller. Nun ja, wird sich zeigen…
Mit 15 Gegentoren stellt Heidenheim die achtbeste Defensive der Liga. Insgesamt behielt der FCH in dieser Saison bereits in sieben Pflichtspielen eine weiße Weste. Ein Grund für die defensive Stabilität ist die Zweikampfstärke der Rot-Blau-Weißen. Kein Team führte mehr Zweikämpfe pro Spiel als die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt (112). Und auch mit seiner Zweikampfquote von 53 Prozent zählt der FCH zu den Top drei in Deutschland. Starke Physis, hohe Laufbereitschaft und intensives Spiel gegen den Ball prägen den Fußball der Heidenheimer, die wenig konteranfällig sind und erst ein Gegentor nach schnellem Umschaltspiel des Gegners kassierten. Mit mannschaftlicher Geschlossenheit und couragierten Auftritten gerade in den nun anstehenden Partien gegen Bayer 04, Frankfurt, München und Stuttgart will der Klub von der Ostalb den Turnaround schaffen. Und Frank Schmidt weiß: „Wir haben letztes Jahr gezeigt, dass wir auch gegen Mannschaften, wo uns nichts zugetraut wird, punkten können. Wenn Angst vor der Tür steht, braucht man Mut, weil dann verschwindet die Angst ganz schnell.“
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