Natürlich hatte Erling Haaland dafür gesorgt, dass Borussia Dortmund doch mit einem guten Gefühl in die Länderspielpause ging. Mit seinem späten Siegtreffer zum 3:2 über die TSG Hoffenheim hievte der norwegische Torjäger den BVB noch zum zweiten Saisonsieg und damit auf Tabellenplatz fünf. Die wilde zweite Hälfte gegen die Kraichgauer war geprägt von einem Auf und Ab – und damit ein Spiegelbild der noch jungen Dortmunder Saison. Auf den souveränen Pokal-Erfolg bei Wehen Wiesbaden (3:0) und die Auftakt-Gala gegen Eintracht Frankfurt (5:2) folgte zunächst die 1:3-Niederlage im Supercup gegen den FC Bayern und dann ein enttäuschendes 1:2 in Freiburg. Gegen Hoffenheim verdichteten sich diese Höhen und Tiefen zu einer emotionalen Achterbahnfahrt in Durchgang zwei, in der sowohl die unheimliche individuelle Qualität der Schwarz-Gelben als auch einige Schwierigkeiten augenfällig wurden. „Wir haben eine Menge Dinge, über die wir auch noch reden wollen“, kündigte Trainer Marco Rose im Anschluss an. „Aber wenn du dieses Spiel gewinnst, dann gibt dir das Ruhe und Zeit, um an diesen Dingen weiter zu arbeiten.“ Man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Genau das werden Rose und sein Team während der Pause getan haben.
Einen alten Bekannten hat Marco Rose kurz vor Toresschluss noch ins Team gelockt. Am letzten Tag der Transferperiode verpflichtete der BVB auf Leihbasis Innenverteidiger Marin Pongracic vom VfL Wolfsburg, der zuvor bei RB Salzburg zwei Jahre unter Rose gespielt hatte. Der neue BVB-Coach weiß also, was er an dem in Landshut geborenen Kroaten hat – und vor allem hat Dortmund auf seiner Position viel Bedarf, denn in der Defensive plagen Rose enorm große Verletzungssorgen. Dan-Axel Zagadou, Mateu Morey und Emre Can werden sicher ausfallen, auch bei den Außenverteidigern Nico Schulz und Thomas Meunier ist ein Einsatz noch nicht gesichert. Gute Nachrichten für den BVB gibt es dagegen von Mats Hummels: Der Abwehrchef, der wegen Problemen an der Patellasehne in dieser Saison noch nicht zum Einsatz kam, stieg Anfang der Woche wieder ins Mannschaftstraining ein und dürfte am Samstag in der BayArena wohl an der Seite von Manuel Akanji sein Saison-Debüt geben. Pongracic könnte indessen womöglich auf der rechten Seite zum Einsatz kommen, wenn der angeschlagen von der Nationalmannschaft zurückgekehrte Meunier ausfallen sollte.
Die Liste der angeschlagenen BVB-Spieler ist aber nicht nur in der Defensive prall gefüllt. Auch Youngster Giovanni Reyna (Oberschenkelzerrung), Kapitän Marco Reus (Knieprobleme) und Thorgan Hazard (Sprunggelenksverletzung) reisten vorzeitig von ihrer jeweiligen Nationalmannschaft ab. Ob die Offensiv-Akteure gegen die Werkself mitwirken können, ist daher noch offen, zumindest bei Reus sind die Signale aber positiv.
Das Potenzial der jungen Dortmunder Mannschaft ist immens – vor allem im Angriff. Ganze neun Treffer erzielte der BVB an den ersten drei Spieltagen: Bestwert gemeinsam mit der Werkself und dem FC Bayern. Der Abgang von Jadon Sancho macht sich bislang noch nicht stark bemerkbar, weil die jungen Reyna und Jude Bellingham ihr riesiges Potenzial mehr als nur andeuten, Kapitän Reus als Ideengeber fungiert – und natürlich, weil Erling Haaland einfach Erling Haaland ist. Der norwegische Stürmer kommt an den ersten drei Spieltagen bereits auf sechs Torbeteiligungen, hat neben seiner Athletik und seiner Wucht auch spielerisch deutlich zugelegt. Einen wie Haaland kann man kaum ein komplettes Spiel über kaltstellen – und wenn, dann öffnet es zwangsläufig Räume für andere Akteure. Auch Neuverpflichtung Donyell Malen dürfte mit seinem ungemeinen Tempo in den kommenden Wochen noch eine größere Rolle einnehmen.
Die Rückkehr von Abwehrchef Hummels dürften viele herbeigesehnt haben. Nicht nur aufgrund seiner Präsenz und seiner starken Spieleröffnung, sondern auch wegen seiner Kopfballstärke bei Standardsituationen. Denn da präsentierte sich Dortmund in der Frühphase der Saison noch nicht wirklich sattelfest. In jedem der drei Bundesliga-Spiele mussten die Schwarz-Gelben einen Gegentreffer nach einer Standardsituation hinnehmen. Zu viel für ein Top-Team wie dem BVB. Auch insgesamt sind sechs Gegentore in drei Liga-Spielen durchaus ein Grund für Kritik, wie Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl zuletzt deutlich klarmachte: „Das gefällt uns natürlich gar nicht.“
Prognose
In kaum einer Mannschaft in Europa steckt so viel überbordendes Talent wie in der von Borussia Dortmund. Das macht das Team extrem spannend – aber auch nicht leicht einschätzbar. Vieles hängt davon ab, wie groß die Entwicklungsschritte der Hochbegabten wie Reyna, Bellingham oder auch von Angreifer Youssoufa Moukoko ausfallen. Stürmer Haaland jedenfalls dürfte an diesem Punkt schon über jeden Zweifel erhaben sein und Dortmund zu vielen Punkten schießen. Wenn die Verletztenliste schnell kürzer wird, und die jungen Spieler ihr großes Potenzial konstant ausschöpfen, kann der BVB ein ernstes Wörtchen um die Meisterschaft mitreden.
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