Am Ende blieb ihm nur, Abbitte gegenüber seinem Team zu leisten. „Ich hätte das Spiel entscheiden können, das habe ich nicht geschafft“, haderte BVB-Kapitän Marco Reus nach dem 1:1 gegen Tabellenschlusslicht Mainz 05 am Samstag. Per Elfmeter hatte er den möglichen Siegtreffer vergeben und wollte sich dafür im Anschluss „bei der Mannschaft entschuldigen“. Dabei war er nicht der einzige Dortmunder Akteur, der an diesem Tag große Chancen liegengelassen hatte. „Wir hatten viele Möglichkeiten, wir haben immer wieder gut vorbereitet, es hat auch oft nicht viel gefehlt“, analysierte Edin Terzic, seit gut einem Monat Cheftrainer der Schwarz-Gelben. Unter ihm hat Dortmund bislang drei Bundesligaspiele gewonnen, eines verloren – und jetzt eben ein Unentschieden geholt. Terzic fand das „ärgerlich“, schließlich wäre der BVB mit einem Sieg vor dem direkten Duell an der Werkself vorbeigezogen. So aber liegt Dortmund nun hauchdünn hinter Bayer 04, beide Teams haben die gleiche Anzahl an Punkten, der BVB das um zwei Treffer schlechtere Torverhältnis. Sein Champions-League-Debüt als Chefcoach wird Terzic, der unter seinem Vorgänger Lucien Favre bereits als Assistent arbeitete, Mitte Februar gegen den amtierenden Europa-League-Sieger FC Sevilla feiern, im DFB-Pokal tritt Dortmund im Achtelfinale gegen den Zweitligisten Paderborn an.
Die erste sichtbare Änderung Terzics im Vergleich zu Favre ist die Grundordnung: Konsequent ordnet der Coach den BVB in einem 4-2-3-1 an, während Favre vor allem gegen Ende seiner Amtszeit zumeist einer Dreierkette vertraute. Gerade in der Zentrale hat Terzic gegen die Werkself aber nicht mehr allzu viel personellen Spielraum. Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou, der sich gerade erst nach monatelanger Verletzungspause zurückgekämpft hatte, zog sich gegen Mainz einen Muskelfaserriss zu, sodass den Platz neben Mats Hummels wohl wieder Manuel Akanji einnehmen dürfte.
Kaum Alternativen hat Terzic auch in der Mittelfeldzentrale. Für Axel Witsel ist die Saison nach einem in der Vorwoche in Leipzig erlittenen Achillessehnenriss vorzeitig beendet, der Ex-Leverkusener Emre Can sah gegen Mainz seine fünfte Gelbe Karte und wird die Rückkehr an alte Wirkungsstätte damit ebenfalls verpassen. Da Mahmoud Dahoud unter Terzic noch keine Minute gespielt hat und zuletzt nicht einmal im Kader stand, scheint die Kombination aus dem routinierten Dänen Thomas Delaney und dem hochbegabten 17-jährigen Jude Bellingham die wohl einzig verbliebene Doppelsechs, die der Coach realistischerweise noch aufbieten kann.
Definitiv ausfallen werden außerdem der langzeitverletzte Routinier Marcel Schmelzer sowie Offensivmann Thorgan Hazard (Muskelverletzung). Etwas Resthoffnung gibt es noch beim jungen Tempodribbler Giovanni Reyna, der die Partie in Mainz wegen eines Infekts verpasste. Sollte der US-Amerikaner wieder ausfallen, dürfte wohl Julian Brandt das Startelf-Mandat gegen sein ehemaliges Team bekommen.
Weiterhin ist das Offensivpotenzial der Dortmunder über jeden Zweifel erhaben. Allen voran Erling Haaland produziert weiterhin Tore und Rekorde am Fließband. Zuletzt hat der erst 20 Jahre alte Norweger mit der Marke von 25 Toren in den ersten 25 Bundesligaspielen für Aufsehen gesorgt, in der laufenden Saison sind es 12 Treffer in 11 Spielen. Als Haaland im Dezember wegen eines Muskelfaserrisses aussetzen musste, gewann Dortmund während seiner Abstinenz nur eines von vier Bundesligaspielen. Keine Frage: Der BVB ist mit dem sprint- und abschlussstarken Mittelstürmer ein deutlich besseres Team. Und: Zuletzt kam auch Haalands kongenialer Offensivpartner Jadon Sancho wieder so richtig in Fahrt. Im neuen Jahr verzeichnete der Engländer schon vier direkte Torbeteiligungen und damit nur eine weniger als an den 13 Spieltagen zuvor. Wenn diese beiden 20-Jährigen ins Rollen kommen, bekommt jede Defensive der Welt große Schwierigkeiten.
Noch unterliegen die Leistungen der jungen Dortmunder Mannschaft großen Schwankungen. Bereits unter Favre war dies ein Problem des BVB. Terzic scheint zwar für etwas mehr Stabilität gesorgt zu haben, doch ihr unwahrscheinlich großes Potenzial können die Schwarz-Gelben nicht konstant abrufen. Beim 3:1 in Leipzig etwa glänzten Sancho, Haaland & Co. im zweiten Durchgang mit herrlichem Fußball und entzauberten den in dieser Saison so starken Tabellenzweiten aus Sachsen. Eine Woche später gegen das tiefstehende Schlusslicht aus Mainz aber gelang dann bei weitem nicht alles. „Wir haben zu selten versucht, den Gegner zu bewegen und ihn sich müde laufen zu lassen“, bemängelte Terzic.
An einem guten Tag kann diese hochbegabte Mannschaft sicher jedes Team der Welt schlagen und die Sterne vom Himmel spielen. Dass dies bei derart vielen jungen Leistungsträgern noch nicht konstant gelingen kann, ist logisch. Terzics Aufgabe besteht nun darin, für mehr Stabilität zu sorgen. Das Entwicklungspotenzial der Dortmunder ist in jedem Fall noch riesig – und damit auch die Möglichkeiten in der Zukunft.
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