Zum fünften Mal in seiner Vereinsgeschichte wird der SC Freiburg in der kommenden Saison an einem internationalen Wettbewerb teilnehmen. Nur welcher es sein wird, ist noch offen. Schon vor zwei Wochen hatten sich die Breisgauer mit einem spektakulären 4:3-Erfolg bei der TSG 1899 Hoffenheim die Teilnahme am europäischen Geschäft gesichert und nach ihrem 15. Saisonsieg auf Platz 4 sogar beste Chancen auf die Champions League. Eine Woche später sah die Sache schon wieder etwas anders aus. Die 1:4-Heimniederlage gegen den 1. FC Union Berlin am vergangenen Samstag war ein herber Dämpfer für die zuletzt auf einer Erfolgswelle reitenden Freiburger – sie mussten die Leipziger in der Tabelle wieder an sich vorbeiziehen lassen. Eine kleine Chance auf ein Ticket für die Königsklasse hat der SCF dennoch. Allerdings müsste er dafür nicht nur sein Auswärtsspiel bei der Werkself gewinnen, sondern auch darauf hoffen, dass die zwei Punkte entfernten und mit dem wesentlich besseren Torverhältnis ausgestatteten Leipziger ihre Partie beim DSC Arminia Bielefeld verlieren.
Doch auch wenn dieser finale Coup den Freiburgern nicht glücken sollte, war es eine großartige Saison für das Team von Trainer Christian Streich. Mit 55 Punkten hat der SC schon jetzt seine bisherige Rekordmarke seit Einführung der Drei-Punkte-Regel aus der Saison 2000/01 eingestellt. Die Europa-League-Teilnahme ist dank des Torverhältnisses so gut wie sicher. Zum dritten Mal führt Christian Streich, der im vergangenen Winter sein zehnjähriges Dienstjubiläum als Freiburger Cheftrainer feierte, den SC auf die internationale Bühne. Und der 56-Jährige ist zu Recht stolz auf diesen Erfolg: „Ich war noch nicht so oft im europäischen Wettbewerb, und ich bin schon lange Trainer. Da können Sie sich vorstellen, was uns das bedeutet. Die Spieler haben es einfach verdient, nächstes Jahr europäisch spielen zu dürfen. Auch für unsere Fans ist es großartig, dass wir es geschafft haben.“ Und auch national steht für die Breisgauer noch ein Highlight auf dem Programm: Am 21. Mai greifen sie im DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig nach ihrem ersten großen Titel.
Der überragende Spieler dieser Saison bei den Breisgauern verabschiedete sich nach seinem letzten Heimspiel für den SC Freiburg in der Fankurve schon mal von den Anhängern. In Leverkusen und natürlich im Pokalfinale wird Nico Schlotterbeck noch zweimal alles für den SC geben. Der 22-jährige Innenverteidiger und Neu-Nationalspieler, der die beste Zweikampfquote (68,7 %) aller Bundesliga-Profis aufweist, wird in der kommenden Saison für Borussia Dortmund auflaufen. Namhafter Ersatz für Schlotterbeck ist aber bereits gefunden: Matthias Ginter kehrt im Sommer von Borussia Mönchengladbach zu seinem Ausbildungsverein zurück. „Wir freuen uns wahnsinnig, dass er da ist. Er ist ein Freiburger Junge und kommt aus unserer Fußballschule“, sagt Christian Streich über den 28-jährigen gestandenen Nationalspieler.
Erst einmal aber gilt die volle Konzentration des Trainers der Aufgabe in Leverkusen. Personell muss der 56-Jährige nicht viel ändern. Noah Weißhaupt (Schulterverletzung), Kevin Schade (Bauchmuskelverletzung) und Yannik Keitel (Reha nach Zeh-OP) werden weiterhin fehlen. In der Defensive zählen neben Nico Schlotterbeck auch der zweite Innenverteidiger Philipp Lienhart, Kapitän Christian Günter auf der linken sowie Lukas Kübler auf der rechten Seite zu den Stammkräften. Kübler steht gegen Bayer 04 vor seinem 100. Bundesliga-Einsatz. Ein Jubiläum feiern wird wohl auch Nicolas Höfler, der in Leverkusen sein 200. Ligaspiel bestreiten könnte. Neben ihm im defensiven Mittelfeld dürfte wie fast immer Maximilian Eggestein auflaufen. In der Offensive sind Vicenzo Grifo, mit neun Toren und 10 Assists Freiburgs bester Scorer, sowie Roland Sallai und Stürmer Lucas Höler gesetzt. Für den zweiten Platz im offensiven Zentrum stehen Nils Petersen, Jeong Woo-Yeong oder Ermedin Demirovic bereit.
Was die Freiburger in dieser Saison so stark macht? Lukas Höler gab darauf nach dem 4:3-Sieg gegen Hoffenheim diese Antwort: „Das ganze Team, alle Spieler, das Trainerteam, alle Funktionäre, die Masseure, alle zusammen, wir sind ein richtig geiler Haufen. Wir halten alle zusammen, jeder ist für den anderen da, egal, wer auf dem Platz steht oder auf der Bank sitzt. Das ist einmalig.“ Das eingespielte Kollektiv hat freilich auch einige besondere Qualitäten. Da wären zum einen die Standardsituationen. 24 Treffer nach ruhenden Bällen: Das ist der Top-Wert in der Liga. Gegen Hoffenheim war einmal mehr eine solche Situation „der Dosenöffner“, wie Kapitän Christian Günter seine Freistoßflanke auf Stürmer Lukas Höler vor dessen zweiten Treffer beschrieb. Oft resultieren aus den Standards Kopfballtore – auch in dieser Kategorie sind die Südbadener mit 16 Treffern im deutschen Fußball-Oberhaus führend. Der SC erweist sich in dieser Saison zudem als sehr effektiv und belegt auch in puncto Großchancenverwertung einen Spitzenplatz.
Über weite Phasen der Saison zählte das Streich-Team zu den defensiv stärksten Mannschaften der Liga. Doch in den vergangenen Wochen ist ihnen diese Qualität plötzlich abhandengekommen. Zehn Gegentore mussten die Breisgauer in den letzten drei Spielen schlucken. Schon nach dem 4:3 in Sinsheim monierte Streich: „Wir haben zu viele Torchancen zugelassen, waren nicht gut gegen den Ball.“ Die 1:4-Heimniederlage gegen Union Berlin nahm der 56-Jährige nun zum Anlass, mal ein „ernstes Wörtle“ mit seinen Spielern zu reden. Man habe zu viele individuelle Fehler gemacht und schlecht verteidigt als Gruppe. „Das geht nicht auf diesem Niveau, das ist inakzeptabel.“
Der Traum von der Champions League dürfte sich für die Freiburger nur noch schwer verwirklichen lassen. Zum einen will die Werkself am Samstag vor ausverkaufter BayArena ihre starke Saison mit einem Erfolgserlebnis abschließen. Zum anderen hat der direkte Konkurrent RB Leipzig als Tabellenvierter beim Siebzehnten Arminia Bielefeld alles in der eigenen Hand. Aber selbst bei einer Niederlage in Leverkusen hätte der SC aufgrund seines Torverhältnisses das Ticket für die Europa League so gut wie in der Tasche. Was ein Riesen-Erfolg für den Klub wäre. Krönen könnte das Streich-Ensemble seine herausragende Saison dann am 21. Mai im Berliner Olympiastadion. Das DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig wird ein Duell auf Augenhöhe. Findet Freiburg zu gewohnter defensiver Stabilität zurück, wäre der erste große Titel des Klubs möglich.
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