Einen richtig starken Saisonstart haben die Mainzer da hingelegt, ihren besten seit vier Jahren. Sieben Punkte nach drei Spielen – das Team von Trainer Bo Svensson rangiert damit unter den Top fünf der Liga. Und das Erstaunliche: Waren die Rheinhessen in der vergangenen Spielzeit auswärts noch großzügiger Punktelieferant, wurden nun die ersten drei Partien auf des Gegners Platz allesamt gewonnen. Nach dem 3:0-Auftakterfolg in der ersten DFB-Pokalrunde bei Erzgebirge Aue folgten in der Bundesliga die 2:1-Siege beim VfL Bochum 1848 und zuletzt sogar beim FC Augsburg, dem Angstgegner, gegen den man in den sechs Jahren zuvor immer verloren hatte. Wo soll das noch hinführen, wenn der FSV nun als ausgewiesen starke Heimmannschaft (Platz 4 in der Heimtabelle 2021/22) auch noch auswärts so zuverlässig punktet? „Also können wir es doch“, freute sich Sportdirektor Martin Schmidt nach dem Dreier in der Fuggerstadt und lobte die Teamleistung, die Dominanz im Ballbesitz und vor allem die Mentalität, auch auswärts gewinnen zu wollen. Dass der Siegtreffer durch den eingewechselten Jae-Sung Lee erst in der dritten Minute der Nachspielzeit fiel, ist für Schmidt Ausdruck des Willens, der Aggressivität und Gier.
Läuft also bei den Mainzern. Bo Svensson, früher selbst als Aktiver für den FSV am Ball, hat als Trainer seit seiner Amtsübernahme im Januar 2021 Beachtliches erreicht. Der 43-jährige Däne bewahrte den Klub dank einer sensationellen Rückrunde 2021 erst vor dem Abstieg und führte ihn dann in der vergangenen Saison in die Nähe der internationalen Ränge auf Platz acht. Und der Auftakt in die aktuelle Spielzeit lässt sich ebenfalls gut an.
Der Trainer genießt die luxuriöse personelle Situation. „Es gibt mehr Möglichkeiten und Spiel für Spiel in diesem Jahr mehr offene Fragen als zuvor“, freut sich Svensson über einen leistungsfördernden Konkurrenzkampf innerhalb seines Teams. Zwar verlor die Mainzer Hintermannschaft Kapitän Moussa Niakhaté, der zu Nottingham Forest in die Premier League wechselte, und Jeremiah St. Juste, der nun für Sporting Lissabon aufläuft. Doch Neuzugang Maxim Leitsch füllt die vakant gewordene Position in der Dreierkette neben Alexander Hack und Stefan Bell hervorragend aus. Der ehemalige U21-Nationalspieler kam vom VfL Bochum 1848 und will nach 14 Jahren „anne Castroper“ nun am Bruchweg „den nächsten Step in Deutschland machen“. „Er ist ein Spieler, wie wir ihn brauchen, wirft sich in jeden Zweikampf, gibt direkt Stabilität und ist schnell in die Aufgabe reingewachsen“, lobt Mannschaftskollege Dominik Kohr. Der ehemalige Bayer 04-Profi und -Jugendspieler ist beim FSV zentral vor der Abwehr als kompromissloser Abräumer längst Führungskraft.
Ein anderer Ex-Leverkusener kam bislang verletzungsbedingt in dieser Saison noch nicht für die Mainzer zum Einsatz. Danny da Costa ist nach Schambeinproblemen nun aber wieder einsatzbereit und dürfte bald wieder eine feste Größe auf der rechten Seite werden. Dort fühlen sich auch der neue Kapitän Silvan Widmer und Edimilson Fernandez pudelwohl. Ihre Pendants auf der linken Seite sind der Franzose Anthony Caci und der Spanier Aaron. Der verschoss beim 2:1 gegen Augsburg zwar einen Elfmeter – den ersten nach zuvor 36 verwandelten Strafstößen der Mainzer in Folge seit 2013 –, bereitete aber in der Nachspielzeit den Siegtreffer von Jae-Sung Lee (30) vor. Der erfahrene Koreaner, Jung-Nationalspieler Anton Stach (23) sowie der vom französischen Erstligisten Angers verpflichtete Neuzugang Angelo Fulgini sind im offensiven Mittelfeld erste Wahl. Aber auch hier stehen Svensson in Aymen Barkok und Leandro Barreiro Alternativen zur Verfügung. Genauso gut sieht’s im Angriff aus. Nach überstandener Muskelzerrung gab Jonathan Burkardt (22) gegen den FC Augsburg sein Comeback. Karim Onisiwo (30) präsentiert sich in Top-Form, erzielte drei der vier bisherigen Mainzer Saisontore. Auch Delano Burgzorg (23), Youngster Marlon Mustapha (21) und Marcus Ingvartsen (26), konnten bei ihren Einsätzen überzeugen. Letzterer wird am Samstag aber wegen einer Bänderverletzung im Knie fehlen. Ansonsten kann Svensson aus dem Vollen schöpfen.
Die Rheinhessen stellten in der vergangenen Saison mit 45 Gegentoren die viertbeste Defensive der Liga. Und auch in dieser Spielzeit kassierte Mainz erst zwei Treffer in vier Pflichtspielen, ließ bisher insgesamt nur acht gegnerische Chancen und nur eine Großchance zu. Aktuell ist das der Bestwert in der Liga, der bei den Mainzern auf kompromissloser Zweikampfführung in den direkten Duellen basiert. Die große Stärke der Mainzer, nach frühen Ballgewinnen schnell umzuschalten, um zügig in die gefährlichen Zonen vorzustoßen, funktionierte zu Hause beim 0:0 gegen den 1. FC Union Berlin allerdings noch nicht wie geplant.
Die Defensive verrichtet gute Arbeit. Aber Svensson will seine Mannschaft „vom Prinzip her höher verteidigen“ lassen. „Nicht nur um wenig Tore zu kriegen, sondern auch um mehr Druck auf den Gegner auszuüben, weiter weg von unserem Tor.“ Dass mit Niakhaté und St. Juste zwei extrem schnelle Verteidiger nicht mehr zur Verfügung stehen, könnte die Mainzer Konteranfälligkeit freilich erhöhen. Svensson weiß: „Das bedeutet schon etwas für die Art und Weise, wie wir spielen. Wir befinden uns da in einer Entwicklung.“
Für seine 14. Bundesliga-Saison sieht sich der 1. FSV Mainz 05 gut aufgestellt. Die höhere Leistungsdichte soll im Optimalfall auch für größere spielerische Qualität sorgen. Der gute Start dürfte den Mainzern viel Rückenwind für die kommenden Aufgaben geben. „Aber es ist erst der Anfang, ich traue der Mannschaft in einigen Bereichen zu, noch besser zu werden“, sagt Trainer Bo Svensson. Auch Innenverteidiger Alexander Hack fand die ersten drei Spiele zwar intensiv, „aber es waren keine fußballerischen Leckerbissen“. Ob ein solcher am Samstag gegen Bayer 04 beim Familienspieltag in der MEWA Arena zu erwarten ist? Hack fordert vor allem, „gegen Leverkusen wieder mit voller Leidenschaft dagegenzuhalten, um zu Hause zu punkten“. Wenn sich dann zur neuen Auswärts- die alte Heimstärke gesellen sollte, dürfen sie in Mainz vielleicht wieder von Europa träumen.
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