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10.02.2023Bundesliga

Gegner-Check: Mit Pellegrino Matarazzo soll es aufwärts gehen

Die TSG 1899 Hoffenheim hat turbulente Tage hinter sich. Am Montag gab der Klub die Trennung von Trainer André Breitenreiter bekannt, am Mittwoch präsentierte man dessen Nachfolger Pellegrino Matarazzo. Der will nun den Absturz der seit zehn Spielen sieglosen Kraichgauer aufhalten und sie aus dem Tabellenkeller führen. Am Samstag, 11. Februar (Anstoß: 15.30 Uhr), soll die Trendwende im Heimspiel gegen Bayer 04 eingeleitet werden.
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Position

Die 2:5-Niederlage beim VfL Bochum 1848 am vergangenen Wochenende löste bei vielen Beteiligten der TSG Fassungslosigkeit aus. „Wir waren aus unerklärlichen Gründen die gesamte Partie nicht da, dieser Negativlauf muss endlich gestoppt werden“, sagte Torhüter Oliver Baumann nach dem zehnten Pflichtspiel ohne Sieg. Ratlos zeigte sich auch Hoffenheims Urgestein Sebastian Rudy: „Ich weiß nicht, was wir hier gemacht haben. Wir schenken die Tore her, wir verlieren die Zweikämpfe und versauen uns so unsere Spiele.“ Acht Niederlagen, zwei Unentschieden: Das ist die ernüchternde Bilanz der Kraichgauer seit Mitte Oktober 2022.

Dabei waren sie so überzeugend in die Saison gestartet, lagen in der Tabelle noch am 10. Spieltag auf einem Champions-League-Platz, nur zwei Punkte hinter dem zu diesem Zeitpunkt Zweiten FC Bayern. Ausgerechnet die 0:2-Heimniederlage gegen den Rekordmeister am 22. Oktober leitete dann die Negativserie ein. Auch nach der langen WM-Winterpause schaffte die TSG nicht den erhofften Turnaround. In der Tabelle rutschte der Klub rasant in den Keller ab, steht aktuell auf Rang 14, nur drei Punkte vor dem Relegationsplatz. Dazu kam in der vergangenen Woche mit dem 1:3 bei RB Leipzig das Aus im Achtelfinale des DFB-Pokals.

Angesichts dieser Entwicklung, die man in ähnlicher Weise auch in der letzten Saison schon erlebt hatte, fand Alexander Rosen, Direktor Profifußball bei der TSG, nach dem 2:5 in Bochum deutliche Worte: „Wir kommen in zwölf Monaten zweimal in eine Phase, in der wir so einen derartigen Absturz hinlegen. Vielleicht müssen wir alles hinterfragen.“ Eine erste Konsequenz haben die Kraichgauer am Montag dieser Woche bekannt gegeben: die Trennung von Cheftrainer André Breitenreiter.

Personal

Als Nachfolger des 49-Jährigen, der den Klub erst im Sommer 2022 übernommen hatte, präsentierte die TSG am vergangenen Mittwoch Pellegrino Matarazzo, und damit einen guten alten Bekannten. Denn Matarazzo, bis Oktober 2022 Cheftrainer beim VfB Stuttgart, hat schon einmal in Sinsheim gearbeitet. Von 2017 bis 2019 war er zunächst in der TSG-Akademie tätig, später dann Co-Trainer unter Julian Nagelsmann. Der 45-jährige Italo-Amerikaner soll es nun also richten und die Kraichgauer wieder in die Spur bringen. „Rino kennt nicht nur unseren Klub, sondern auch einen Großteil der Mannschaft aus eigener Erfahrung“, sagt Alexander Rosen. „Umgekehrt kennen wir auch ihn und sind deshalb davon überzeugt, dass er der richtige Mann auf der Cheftrainer-Position ist. Er kann mit Druck umgehen und weiß, was in dieser Lage gefordert ist. Mit seiner Spielphilosophie, seiner Auffassung von Fußball und seinem Umgang mit Menschen passt er zu einhundert Prozent zur TSG und ihrem Weg, weit über die aktuelle Situation hinaus.“ Der so Gelobte weiß um die Schwere der Aufgabe: „Die Situation ist ohne Zweifel anspruchsvoll.“ Aber er sei „von der Qualität der Mannschaft überzeugt“, sagt Matarazzo. Nun wolle er mit seinem Team möglichst schnell wieder den Fußball spielen, der den Klub seit vielen Jahren auszeichnet: offensiven, mutigen, frischen Fußball.

Interessant wird sein, welche Startformation der neue Coach für das Heimspiel gegen die Werkself auf den Platz schicken wird. Verzichten muss er in jedem Fall auf Verteidiger Pavel Kaderabek (Oberschenkelprobleme), Mittelfeldspieler Grischa Prömel (Reha nach Knöchelbruch) und Stürmer Jacob Bruun Larsen (Reha nach Leisten-OP). Möglicherweise könnte Verteidiger Kevin Vogt, der in den vergangenen Wochen unter muskulären Problemen im Oberschenkel litt, anstelle des im Januar von Benfica Lissabon verpflichteten ehemaligen Wolfsburgers John Anthony Brooks wieder in die Dreierkette zurückkehren. Gesetzt waren dort zuletzt Ozan Kabak und Stanley Nsoki. Auf der linken Außenbahn spielt der Spanier Angelino eine starke Saison, der 26-Jährige ist mit sechs Assists bester Vorbereiter der TSG.

Im zentralen Mittelfeld zählt das Hoffenheimer Eigengewächs Dennis Geiger zu den festen Größen. Für diese Position hat der Klub im Winter zudem den Ex-Dortmunder Thomas Delaney vom FC Sevilla ausgeliehen. Im offensiven Mittelfeld geht kein Weg an Christoph Baumgartner vorbei, der neben Torhüter und Kapitän Oliver Baumann bislang als einziger in allen 19 Ligaspielen in der Startformation stand. Baumgartner ist gemeinsam mit Stürmer Andrej Kramaric bester Scorer des Teams (beide 5 Tore, 4 Assists). Im Angriff verfügt Matarazzo über zahlreiche Alternativen. Munas Dabbur traf bislang ebenfalls 5-mal. Im Januar verpflichtete die TSG den Dänen Kasper Dolberg – ebenso wie Thomas Delaney auf Leihbasis vom FC Sevilla. Überdies steht Ihlas Bebou zur Verfügung. Nicht mehr im Kader ist Giorginio Rutter. Der 20-jährige Franzose, in der Hinrunde beim 3:0-Sieg der Hoffenheimer in Leverkusen Schütze eines sehenswerten Tores, wechselte im Januar zu Leeds United in die Premier League.

Prunkstück

Die Kraichgauer zählen fast schon traditionell zu den konterstärksten Teams der Liga. So auch in dieser Saison. Ausgangspunkt der schnellen Gegenstöße sind oft Linksverteidiger Angelino und Mittelfeldspieler Christoph Baumgartner. Vier Kontertore sind der drittbeste Wert in der Liga. Viel läuft bei der TSG über die Außenpositionen, in puncto Flanken und Flankengenauigkeit belegt Hoffenheim jeweils Spitzenplätze im Ranking. Über welche Offensivpower die Mannschaft verfügt, hat sie auch in dieser Spielzeit schon bewiesen, etwa beim 3:0-Hinrundensieg in der BayArena, beim 4:1 gegen den 1. FSV Mainz 05 oder bei den beiden deutlichen Erfolgen gegen den FC Schalke 04 in Meisterschaft (3:0) und DFB-Pokal (5:1).

Probleme

In diesem Kalenderjahr kassierte die Mannschaft in vier Ligaspielen bereits 14 Gegentore, so viele wie kein anderes Team in diesem Zeitraum. Keeper Oliver Baumann ist verständlicherweise frustriert: „Teilweise kriegen wir abartige Tore, wir kriegen sie zu einfach, das müssen wir extrem schnell abstellen.“ Zu einfach und zu früh, könnte man ergänzen, denn zuletzt war oft der erste Schuss des Gegners drin. „Kein Spieler ist in der Nähe des Torschützen, es liegt nicht an der taktischen Ausrichtung, sondern an der Einstellung“, monierte Alexander Rosen nach der Niederlage in Bochum. Kampf, Leidenschaft und Geschlossenheit seien jetzt gefordert. Wie anfällig die Defensive der Kraichgauer zuletzt war, zeigt auch ein Blick auf die Statistik: 7 Konter-Gegentore und 7 Gegentore nach Ecken bedeuten ligaweit jeweils den schlechtesten Wert. Wen wundert‘s, dass die Abwärtsspirale ihre Spuren bei den Spielern hinterlässt. Es fehle an Selbstvertrauen und Körpersprache, erkannte Winter-Neuzugang Thomas Delaney schnell.

Prognose

Keine Frage: Die TSG braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Und dies will sie sich möglichst schon am Samstag gegen die Werkself holen. Pellegrino Matarazzo hatte zwar seit seinem Amtsantritt nur drei Tage, um mit der Mannschaft zu arbeiten. Ein Vorteil mag tatsächlich sein, dass er große Teile des Teams aus seiner ersten Hoffenheimer Zeit schon kennt. Mental heißt es nun: Köpfe frei bekommen und die Verunsicherung ablegen. „Wir müssen jetzt auf den Reset-Knopf drücken und dann vorwärts agieren“, fordert der neue Coach. Auf dem Platz dürfte defensive Stabilität nun zunächst im Vordergrund stehen. „Der schöne Fußball kommt später“, sagt der 31-jährige Delaney. Genügend Erfahrung bringen er und andere TSG-Profis wie Oliver Baumann (32), Sebastian Rudy (32), Kevin Vogt (31), John Brooks (30) und Andrej Kramaric (31) durchaus mit, um auch in einer schwierigen Situation wie der aktuellen Ruhe zu bewahren. Wenn alle den Abstiegskampf, den Kapitän Baumann schon ausgerufen hat, annehmen, sollte es angesichts des großen Kader-Potenzials bald wieder aufwärts gehen mit der TSG. Schließlich stand der Klub am 10. Spieltag nicht ohne Grund auf einem Champions-League-Platz.

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