Die Stimmungslage in Mönchengladbach war zwiegespalten nach dem Auftaktspiel gegen den FC Bayern München. Einerseits konnte die Borussia vollauf zufrieden sein mit der Leistung und dem 1:1 gegen den hoch favorisierten Rekordmeister. „Normalerweise wäre ich damit sehr zufrieden“, sagte Kapitän Lars Stindl im Anschluss. Aber andererseits ist gerade in der Schlussphase des Spiels noch mehr drin gewesen für die mutig und energiereich auftretenden Gladbacher, die sich zudem ärgerten, nicht einen von zwei potenziellen Strafstößen erhalten zu haben. Stindl hielt dies sogar für „Wahnsinn“ und „eine Frechheit“. Mittlerweile dürften sich die Gemüter wieder abgekühlt haben in Mönchengladbach – und die positiven Erkenntnisse aus dem Spiel überwiegen. Das erste Bundesliga-Spiel von Trainer Adi Hütter zeigte, dass mit dieser Fohlen-Elf nach Platz acht im vergangenen Jahr definitiv wieder zu rechnen ist. Sein Pflichtspiel-Debüt hatte er ebenfalls erfolgreich gestalten können: Bei Drittligist Kaiserslautern reichte ein verdientes, wenn auch wenig glanzvolles 1:0 zum Einzug in die 2. Runde.
Im Prinzip hat sich nur auf einer Position so richtig etwas getan während der Sommerpause in Mönchengladbach – aber die ist nicht ganz unwichtig. Nach dem Abgang von Marco Rose in Richtung Dortmund gelang Sportdirektor Max Eberl mit der Verpflichtung von Adi Hütter ein Coup auf der Cheftrainer-Position. Der brachte aber nicht sein in Frankfurt erprobtes 3-4-2-1-System mit, sondern setzte in seinen ersten beiden Spielen auf ein 4-2-3-1. An den Akteuren, die dieses System ausfüllen sollen, hat sich aber nicht viel verändert. Der Abgang von Linksverteidiger-Routinier Oscar Wendt wurde mit der Verpflichtung von Hertha-Talent Luca Netz aufgefangen, vom FC Toulouse kam der bereits im Winter verpflichtete Mittelfeldspieler Manu Koné, der verletzungsbedingt aber noch nicht auf dem Feld stand. Ansonsten kamen und gingen hauptsächlich Spieler aus der zweiten oder dritten Reihe, die Startelf ergibt sich ausschließlich aus Spielern, die bereits in der vergangenen Saison unter Vertrag standen.
Ein Name ist den meisten dann aber doch neu: Joe Scally. Den erst 18 Jahre alten US-Amerikaner hatte Mönchengladbach im Januar vom New York City FC geholt, in der vergangenen Saison lief er allerdings ausschließlich in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga West auf. Nun zog Hütter ihn hoch zu den Profis und warf ihn gleich als Ersatz für den verletzten Linksverteidiger Ramy Bensebaini ins kalte Wasser. Sowohl gegen Kaiserslautern als auch gegen den FC Bayern wusste Scally zu überzeugen, was Hütter vor dem Spiel gegen die Werkself vor eine knifflige Entscheidung stellt. Denn Bensebaini ist seit Montag wieder zurück im Mannschafstraining und dürfte für das Aufeinandertreffen in der BayArena wohl bereit sein. Ob er den bislang unumstrittenen Algerier aber auch aufstellt, ist nicht sicher, denn Hütter hob die Leistung Scallys gegen den FC Bayern explizit hervor: „Ich bin mit seinem ersten Bundesliga-Spiel unglaublich zufrieden“, sagte der Österreicher. „Er hat ein Extra-Lob verdient.“
In einer ausgeglichenen Gladbacher Mannschaft ist es am ehesten die Defensiv-Zentrale, die über die höchste Qualität verfügt. Hinter der starken Doppel-Sechs aus Christoph Kramer und Florian Neuhaus hat sich die Innenverteidigung aus Matthias Ginter und Nico Elvedi mittlerweile hervorragend eingespielt und ist durch ihre Zweikampfstärke eine absolute Bank; Nationalspieler Ginter gewann in der abgelaufenen Saison ligaweit die zweitmeisten direkten Duelle. Und dahinter steht ja noch Yann Sommer im Tor. Der Keeper, der bereits eine überragende Europameisterschaft hinter sich hat, glänzte auch beim Auftakt gegen die Bayern mit mehreren starken Paraden. Kapitän Stindl lobte die Leistung des Schweizers im Nachgang als „sensationell“.
Insgesamt kann Mönchengladbach mit dem Saisonauftakt sehr zufrieden sein. Klar ist aber auch, dass unter dem neuen Trainer noch an einigen Stellschrauben gedreht werden muss. Das Spielermaterial ist in Mönchengladbach deutlich mehr auf Ballbesitz ausgerichtet als in Frankfurt, Hütter wird seine Idee im Verlauf der Saison womöglich noch anpassen müssen – gerade wenn es gegen defensiver eingestellte Gegner geht als gegen den FC Bayern. Im Pokal gegen Kaiserslautern etwa tat sich Gladbach schwer, Chancen zu kreieren und Tempo ins Flügelspiel zu bekommen.
Eine eingespielte Mannschaft, dazu ein Coach, der seine Qualitäten bereits nachgewiesen hat: In Mönchengladbach deutet viel auf eine Verbesserung im Vergleich zur Vorsaison (Platz acht) hin. Auch die Leistung beim Auftaktspiel in München dürfte den Fohlen Hoffnung machen – ebenso wie die Tatsache, dass die Borussia anders als viele ihrer potenziellen Konkurrenten keine Dreifachbelastung durch einen internationalen Wettbewerb hat. Um die internationalen Plätze dürfte Mönchengladbach in jedem Fall wieder mitspielen – und wenn die Borussia bis zum Ende der Transferperiode von Abgängen ihrer Leistungsträger verschont bleibt, dürfte auch die Champions League nicht unrealistisch sein.
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