Mit dem Auftritt in der BayArena geht für den FC Bayern eines der erfolgreichsten Jahre der Vereinsgeschichte zu Ende. Unter Trainer Flick legte der deutsche Branchenprimus die beste Rückrunde der Bundesliga-Geschichte hin, holte anschließend im Finale gegen die Werkself den DFB-Pokal und machte das zweite Triple der Vereinsgeschichte mit dem Erfolg beim Champions-League-Finalturnier in Lissabon perfekt. Entsprechend kurz war im Corona-Jahr anschließend die Vorbereitungszeit auf die neue Saison, entsprechend belastend die vielen Spiele bis Weihnachten, zumal einige Stammspieler verletzt ausfielen. Daher traten die Bayern in der Bundesliga bislang nicht immer so dominant auf wie im ersten Halbjahr 2020, ließen gelegentlich auch mal Punkte liegen, wo man es zuvor nicht unbedingt erwartet hatte.
Durch das hart erkämpfte 2:1 gegen den VfL Wolfsburg am vergangenen Mittwoch befinden sich die Bayern aber weiterhin in Schlagdistanz zur Werkself, haben nur einen Zähler weniger auf dem Konto und könnten mit einem Auswärtssieg wieder an die Position an der Tabellenspitze springen.
Gegen Wolfsburg wurde Flick kreativ. Er musste es auch werden. Neben Joshua Kimmich fiel auch die zweite Hälfte der kongenialen Schaltzentrale der Bayern, Leon Goretzka, verletzungsbedingt aus. Da auch Javi Martinez aufgrund eines Muskelfaserrisses passen musste, rückte Flick vom gewohnten 4-2-3-1 ab, ließ ein 4-1-4-1-System mit Corentin Tolisso als alleinigem Sechser spielen und wies Thomas Müller eine etwas defensivere Rolle zu. Ob sich das gegen die Werkself auch so darstellen wird? Es dürfte wohl auf Kimmich und Goretzka ankommen. Bei beiden Spielern ist ein Einsatz gegen die Werkself nicht ausgeschlossen, vor allem beim gebürtigen Bochumer stehen die Chancen nicht schlecht. Martinez hingegen wird auch am Samstag noch fehlen.
Ansonsten hat sich das Bayern-Lazarett aber deutlich gelichtet, vergangene Woche kehrte auch Stammspieler Alphonso Davies nach Bänderriss im Sprunggelenk wieder zurück ins Aufgebot. Ob der Kanadier gegen die Werkself von Beginn an ran darf und wie sich die gesamte Viererkette überhaupt formiert, wird interessant zu beobachten sein. Denn auch in diesem Fall hatte Flick gegen Wolfsburg eine etwas ungewohnte Lösung gewählt und den etatmäßigen Innenverteidiger Niklas Süle auf der rechten Seite aufgestellt. Der erledigte seine Aufgabe dort gut und könnte auch gegen Schwarz-Rot Flicks Vertrauen als Rechtsverteidiger erhalten – wobei die Bayern im Spielaufbau das System zur ungewohnten Dreierkette mit Süle als rechtem Innenverteidiger umfunktioniert hatten. „Wir müssen im Augenblick kreativ sein“, stellte Flick im Anschluss klar.
Anders als in der Mittelfeldzentrale und in der Abwehr muss Flick in der Offensive keine kreativen Lösungen finden. Viel mehr steht er vor der Qual der Wahl. Leroy Sané ist nach seiner Verletzung wieder fit, zudem verfügen die Bayern über die sich allesamt in starker Verfassung befindenden Serge Gnabry, Thomas Müller und Kingsley Coman. Gegen Wolfsburg bot Flick alle vier zusammen auf – Feuerkraft pur. Zumal vor diesem Quartett noch der derzeit wohl beste Mittelstürmer der Welt agierte: Robert Lewandowski ist nach wie vor die Lebensversicherung der Bayern und darf sich seit Donnerstagabend auch offiziell als bester Fußballspieler dieses Planeten fühlen. In der BayArena tritt der Pole also als frischgebackener Weltfußballer auf und wird seinem neuen Titel alle Ehre machen wollen. Auf die Werkself-Defensive wartet also eine schwere Aufgabe, schließlich hat Lewandowski am Mittwoch mit seinem Doppelpack auch noch die Schallmauer von 250 Bundesliga-Toren eingerissen. Dass er mit 15 Treffern aus 11 Spielen die Torjägerliste anführt und die Bayern mit 37 Saisontoren die mit Abstand beste Offensive der Liga stellen, scheint da schon fast überflüssig zu erwähnen.
Zahlen, die man so gar nicht gewohnt ist vom FC Bayern: In den vergangenen sechs Bundesligaspielen gerieten die Münchner stets mit 0:1 in Rückstand. Zwar spricht es für die eminente Qualität des Rekordmeisters, dass keines dieser Spiele am Ende verloren ging, doch die defensiven Ansprüche des Teams sind andere. „Wir haben selten zu Null gespielt“, merkte Torwart Manuel Neuer, der seinen Kasten in der Bundesliga letztmals im Oktober gegen Frankfurt sauber hielt, nach dem Spiel gegen Wolfsburg an. „Es fehlen manchmal ein bisschen die Kleinigkeiten.“ Bereits 18 Gegentore verzeichnen die Bayern – ligaweit nur Platz sieben. Und das, obwohl sich Neuer seit Monaten in Ausnahmeform befindet und regelmäßig gegnerische Großchancen mit Weltklasse-Paraden zunichtemacht.
Trotz einiger Ausfälle und kleinerer Leistungsschwankungen in dieser Saison stellt der amtierende Champions-League-Sieger noch immer die wohl stärkste Mannschaft der Welt. Zu dominant waren die Auftritte in der Königsklasse, zu stark die Leistungen in jenen Spielen, in denen es drauf ankam. Am Samstag ist es nun wieder so weit, Spitzenspiel gegen Bayer 04 – und die Bayern werden mit Sicherheit alles daran setzen, ihre Vormachtstellung in der Bundesliga zurückzuerobern.
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