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15.09.2022Bundesliga

Gegner-Check: Die Meister der letzten Minuten

Zum 83. Mal trifft die Werkself am Samstag, 17. September (Anstoß: 15.30 Uhr), in der Bundesliga auf den SV Werder Bremen. Der Aufsteiger ist auswärts in dieser Saison noch ungeschlagen, hat den Führenden der Torschützenliste in seinen Reihen und kommt gerne in der Schlussphase erst richtig auf Touren. Unser Gegner-Check.
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Position

Zu Hause an der Weser will es bei den Grün-Weißen noch nicht so recht fluppen. Auch das dritte Heimspiel in der Liga konnte Werder am vergangenen Wochenende nicht gewinnen. In der Nachspielzeit hätte das Team von Trainer Ole Werner zumindest noch einen Punkt festmachen können gegen den FC Augsburg. Doch Marvin Ducksch scheiterte vom Punkt aus. Untypisch eigentlich. Denn die Bremer schlagen in dieser Saison gerne spät, sehr spät zu. Es fing an am 2. Spieltag mit dem 2:2-Ausgleich gegen den VfB Stuttgart durch Oliver Burke in der fünften Minute der Nachspielzeit. Fand seinen unfassbaren Höhepunkt am 3. Spieltag, als Werder bis zur 89. Minute 0:2 bei Borussia Dortmund zurücklag und dann innerhalb von sechs Minuten das Spiel in einen 3:2-Sieg verwandelte. Auch am 4. Spieltag traf Niclas „Fülle“ Füllkrug per Elfmeter gegen Eintracht Frankfurt zum 3:4-Endstand in Minute 90 +2. Und eine Woche später sicherte sich der Aufsteiger durch einen Füllkrug-Doppelpack (86./90. +2) auf den letzten Drücker den 2:0-Auswärtssieg beim VfL Bochum 1848. Damit schreiben die Bremer sogar Bundesliga-Geschichte. Denn nie zuvor hatte eine Mannschaft nach fünf Spieltagen bereits fünf Treffer nach der 90. Minute erzielt. Sie hätten diesen Rekord am vergangenen Samstag ausbauen können.

Aber gegen Augsburg riss die Serie, weil FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz den zu unplatziert geschossenen Elfer von Ducksch in der vierten Minute der Nachspielzeit parieren konnte. So mussten die Bremer eine – wenn auch unglückliche – 0:1-Niederlage hinnehmen. „Wir waren nicht klar genug in unseren Aktionen“, fand Mittelfeldspieler Christian Groß. Werder-Coach Werner monierte, dass seine Mannschaft es „im eigenen Ballbesitz leider nicht gut gemacht“ habe. „So konnten wir unsere Stärken nicht ins Spiel bringen und haben zu wenige Chancen erspielt.“ Dennoch dürfen die Bremer mit ihrem Bundesliga-Start zufrieden sein. Acht Punkte nach sechs Spielen bedeuten derzeit Rang 9. Dabei schoss Werder schon 12 Tore, nur der FC Bayern München (19) und der 1. FC Union Berlin (13) trafen bislang häufiger.

Personal

Die auswärts bislang noch ungeschlagenen Bremer können am Samstag voraussichtlich wieder auf Stammtorhüter Jiri Pavlenka (30) zählen. Der Tscheche musste gegen Augsburg nach einer halben Stunde wegen einer Oberschenkelprellung ausgewechselt werden, trainierte aber seit Mitte dieser Woche schon wieder mit der Mannschaft. Definitiv fehlen wird weiterhin Mittelfeldakteur Leonardo Bittencourt (28), der aufgrund einer Rippenverletzung schon in den beiden vergangenen Spielen pausieren musste. An seine Stelle in der Startelf rückte der junge Österreicher Romano Schmid (22), der gerade von Nationaltrainer Ralf Rangnick erstmals in den Kader der österreichischen Nationalmannschaft berufen wurde. Dort ist auch Werder-Kapitän Marco Friedl wieder dabei. Der 24-jährige Verteidiger bildet bei den Grün-Weißen regelmäßig gemeinsam mit Milos Veljkovic (26) und Neuzugang Amos Pieper (24) von DSC Arminia Bielefeld die Dreierkette. Pieper füllt die Lücke, die der Weggang des letztjährigen Kapitäns und ehemaligen Leverkuseners Ömer Toprak (zu Antalyaspor) hinterlassen hat. Der von Hertha BSC verpflichtete Innenverteidiger Niklas Stark kam bisher nur zu zwei Kurzeinsätzen.

Vor der Kette agiert Christian Groß (33) als Abräumer im Mittelfeld. Zentral spielt hier neben Schmid oder Bittencourt der Däne Jens Stage (25). Der Neuzugang vom FC Kopenhagen gilt als lauf- und kopfballstarker, aggressiver Zweikämpfer. „Er gibt uns mehr Physis auf dem Platz“, sagt Werner über den Königstransfer des Klubs in diesem Sommer. Auf den Außenbahnen genießen Anthony Jung (30) und Mitchell Weiser (28) das Vertrauen des Trainers. Weiser hatte als Leihspieler von Bayer 04 in der Rückrunde der vergangenen Saison großen Anteil daran, dass die Aufholjagd der Grün-Weißen mit dem Wieder-Aufstieg in die Bundesliga belohnt wurde. Inzwischen wurde der gebürtige Troisdorfer, der in dieser Spielzeit schon drei Assists verbuchen kann, fest von Werder Bremen verpflichtet.

Vorne geht bei den Grün-Weißen kein Weg an Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch vorbei. Der Stürmerduo erzielte in der Vorsaison zusammen 39 Treffer und sammelte über 50 Scorerpunkte. Auch in der Bundesliga setzt zumindest Füllkrug seinen Lauf fort. Der 29-jährige führt die Torschützenliste mit fünf Treffern (gemeinsam mit Sheraldo Becker von Union Berlin) an. Werder-Legende Claudio Pizarro, der am 24. September sein großes Abschiedsspiel im Weserstadion geben wird, traut seinem Ex-Kollegen mehr als 15 Tore in dieser Saison zu. „Er ist ein Kämpfer, beidfüßig, stark mit dem Kopf – er ist komplett.“

Marvin Ducksch (28) gab zwar bisher die meisten Torschüsse aller Bundesligaspieler ab, hatte aber noch kein Glück im Abschluss. Immerhin bereitete er drei Treffer vor. Und dann haben die Bremer in Oliver Burke ja auch noch einen Joker, der schon zweimal gestochen hat.

Prunkstück

Zwölf Tore nach sechs Spieltagen sind eine Ansage und zeigen, dass die Stärken der Bremer in der Offensive liegen. Spitzenwerte in puncto Schussgenauigkeit und Chancenverwertung untermauern dies. Fünf Kopfballtreffer sind ebenfalls top in der Liga. „Man weiß aktuell als Stürmer bei uns zu jeder Zeit des Spiels: Wir können noch ein Tor schießen“, spricht Niclas Füllkrug eine Qualität der Grün-Weißen an, die sie auch in der 2. Liga häufig schon gezeigt haben. Nie aufgeben. Immer an sich glauben. Dranbleiben bis zum Abpfiff. Sieben Tore in der Schlussviertelstunde – auch das hat bislang kein anderer Verein geschafft. Die Spätstarter und beeindruckenden „Comebacker“ von der Weser – siehe oben – haben immer noch ein paar Pfeile im Köcher. Was gleichermaßen für eine starke Physis und Mentalität spricht.

Probleme

Ein Blick auf die Gegentore zeigt, wo es noch hapert. Elfmal hat es schon eingeschlagen im Bremer Kasten. Und das, obwohl Innenverteidiger Anton Pieper die besten Zweikampfwerte aller Bundesligaspieler aufweist und sich auch seine Teamkollegen Milos Veljkovic und Marco Friedl hier unter den Top 20 befinden. Die vielen Gegentore seien schon ein Thema, bekennt Trainer Ole Werner. „Damit sind wir alle nicht zufrieden gewesen.“ Immerhin spielte der Aufsteiger vor zwei Wochen in Bochum erstmals zu null und beherzigte des Trainers Forderung, „dass wir im und um den Strafraum mehr können und mehr reinwerfen müssen“.

Prognose

Sport-Chef Frank Baumann stuft Werder als „einen der Kleinen“ in der Bundesliga ein. Erstmal gehe es aufgrund der wirtschaftlichen Voraussetzungen nur um den Klassenerhalt.

Wichtig wird sein, wie die Bremer mit Rückschlägen umgehen. Für Niclas Füllkrug steht fest: „Wir müssen überzeugt von unserer Art und Weise bleiben, auch wenn wir mal zwei Spiele in Folge verlieren.“ Coach Ole Werner, der erstmals in der Bundesliga die sportliche Verantwortung trägt, sieht seine Mannschaft gut gerüstet, auch wenn sie noch eine Menge Arbeit vor sich habe. „Wenn wir uns an der Leistungsgrenze bewegen, können wir konkurrenzfähig sein.“ Mit so viel norddeutscher Nüchternheit scheint der gebürtige Schleswig-Holsteiner perfekt nach Bremen zu passen. Manch einer an der Weser soll ihn schon mit Werders Trainer-Ikone Thomas Schaaf verglichen haben.

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