Egal, wie die Saison für den 1. FC Union endet: Sie war schon jetzt ein Erfolg. Wohl kaum jemand hätte für möglich gehalten, dass der Hauptstadtklub im vermeintlich schweren zweiten Bundesliga-Jahr zwei Spieltage vor Saisonende gute Chancen auf den Einzug in einen internationalen Wettbewerb hat. Die Eisernen liegen nach Punkten gleichauf mit Borussia Mönchengladbach, das derzeit Rang sieben innehat – ein Platz, der für die Teilnahme an der neugeschaffenen UEFA Conference League berechtigen würde. Bei einem Auswärtssieg am Samstag in der BayArena wäre sogar Platz sechs und damit die Europa League noch möglich. Da scheint es mehr als verkraftbar, dass es nach der überragenden Hinrunde nicht mehr ganz rund lief, und Union zuletzt mit 0:3 in Wolfsburg verlor. Auch Trainer Urs Fischer wollte darin kein großes Drama sehen. „Es gibt solche Spiele und das muss man dann auch akzeptieren“, sagte er. Einen achten oder neunten Platz am Saisonende würde wohl jeder in Köpenick mehr als nur akzeptieren.
Während in Abwehr und Mittelfeld derzeit alle Spieler an Bord sind, plagen Fischer im Angriff einige Verletzungssorgen. Mittelstürmer Anthony Ujah musste aufgrund einer komplizierten Knieverletzung ohnehin die gesamte Saison aussetzen, im Januar erwischte es dann auch den bis dahin gesetzten Sheraldo Becker schwer; der Niederländer musste am Knöchel operiert werden. Auch der daraufhin im Winter vom FC Bayern ausgeliehene Leon Dajaku fehlt aktuell verletzt – und zuletzt traf es dann noch Cedric Teuchert, den Torschützen beim 1:0-Sieg gegen die Werkself in der Hinrunde. Ob einer der drei in dieser Saison noch einmal zum Einsatz kommt, ist fraglich. Der etatmäßige Stammstürmer Taiwo Awoniyi hingegen könnte nach langer Ausfallzeit gegen die Werkself erstmals wieder im Kader stehen. Die Leihgabe des FC Liverpool erlitt im Februar einen Muskelbündelriss, trainiert in dieser Woche aber wieder voll mit der Mannschaft. Außerdem könnte Unterschiedsspieler Max Kruse wieder in die Startelf zurückkehren. Der 33-Jährige, mit zehn Treffern bester Torschütze der Eisernen in dieser Saison, war gegen Wolfsburg angeschlagen nur von der Bank gekommen.
Doch selbst wenn alle genannten Spieler ausfallen sollten, hat Union noch ordentlich Torgefahr auf dem Platz – oder anders ausgedrückt: Danger. Joel Pohjanpalo, derzeit von Bayer 04 nach Berlin ausgeliehen, ist nämlich fit und zeigte zuletzt eindrucksvoll seine Knipser-Qualitäten. Beim 3:1 gegen Werder Bremen vor zwei Wochen erzielte der Finne innerhalb von 17 Minuten einen Hattrick. Nicht nur bei Werkself-Anhängern wurden da Erinnerungen an seinen Dreierpack 2016 gegen den Hamburger SV wach. Pohjanpalo avancierte zum erst vierten Spieler der Bundesliga-Geschichte, der für zwei verschiedene Klubs einen Hattrick erzielt hat.
Urs Fischers Ansprachen vor dem Spiel scheinen in dieser Saison besonders gut zu fruchten. Union ist DAS Frühstarter-Team der Liga. In der Anfangsviertelstunde haben die Köpenicker sowohl die meisten Tore ligaweit erzielt (elf – gemeinsam mit Mönchengladbach) als auch die wenigsten kassiert (drei – gemeinsam mit Leipzig). Das erleichtert die Aufgabe für das Team natürlich ungemein, denn der enorm gut eingespielte Defensivverbund ist nur äußerst schwer zu überwinden. Union stellt die fünftbeste Abwehr der Liga, die Defensive um Innenverteidiger Marvin Friedrich, Kapitän Christopher Trimmel und Torwart Andreas Luthe leistet sich nur selten größere Fehler und ist enorm gut organisiert.
Gerade ohne Kruse geht Union häufig das spielerische Überraschungsmoment im Offensivspiel ab. Zwar sind die Berliner gerade dank gefährlicher Flankengeber wie Trimmel und starker Kopfballspieler wie Friedrich und Pohjanpalo über die Flügel immer gefährlich, im Kombinationsspiel durch die Mitte fehlt es oft aber an Ideenreichtum und Passsicherheit. Mit einer Passquote von 76 Prozent liegt Union im unteren Drittel der Bundesliga. Auch zuletzt in Wolfsburg bemängelte Trainer Fischer nach dem Schlusspfiff: „Wir hatten viele Ballverluste, es hat sich sehr hektisch angefühlt.“ Mit Kruse von Beginn an könnte sich das ein wenig anders darstellen.
Sollte Union am Samstag in der BayArena siegen, wäre vor dem letzten Spieltag sogar noch die Europa League greifbar. Andernfalls deutet sich ein Kampf um die Conference League mit Borussia Mönchengladbach und eventuell dem SC Freiburg an. Nachteil für die Eisernen: In RB Leipzig wartet am letzten Spieltag noch ein ziemlich harter Brocken, das Gladbacher Restprogramm scheint mit Stuttgart und Bremen zumindest auf dem Papier einfacher. Aber: Gerade gegen Teams aus dem oberen Tabellendrittel hat Union in dieser Saison schon eindrucksvoll gezeigt, zu was man im Stande ist – unter anderem trotzten die Berliner dem FC Bayern zweimal ein Unentschieden ab. Und selbst, wenn es nicht klappen sollte mit dem internationalen Geschäft: Unzufrieden wird mit dieser Saison keiner sein an der Alten Försterei.
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