In der Einschätzung des Auswärtssiegs bei Werder Bremen am vergangenen Sonntag waren sich in Mönchengladbach alle einig: Dieser Dreier ist Gold wert. Von Platz neun in der Tabelle sprang das Team von Trainer Dieter Hecking auf Rang fünf und drang damit in die Region vor, in der man auch am Ende der Saison stehen möchte. „Es gibt Momente in einer Saison, wo die Post abgeht und sich vorne die Mannschaften formieren. Da musst du dabei sein, wenn du am Ende der Saison auch dazu gehören möchtest. Daher war der Sieg sehr wichtig“, resümierte Hecking im Anschluss an den ersten Auswärtssieg. Sein Kapitän Lars Stindl, der mit einem sehenswerten Treffer den 2:0-Endstand hergestellt hatte, ergänzte: „Wir werden alles dafür tun, um so lange wie möglich in dieser Region zu bleiben.“ Eine Zielsetzung, die durchaus realistisch erscheint: Nach dem blamablen 1:6 in Dortmund am 6. Spieltag zeigte sich Heckings Elf zuletzt wieder gefestigt und offenbarte auch ihr spielerisches Potenzial.
Kapitän, Führungsspieler, Top-Torschütze: Lars Stindl ist das Gesicht der Borussia. Seit seinem Wechsel aus Hannover im Jahr 2015 hat sich der 29-Jährige blitzschnell zur absoluten Identifikationsfigur in Mönchengladbach und sogar zum Nationalspieler mit guten Aussichten auf einen Platz im deutschen WM-Kader entwickelt. Gemeinsam mit dem Brasilianer Raffael bildet Stindl nun eines der spielstärksten Sturmduos der Bundesliga. Pässe aus dem Mittelfeld sollen die beiden eigentlich verstärkt von Vincenzo Grifo erhalten. Der Neuzugang aus Freiburg, im Sommer als Königstransfer der Borussen gehandelt, wurde zu Saisonbeginn aber direkt von einer Kapselverletzung ausgebremst und kam erst in den vergangenen beiden Partien zu seinen ersten beiden Kurzeinsätzen für die Elf vom Niederrhein. Für zwei weitere Borussen-Akteure ist das Duell mit Bayer 04 ein Aufeinandertreffen mit alten Kollegen: Während die Partie für Stürmer Josip Drmic (2014/2015 sechs Tore in 38 Pflichtspielen für Leverkusen) nach langer Verletzungspause wohl noch zu früh kommt, ist Christoph Kramer in der Mittelfeldzentrale der Borussen gesetzt. Zwischen 1999 und 2011 durchlief der gebürtige Solinger am Kurtekotten die Jugendmannschaften von Bayer 04 und stand 2015/2016 in der ersten Mannschaft seines Ausbildungsvereins, bevor er zurück an den Niederrhein wechselte, wohin er zuvor bereits ausgeliehen war.
Hecking hat seit seinem Amtsantritt im vergangenen Dezember ein stabiles Team mit einer klaren Struktur im Spiel geformt. Dies führt selten zu rauschendem Offensivfußball, sorgt aber für ein konstantes Auftreten seiner Mannschaft. Das Fragezeichen dahinter: Reicht dieser Fußball auch für die Spitzenteams? Fünf Spiele absolvierte die Borussia bislang gegen Gegner aus der aktuell oberen Tabellenhälfte, nur ein Sieg stand am Ende zu Buche (zwei Unentschieden, zwei Niederlagen). Beim 1:6 in Dortmund offenbarte vor allem die Viererkette deutliche Probleme beim Verteidigen von gegnerischen Offensivreihen mit hoher individueller Klasse.
Im fußballverrückten Mönchengladbach träumt man noch immer von der glorreichen Vergangenheit, als die legendäre Fohlen-Elf um Spielmacher Günter Netzer in den 70er Jahren Dauerrivale von Rekordmeister Bayern München war. Umso erfreuter dürfte die Fangemeinde der Gladbacher daher sein, dass am Niederrhein nach den Beinahe-Abstiegen 2009 und 2011 in Rekordzeit wieder ein Spitzenteam auf die Beine gestellt wurde, das es bis in die Champions League brachte. Sportdirektor Max Eberl, einer der Hauptverantwortlichen für den Gladbacher Aufschwung, bleibt dennoch seiner Linie der kleinen Schritte treu: Talente sollen in Mönchengladbach gezielt gefördert und dann, wie im Fall von Granit Xhaka (jetzt FC Arsenal) oder Mahmoud Dahoud (jetzt Borussia Dortmund), zu Geld gemacht werden. Bester Beweis: Gleich fünf Sommer-Neuzugänge der Gladbacher sind 20 Jahre und jünger – und nicht die einzige Investition in die Zukunft: In der vergangenen Woche erfolgte gegenüber der Geschäftsstelle der Spatenstich für das neue Jugendinternat der Borussia, in dem ab 2019 die Jung-Fohlen ausgebildet werden sollen.
Nach Rang neun im vergangenen Jahr will die Borussia nun wieder in den internationalen Wettbewerb zurückkehren. Die Vorzeichen dafür stehen gut: Die Mannschaft verfolgt eine klare Spielidee, ist gefestigt und hat in Stindl und Raffael in vorderster Front Akteure, die den Unterschied machen können. Bleiben das Sturmduo sowie die Schlüsselspieler Kramer und Jannik Vestergaard von Verletzungen verschont, sollte eine Position zwischen Platz vier und sieben für die Borussia drin sein.
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