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29.08.2018Bundesliga

70 Mal auf Platz eins - nur noch nie am 34. Spieltag

In 40 Jahren Bundesliga war Bayer 04 70 Mal Tabellenführer, zweimal Herbstmeister und einmal „Weihnachtsmeister" - nur am 34. Spieltag stand die Werkself bekanntlich noch nie ganz oben.
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Für diese Premiere hat es einen langen Anlauf gebraucht: In seiner achten Bundesliga-Saison schaffte Bayer 04 erstmals den Sprung an die Tabellenspitze der höchsten deutschen Spielklasse – und das gleich mit einem krachenden Schützenfest. Am 23. August 1986 stürmte der Werksklub mit einem 5:0-Sieg über den rheinischen Nachbarn Fortuna Düsseldorf auf Platz eins. Nach dem 3. Spieltag der Saison 1986/87 grüßten die Schwarz-Roten also zum allerersten Mal den Rest der Liga vom Platz an der Sonne aus. „Das war schon ein cooles Gefühl, am Montag danach den Kicker aufzuschlagen und auf die Tabelle zu schauen“, sagt Rüdiger Vollborn, damals die Nummer 1 im Tor der Leverkusener. Die fünf Tore gegen Düsseldorf erzielten fünf verschiedene Schützen: Florian Hinterberger, Bum-Kun Cha, Falko Götz, Christian Schreier und Herbert Waas. Im Tor der arg gebeutelten Düsseldorfer stand damals übrigens Jörg Schmadtke, der heutige Geschäftsführer des VfL Wolfsburg. Auch sonst hatte die Fortuna einige namhafte Spieler in ihren Reihen: Gerd Zewe, Holger Fach und Sven Demandt zum Beispiel - die beiden Letzteren schnürten später ja auch noch für Bayer 04 ihre Fußballschuhe. 

Nur 11.000 Zuschauer waren damals im Ulrich-Haberland-Stadion dabei. Nein, groß gefeiert habe auch die Mannschaft die erste Tabellenführung nicht. „Wir haben uns viel mehr darüber gefreut, dass wir zwei richtig gute Heimspiele zum Start hingelegt haben“, sagt Vollborn. Denn zum Auftakt waren die Königsblauen vom FC Schalke mit einem 4:2 nach Hause geschickt worden. Danach hatte Bayer 04 ein 0:0 in Dortmund geholt.

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Falko Götz erzielt gegen Jörg Schmadtke das 3:0 - am Ende gewann Bayer 04 5:0 gegen Düsseldorf und wurde erstmals Tabellenführer.

Ohnehin hatte die erstmalige Teilnahme am UEFA-Cup eine große Euphorie unterm Bayer-Kreuz ausgelöst. Zur Saisoneröffnung waren 5.000 Fans ins Haberland-Stadion gekommen. Die ersten Jahre im grauen Mittelfeld der Liga gehörten der Vergangenheit an, jetzt sollte der Blick viel weiter nach oben gehen.

Sojafleisch statt Steak

Für drei Spieltage hielt sich Bayer 04 im Spätsommer 1986 als Spitzenreiter. Auf den 5:0-Sieg folgte ein 4:1-Triumph im Derby beim 1. FC Köln, wo man im Januar desselben Jahres erstmals überhaupt gewonnen hatte. Dann siegte die Truppe von Trainer Erich Ribbeck zu Hause auch noch 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg, so dass man am fünften Spieltag mit 9:1-Punkten und 15:3-Toren das Feld vor den punktgleichen Bayern anführte. Nach dem 1:2 beim Hamburger SV musste Bayer 04 die Spitzenposition zwar am sechsten Spieltag wieder abgeben. Aber die Mannschaft blieb auch in den folgenden Wochen auf Tuchfühlung zum FC Bayern und dem HSV. Am zwölften Spieltag kam es zum Topspiel: Bayer 04 trat als Zweiter beim Tabellenersten Bayern München an - und gewann sensationell klar mit 3:0 im Olympiastadion. Zweimal Falko Götz und ein famos aufspielender Christian Hausmann (großes Bild ganz oben) trafen für die Leverkusener, die nach diesem Coup wieder für vier Spieltage die Tabellenführung übernahmen.

Am 15. Spieltag schien Bayer 04 auf einem guten Weg zur ersten Herbstmeisterschaft. Aber dann passierte Unvorhersehbares: Aus - zumindest für Teile der Mannschaft - unerfindlichen Gründen ordnete Erich Ribbeck eine Ernährungsumstellung an. Bis dato war das Team vor Heimspielen immer im Gut Keuchhof abgestiegen und an gemischten Salat, Nudeln, Steak und Eis gewöhnt. Nun, vor der Partie gegen den Werks-Konkurrenten Bayer Uerdingen, gab’s in einem anderen Restaurant gesunde Bio-Küche. „Wir bekamen auf einmal Möhren-Apfel-Salat und Sojafleisch“, erinnert sich Rüdiger Vollborn mit Schrecken. Offensichtlich war die ungewohnte Kost dem Torhüter und seinen Kollegen auf den Magen geschlagen: Bayer 04 kassierte am 16. Spieltag eine 1:4-Klatsche und musste Platz eins wieder abgeben. Nach der 0:1-Niederlage in Stuttgart am letzten Hinrundenspieltag überwinterte Bayer 04 auf Rang drei.

In der Rückrunde übernahm die Ribbeck-Equipe noch einmal den ersten Platz - allerdings nur virtuell. Denn aufgrund einiger wegen schlechter Witterungsverhältnisse abgesagter Partien bot die Tabelle lange ein schiefes Bild. Am 20. Spieltag wäre Bayer 04 rechnerisch wieder Spitzenreiter gewesen, hätte man die im Februar abgesagte und erst genau zwei Monate später im April nachgeholte Begegnung gegen Schalke 04, die die Werkself mit 2:1 gewann, in die Wertung einbeziehen können. So blieb faktisch der FC Bayern am 20. Spieltag Tabellenführer. Leverkusen landete nach einer insgesamt starken Saison am Ende auf Rang sechs und war damit erneut für den UEFA-Cup qualifiziert.

Werkself wird Weihnachtsmeister

In den folgenden zehn Jahren schaffte Bayer 04 nur noch vereinzelt den Sprung auf Platz eins und hielt sich dort auch jeweils nur kurz. Ende 1993 zum Beispiel war es mal wieder soweit. Am 17. Spieltag rangierten die Leverkusener zwar noch auf Rang vier und Eintracht Frankfurt war Herbstmeister geworden. Doch im alten Jahr folgten noch drei weitere Spieltage, weil die Saison wegen der WM 1994 in den USA früh beendet werden sollte. So gewann die Werkself Ende November am 18. Spieltag 2:1 gegen den MSV Duisburg (Tore: Ulf Kirsten und Christian Wörns), übernahm am 19. Spieltag (4. Dezember) mit einem 1:1 im Olympiastadion beim FC Bayern (Tor: René Rydlewicz) erstmals in dieser Saison die Tabellenführung und behauptete diese eine Woche später am 20. Spieltag (11. Dezember) mit einem 1:1 im Haberland-Stadion gegen Wattenscheid 09 (Tor: Ulf Kirsten). „Damit waren wir Weihnachtsmeister“, schmunzelt Rüdiger Vollborn.

Nach 20 Spieltagen führte das Team von Trainer Dragoslav Stepanovic das Feld unmittelbar vor der Winterpause an - punktgleich mit Frankfurt und nur vier Punkte vor dem Achten Mönchengladbach. Leider war der hauchzarte Vorsprung im neuen Jahr 1994 schnell verspielt. Bayer 04 kam überhaupt nicht aus den Startblöcken, legte mit 1:9-Punkten (es galt noch die Zwei-Punkte-Wertung) einen klassischen Fehlstart hin und rutschte auf Platz sieben ab. „Extrem ärgerlich“, fand das sicher nicht nur Rüdiger Vollborn. „Wir hatten eine richtig starke Mannschaft, mit der wir ja im Mai 1993 auch den DFB-Pokal gewonnen hatten. Im Sommer waren dann noch Bernd Schuster und Paulo Sergio dazugekommen. Aber als wir Ende des Jahres die Tabelle anführten, haben wir uns nie ernsthaft damit beschäftigt, dass wir vielleicht Meister werden könnten. Nein, dazu fehlte uns einfach der Glaube“, sagt Vollborn.

Immerhin: Die Mannschaft fing sich im Frühjahr wieder und landete am Ende der Saison 1993/94 auf Rang drei, der bis dahin besten Platzierung der Vereinsgeschichte.

Zweimal ganz kurz davor

Zwei Jahre später, nach dem Fast-Abstieg 1996, übernahm Christoph Daum das Traineramt - und mit ihm stand die Werkself fortan wieder häufiger auf Platz eins. Etwa gleich achtmal in der Saison 1999/2000, inklusive der Spieltage 30 bis 33. Ja, und dann kam Unterhaching… Aber das ist eine andere Geschichte, die wir auch noch erzählen werden. Genauso natürlich wie die aus der Triple-Vize-Saison 2001/02, als die Werkself unter Klaus Toppmöller insgesamt 16 Mal die Tabellenführung innehatte. Trotz einer 1:2-Niederlage bei Hertha BSC wurde Bayer 04 am 15.12. 2001 erstmals Herbstmeister.

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Mit einem 4:0-Sieg im Topspiel gegen den späteren Meister Borussia Dortmund im Februar 2002 sprangen Neuville, Zé Roberto, Nowotny, Brdaric, Lucio und Co. wieder auf Platz eins.

Zwei Rekorde

Anfang 2002 ging Platz eins zwar wieder verloren, aber mit einem fulminanten 4:0-Sieg im Topspiel gegen den damaligen Tabellenführer Borussia Dortmund holte sich das Team um Lucio, Ballack und Bernd Schneider die Spitzenposition zurück - und gab sie bis zum 33. Spieltag nicht mehr her. Fünf Punkte Vorsprung auf Dortmund besaß die Mannschaft noch nach dem 31. Spieltag. Dann folgten die Niederlagen gegen Werder Bremen (1:2) und in Nürnberg (0:1). Meister wurde 2002 am Ende der BVB mit einem Punkt Vorsprung vor der Werkself.

Gleich zwei Rekorde stellte Bayer 04 in der Saison 2009/10 unter Trainer Jupp Heynckes auf. 24 Spiele in Folge blieb das Team in der Liga ungeschlagen - so lange wie keine andere Mannschaft je zuvor. Und 16 Spieltage in Folge (vom 8. bis 23. Spieltag) waren die Leverkusener Tabellenführer. Eine solche Serie hatte es in der Vereinsgeschichte noch nie gegeben. Mit einem 4:0-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg übernahm die Werkself am 3. Oktober 2009 Platz eins. Ausgerechnet mit einer Nullnummer im Derby gegen den 1. FC Köln am 24. Spieltag - mit dem Bayer 04 eben zum 24. Mal ungeschlagen blieb - ging die Tabellenführung verloren.

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Simon Rolfes macht per Elfmeter das 2:0 gegen Nürnberg. Bayer 04 siegt am Ende 4:0 und übernimmt damit für 16 Spieltage in Folge die Spitzenposition.

„Wir sind damals mit sechs Siegen und drei Unentschieden in die Saison gestartet, dieser Auftakt hat uns lange getragen und viel Selbstvertrauen gegeben“, erinnert sich Simon Rolfes, damals Kapitän der Mannschaft. „Jupp Heynckes wollte dominanten Ballbesitzfußball spielen lassen und hat das in jedem Training eingefordert. Die Mannschaft verfügte auch über eine sehr hohe Qualität, der Mix aus erfahrenen Spielern wie Sami Hyypiä, Manuel Friedrich, Stefan Kießling und mir und hochtalentierten Jungs wie Toni Kroos, Stefan Reinartz oder Lars Bender war einfach klasse.“

Warum hat es wieder nicht zum Titel gereicht? „Wir haben auf jeden Fall daran geglaubt, das Selbstbewusstsein war groß genug. Am Ende fehlte uns wohl die Tiefe im Kader“, sagt Rolfes. Er selber kam wegen schwerwiegender Knieprobleme inklusive Meniskus-OP nur auf 11 Saison-Einsätze, verpasste deshalb auch die WM in Südafrika. Stürmer Patrick Helmes, der in der Spielzeit davor 21 Treffer für Bayer 04 erzielt hatte, fiel wegen eines Kreuzbandrisses über ein halbes Jahr aus und kam auch nur auf 12 Einsätze. Und in Renato Augusto, dem Mann fürs Kreative im Mittelfeld, fehlte ein weiterer Stammspieler wegen Knieproblemen über die halbe Saison. Zum Ende hin ging dem Team die Puste aus. Von den letzten elf Spielen konnte die Werkself nur noch zwei gewinnen (bei fünf Niederlagen und vier Remis). „Lange Zeit hat die Mannschaft diese Ausfällle kompensieren können, aber je länger die Saison dauerte, desto schwer wurde es für uns. Schade, wahrscheinlich waren die Voraussetzungen, um die Meisterschaft mitzuspielen, seit 2002 nie wieder so gut wie in dieser Saison 2009/10“, sagt Simon Rolfes. So aber musste sich Bayer 04 am Ende mit Platz vier und der Europa League begnügen.

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Tin Jedvaj erzielte mit dem 1:0 gegen Bremen (Endstand 3:3) das 2.000. Bundesliga-Tor von Bayer 04 - am dritten Spieltag der Saison 2014/15 stand die Werkself bis heute zum letzten Mal auf Platz eins.

Der langjährige Kapitän der Werkself war übrigens auch bei den letzten Spitzenpositionen von Bayer 04 in der Saison 2014/15 noch an Bord. Nach einem 2:0 in Dortmund (mit dem 9-Sekunden-Rekordtor von Karim Bellarabi, einem 4:2 gegen Hertha und einem 3:3 gegen Bremen (mit dem 2.000. Bayer 04-Bundesligator durch Tin Jedvaj) waren die Leverkusener unter Roger Schmidt an den ersten drei Spieltagen jeweils Tabellenführer.

70 Mal stand Bayer 04 vor seiner 40. Bundesliga-Saison auf Platz eins der Tabelle. Bislang noch nie am 34. Spieltag. Wäre schön, wenn sich das mal ändern ließe…

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