„Heute haben wir uns für die harte Arbeit belohnt“, resümierte Doppeltorschütze Kerem Demirbay nach Abpfiff. „Wir hätten auch in den Wochen zuvor oft verdient gehabt, zu gewinnen, haben das aber nicht geschafft. Umso mehr freut es mich, dass wir heute hoch gewonnen haben.“
Nachdem die Werkself beim Pokal-Aus in Essen noch mit Dreierkette und Doppelspitze begonnen hatte, trat Bayer 04 gegen Stuttgart wieder im gewohnten 4-3-3-System an. Mit dieser Systemumstellung ging auch ein Personalwechsel von Lucas Alario hin zu Daley Sinkgraven einher. Der im Pokal gesperrte Jonathan Tah kam für Aleksandar Dragovic zurück in die Mannschaft, Moussa Diaby ersetzte den verletzten Karim Bellarabi auf der Außenbahn. Außerdem spielte Florian Wirtz im Mittelfeld anstelle von Exequiel Palacios. Neuzugang Demarai Gray stand erstmals im Kader von Peter Bosz.
Vom Beginn weg war der Werkself anzumerken, den Ausrutscher in Essen unbedingt wettmachen zu wollen. Bayer 04 startete mit äußerst viel Elan, spielte munter nach vorne - und war wie am Dienstag direkt wieder vom Alu-Pech verfolgt. Nach einem Flügellauf von Diaby lenkte VfB-Keeper Kobel den Abschluss von Leon Bailey an die Latte (2.). Auch im Anschluss blieb die Bosz-Elf spielbestimmend und zeigte sich immer wieder spielfreudig, Demirbay vergab aus der Distanz (11.). Stuttgart trat erstmals nach einer knappen Viertelstunde durch Klimowicz in Erscheinung (14.), doch den Führungstreffer erzielte verdientermaßen die Werkself: Diaby brachte sich mit einer tollen Bewegung vor dem Strafraum in Schussposition und schloss flach ab. Kobel wehrte noch klasse ab, doch Demirbay war hellwach und staubte aus spitzem Winkel artistisch ab (18.).
Der VfB, der kurz darauf aufgrund einer Verletzung von Gonzalez bereits zum Wechseln gezwungen war, betätigte sich daraufhin etwas mehr im Offensivspiel. Sinkgraven blockte stark gegen Wamangituka, Lukas Hradecky fing nach der anschließenden Ecke einen Kempf-Kopfball (24.). Das nach wie vor deutlich stärkere Team blieb jedoch die Werkself, die spielerisch mit feinem Kurzpassspiel zu begeistern wusste. Charles Aránguiz leitete binnen weniger Minuten zwei Möglichkeiten mit herausragenden Direktpässen auf Diaby ein. Zunächst wurde ein Bailey-Schuss aus guter Position abgeblockt (25.), dann rettete Kobel mit einer Flugparade gegen Patrik Schick (27.). Kurz darauf verhinderte der stark aufgelegte VfB-Schlussmann auch gegen einen abgefälschten Schuss von Timothy Fosu-Mensah mit einem tollen Reflex den Einschlag (28.).
Das 2:0 für Bayer 04 war in dieser Phase überfällig - und es fiel auch, mal wieder nach einer tollen Ballstafette. Aránguiz spielte den nächsten öffnenden Pass auf Bailey, der mit einem Kontakt in den Lauf von Demirbay durchsteckte. Der Mittelfeldregisseur stand dadurch frei vor Kobel und verpasste dem Schweizer den Tunnel - Doppelpack (31.). Wenige Momente später hätte die Werkself ihre Führung um ein Haar noch weiter ausgebaut, doch ein Flachschuss von Schick strich nur knapp am langen Eck vorbei (32.). Bayer 04 sprühte geradezu vor Spielfreude, nach dem nächsten sehenswerten Spielzug verhinderte Anton gegen einen Aránguiz-Abschluss das 3:0 (40.), auch bei Baileys Distanzkracher fehlte nicht viel (45.).
Stuttgart konnte dem schnellen Kombinationsspiel der Werkself kaum etwas entgegensetzen, hätte aber unmittelbar vor dem Pausenpfiff das Geschehen beinahe auf den Kopf gestellt. Doch Hradecky zeigte, dass Bayer 04 eben auch hinten große Qualität hat und gegen Försters Flachschuss eine überragende Parade (45.+1). Dennoch: Das 2:0 zur Halbzeit war für die Werkself hochverdient und hätte gut und gerne auch höher ausfallen können.
Auch Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo war die Überlegenheit der Schwarz-Roten wohl nicht verborgen geblieben, er wechselte zur Halbzeit gleich doppelt. Sein Team verzeichnete durch Wamangituka auch früh nach dem Wiederbeginn eine Gelegenheit (46.), kurz darauf hatte Bayer 04 aber schon wieder Aluminium-Pech: Nach einer von Schick verlängerten Ecke traf der aufgerückte Tah aus spitzem Winkel nur den Außenpfosten (49.). Und das sollte sich als umso ärgerlicher herausstellen, weil Stuttgart quasi im direkten Gegenzug verkürzte. Nach Steilpass des zur Pause gekommenen Thommy setzte sich der bereits im ersten Durchgang eingewechselte Kalajdzic gegen Edmond Tapsoba durch und stellte mit einem feinen Heber über Hradecky hinweg auf 2:1 (50.).
Stuttgart wirkte durch den Ausgleich ordentlich beflügelt und wirkte deutlich gefährlicher als noch im ersten Durchgang, Wamangituka prüfte Hradecky nach einem Antritt über rechts (55.). Bayer 04 musste nun gegensteuern - und tat das bravourös: Nach einem schnellen Konter scheiterte Diaby noch an Kobel, doch Bailey holte sich den Ball zurück und leitete damit seinen eigenen Treffer ein. Der Jamaikaner gab wieder ab zu Diaby, der unwiderstehlich rechts an einem Gegenspieler vorbeizog und wieder in die Mitte legte, wo Bailey nur noch einschießen musste - ein tolles Zusammenspiel der beiden Flügelstürmer (56.).
Doch es sollte nicht der letzte traumhaft herausgespielte Treffer der Werkself sein. Der nächste Highspeed-Konter war wieder äußerst sehenswert vorgetragen. Eigentlich versprang Schick der Ball noch bei der Annahme, doch der Mittelstürmer legte direkt noch schnell nach links zu Diaby, der aus vollem Lauf herrlich in die Mitte chippte, wo Wirtz förmlich in der Luft stand und die Kugel gegen Kobels Laufrichtung einnickte (68.). Für Diaby war es bereits die dritte Torvorlage des Tages.
Doch Stuttgart, im zweiten Durchgang gerade offensiv deutlich verbessert, gab sich noch nicht geschlagen. Kalajdzic zwang Hradecky erst zur nächsten Parade (70.) und schnürte dann nach einer Flanke von Thommy mit Hilfe des Innenpfostens den Doppelpack - nur noch 4:2 (77.).
Doch Bayer 04 zeigte sich komplett unbeeindruckt. Anstatt den Vorsprung nur verteidigen zu wollen, tat die Werkself das, was sie den ganzen Nachmittag über schon getan hatte: Sie spielte unentwegt nach vorne. Großen Anteil daran hatten auch zwei Bundesliga-Debütanten: Sowohl Jeremie Frimpong als auch Demarai Gray waren bereits in der 74. Minute eingewechselt worden und fügten sich mit zahlreichen Tempoläufen nahtlos in die Werkself-Offensive ein. Zunächst verhinderte der nach wie vor glänzend aufgelegte Kobel noch weitere Werkself-Treffer: Der VfB-Schlussmann parierte zunächst aus kurzer Distanz gegen Schick (80.) und vereitelte dann auch noch eine Doppelchance von Gray und Demirbay (83.).
Kurz darauf war der Schweizer dann aber zum fünften Mal an diesem Tag geschlagen - und beide Neuzugänge hatten entscheidenden Anteil daran. Frimpong zog über rechts ein tolles Tempodribbling auf und spielte dann einen herrlichen Steilpass auf Demirbay. Und nachdem der Doppeltorschütze noch an einem Gegenspieler hängengeblieben war, setzte Gray nach und erzielte mit einem feinen Schlenzer ins lange Eck sein erstes Bundesligator - und das nach gerade einmal zehn Minuten in Schwarz-Rot (84.). Auf hoffentlich viele weitere Tore, Demarai!
Ein Spiel, das Werbung für den Bundesligafußball darstellte, war damit endgültig gelaufen. Doch auch die letzte erwähnenswerte Szene war aus Werkself-Sicht eine sehr erfreuliche: Sven Bender wurde kurz vor Schluss eingewechselt und feierte damit sein Comeback nach zweieinhalb Monaten Verletzungspause (87.).
Viel Positives nimmt Bayer 04 also aus einem spektakulären Fußballspiel mit in das nächste Heimspiel am kommenden Wochenende. Am 13. Februar gastiert Mainz 05 in der BayArena.
Die Statistik:
Bayer 04: Hradecky – Fosu-Mensah (62. Dragovic), Tah, Tapsoba, Sinkgraven – Wirtz, Aránguiz (87. S. Bender), Demirbay - Bailey (74. Frimpong), Schick, Diaby (74. Gray)
VfB Stuttgart: Kobel - Mavropanos, Anton, Kempf (46. Ahamada) - Massimo (46. Thommy) , Endo, Mangala, Wamangituka - Förster (80. Coulibaly), Klimowicz (62. Klement) - Gonzalez (22. Kalajdzic)
Tore: 1:0, 2:0 Demirbay (18./31.), 2:1 Kalajdzic (50.), 3:1 Bailey (56.), 4:1 Wirtz (68.), 4:2 Kalajdzic (77.), 5:2 Gray (84.)
Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen)
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