„Wir hatten das zweite Mal in dieser Saison nach Nürnberg sehr merkwürdige Wetterbedingungen. Zum Glück haben wir nach dem 2:2 ein starkes Comeback gezeigt. Das war heute eher Schneeball und sah manchmal wie Comedy aus“, sagte Torhüter Lukas Hradecky noch sichtlich mitgenommen nach dem Abpfiff.
Bei Bayer 04 gab es im Vergleich zur Partie gegen Freiburg eine Veränderung in der Startelf, Aleksandar Dragovic übernahm in der Innenverteidigung den Platz von Sven Bender, für den es nach seiner Kopfverletzung noch nicht wieder für einen Platz im Team reichte. Gleiches galt für seinen Zwillingsbruder Lars, auch wenn der Werkself-Kapitän mit nach Hannover gereist war. Dafür gehörte Karim Bellarabi nach überstandener Muskelverletzung im Oberschenkel ebenso wieder zum Kader wie Lucas Alario, der seine Knieprellung überwunden hatte. Jonathan Tah absolvierte in der HDI-Arena sein 100. Bundesligaspiel in Schwarz und Rot.
Im Duell der zweitschlechtesten gegen die zweitbeste Rückrunden-Mannschaft lag die Favoritenrolle natürlich eindeutig auf Seiten der Werkself. Bei schwierigen Bedingungen in Hannover – der strömende Regen ging kurz vor Anpfiff in dichtes Schneetreiben über – kassierte Tin Jedvaj bereits nach fünf Minuten die Gelbe Karte nach einem taktischen Foul gegen Maina. Bei den winterlichen Platzverhältnissen war auch dem Zufall in vielen Szenen Tür und Tor geöffnet. Nach zehn Minuten der erste Wechsel – der weiße Spielball wurde wegen des Schneefalls gegen einen orangefarbigen ausgetauscht.
Gleich der erste durchdachte Angriff brachte die Führung für die Gäste. Charles Aránguiz setzte Leon Bailey auf links geschickt im Strafraum in Szene, dessen Flanke fand Julian Brandt, der mit links sofort abzog. 96-Keeper Esser konnte noch parieren, doch nur vor die Füße von Kevin Volland, der keine Mühe hatte, aus kurzer Distanz zum 1:0 abzuschließen (13.) – Saisontreffer zehn für den Stürmer, der damit bereits zum fünften Mal in dieser Spielzeit das 1:0 erzielte. Der viele Schnee auf dem Rasen erschwerte der Werkself den Kombinationsfußball, viele Bälle wurden auf dem Untergrund enorm gebremst, entsprechend konzentriert und scharf musste gepasst werden, um die Kugel flach zum Nebenmann zu bringen. Auch die Linien mussten per Hand mit einem Besen zwischendurch freigeschaufelt werden – der Winter war in Hannover zurückgekehrt.
Und Bayer 04 präsentierte sich den Bedingungen entsprechend eiskalt. Kai Havertz steckte auf Julian Brandt durch, der sofort in den Lauf von Kevin Volland passte. Der Kapitän ließ sich nicht zweimal bitten und vollendete cool vor Esser mit einem feinen Lupfer zum 2:0 (28.). Wenig später großes Glück für Bayer 04: Hradecky kam aus seinem Kasten und verschätzte sich beim Lauf des Balles, Haraguchi schoss aus halbrechter Position aufs leere Tor, es war der vermeintlich sichere Anschluss zum 1:2. Doch der Schnee auf dem Rasen stoppte die Kugel kurz vor Überschreiten der Torlinie und Tah konnte klären – puuh, das war richtig haarig (33.)! Die fast irregulären Verhältnisse spielten den Leverkusener in dieser Szene mächtig in die Karten.
Nach 40 Minuten unterbrach Schiedsrichter Sören Storks das Spiel und schickte beide Teams in die Katakomben, weil die Linien nicht mehr erkennbar waren. Nach etwa zehn Minuten Unterbrechung kamen die Mannschaften wieder auf den Platz, um den Rest der ersten Hälfte zu beenden. Dann verpasste Kevin Volland seinen dritten Streich, als er den Ball nach Pass von Bailey am Tor vorbeilegte (45.+2). Kurz darauf ging's in die Pause.
Mit Anpfiff zur zweiten Hälfte waren zumindest die Strafräume wieder vom Schnee befreit. Und die Gastgeber kamen zurück ins Spiel: Jonathas setzte sich im Luftkampf gegen Jedvaj durch und traf per Kopf zum 1:2-Anschluss (51.). Der Treffer gab Hannover spürbar Aufwind, erst recht bei diesen widrigen Verhältnissen auf dem Platz. Dominik Kohr kam für Charles Aránguiz ins Spiel (61.). 96 probierte es jetzt vor allem mit langen Bällen, auch das Publikum witterte wieder Morgenluft. Leon Bailey wurde durch Karim Bellarabi ersetzt (66.).
Hannover kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung – und kam zum Ausgleich. Den Kopfball des eingewechselten Weydandt parierte Hradecky noch stark, doch der Ball sprang ans Bein von Mitchell Weiser und von da aus kurzer Distanz über die Linie zum 2:2 ins Netz (73.). Jetzt war alles wieder komplett offen und 96 förmlich euphorisiert. Nach Pass von Brandt wollte Kai Havertz den weit aus seinem Tor geeilten Esser umspielen, doch der Keeper riskierte Kopf und Kragen und rettete in höchster Bedrängnis (78.).
Bayer 04 rappelte sich auf und drängte auf die erneute Führung – und hatte Pech, dass Havertz den Ball nach Zuspiel von Baumgartlinger nur ans Außennetz lupfte (82.). Bellarabi knallte die Kugel aus halbrechter Position deutlich am Pfosten vorbei (84.). Und die Werkself wurde belohnt: Kai Havertz gelang nach scharfer Hereingabe von Brandt das 3:2 (87.) – für Brandt war es bereits der dritte Assist an diesem Abend. Es gab vier Minuten Nachspielzeit. Gut, dass Jedvaj bei Antons Schuss noch den Kopf an den Ball brachte und zur Ecke abfälschte (90.+1). Karim Bellarabi versenkte den Ball per Heber über Esser ins lange Eck, doch der Treffer wurde wegen Abseitsstellung nach Videobeweis annulliert (90.+4). Dann war Schluss in einer denkwürdigen Begegnung.
Für Bayer 04 geht es mit dem 26. Spieltag und dem Heimspiel gegen Werder Bremen weiter. Anstoß in der BayArena am Sonntag, 17. März, ist um 13.30 Uhr.
Die Statistik:
Hannover 96: Esser – Korb (90. Felipe), Anton, Wimmer, Albornoz – Schwegler, Walace (46. Weydandt), Bakalorz – Maina (68. Muslija), Jonathas, Haraguchi
Bayer 04: Hradecky – Weiser, Tah, Dragovic, Jedvaj – Brandt, Baumgartlinger, Aránguiz (61. Kohr) – Havertz, Volland, Bailey (66. Bellarabi)
Tore: 0:1 Volland (13.), 0:2 Volland (28.), 1:2 Jonathas (51.), 2:2 Weiser (Eigentor/73.), 2:3 Havertz (87.)
Schiedsrichter: Sören Storks (Velen)
Gelbe Karten: Wimmer, Albornoz, Schwegler – Jedvaj
Zuschauer: 33.000
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