Entsprechend fielen die Reaktionen bei der Werkself aus. „Wir waren die klar bessere Mannschaft, deshalb können wir nicht zufrieden sein. Wir haben zwar unser Potenzial gezeigt, aber hätten schon in der ersten Halbzeit zwingend mehr Tore machen müssen. Es ist sehr ärgerlich, heute keine drei Punkte geholt zu haben“, sagte Karim Bellarabi. Dominik Kohr sah es nicht anders: „Es ist bitter, dass wir hier mit einem 2:2 vom Platz gehen. Schon zur Pause hätten wir 3:0 oder 4:0 führen müssen. Wir spielen uns die Dinger gut raus, aber machen sie einfach nicht rein.“
Einen unerwarteten Ausfall neben dem Langzeitverletzten Tin Jedvaj und Kapitän Lars Bender, für den die Partie gegen die TSG noch zu früh kam, musste die Werkself kurzfristig hinnehmen: Joel Pohjanpalo zog sich im Abschlusstraining am Freitag einen Muskelfaserriss im rechten Hüftbereich zu und wird seinem Team etwa vier Wochen nicht zur Verfügung stehen. Für den Finnen rückte Stefan Kießling ins Aufgebot. Den Platz des erkrankten Aleksandar Dragovic nahm André Ramalho auf der Bank ein. Chefcoach Heiko Herrlich vertraute bis auf eine Ausnahme der Startelf, die er auch zum Bundesliga-Auftakt in München ins Rennen geschickt hatte. Für Leon Bailey begann Julian Brandt, der 21-jährige Nationalspieler bestritt sein 100. Bundesligaspiel und ist damit nun in der Nachfolge von Gonzalo Castro der jüngste Bayer 04-Profi, der diese Marke erreicht hat.
Bei schwül-warmen Temperaturen begann die Werkself in einer 3-4-3-Grundordnung – so wie sie auch bei den Bayern in der überzeugenden zweiten Hälfte taktisch agiert hatte. Sieben Minuten brauchten die Hausherren bis zur ersten gefährlichen Annäherung an den Hoffenheimer Kasten: Nach einer scharfen Hereingabe von Karim Bellarabi von rechts klärte Bicakcic gerade noch vor dem einschussbereiten Kevin Volland. Kurz darauf das erste dicke Ding: Bellarabi stürmte über rechts allein in den Strafraum, drehte noch einen Gegner ein, setzte den Ball aber knapp am langen Eck vorbei (9.) – das hätte schon die Führung sein können! Nach einer Viertelstunde zog Bellarabi aus dem Stand aus halbrechter Position und 18 Metern ab, doch wieder rauschte die Kugel am Pfosten vorbei. Eine Minute später hatten die Fans den Torschrei schon auf den Lippen: Admir Mehmedi legte nach Sven Benders öffnendem Pass klug zurück, doch Kevin Volland knallte mit rechts vorbei (16.). Erneut eine richtig gute Möglichkeit der zunehmend stürmischen und ballsicheren Werkself, die die Anfangsphase deutlich bestimmte und mit viel Szenenapplaus bedacht wurde.
Doch mit der Effektivität im Abschluss war es erneut nicht weit her. Das zeigte sich vor allem in der Szene in der 25. Minute, als Bayer 04 nach einem Ballgewinn von Charles Aránguiz mit vier gegen zwei angriff, die Überzahl aber nicht präzise genug ausspielte und so die Führung beinahe sträflich liegen ließ. Unmittelbar danach wurde Dominik Kohrs Schuss doppelt geblockt und der Schlenzer von Aránguiz mit links verfehlte das Ziel hauchdünn (26.). Bayer 04 machte klar die Musik in der BayArena, und das nicht zu knapp. Wenig später endlich der längst fällige Lohn für die Werkself: Nach Foul von Bicakcic an Julian Brandt entschied Schiedsrichter Osmers folgerichtig auf Elfmeter, und Wendell knallte den Strafstoß scharf und mit Hilfe des Innenpfostens zur hochverdienten Führung in die Maschen (32.).
Die berechtigte Freude der Fans wurde von einem kollektiven Stöhnen des Entsetzens abgelöst, als Dominik Kohr nach Vollands Hereingabe das scheinbar sichere 2:0 ausließ (38.). Wahnsinn, was die top aufgelegte Werkself alles an Chancen verstreichen ließ! Unmittelbar vor der Pause rauschte Wendells Volleykracher einen halben Meter am Tor vorbei (45.). Hoffenheim war mit dem knappen Rückstand zur Halbzeit bestens bedient – und die Werkself ging unter prasselndem Beifall in die Kabine. „Wir können absolut froh sein, dass es nur 0:1 steht“, sagte Hoffenheims Geschäftsführer Hansi Flick nach 45 extrem einseitigen Minuten und 10:0 Abschlüssen von Bayer 04.
Die zweite Hälfte begann mit einem üblen Nackenschlag aus Sicht der Werkself, als Kramaric mit dem ersten Torschuss der TSG überhaupt das 1:1 glückte (47.). Doch die Werkself schlug unmittelbar und unwiderstehlich zurück: Admir Mehmedi, der auch viele Defensivzweikämpfe gewann, steckte fein für Karim Bellarabi durch, und der traf flach aus der Drehung ins lange Eck zur prompten Antwort und erneuten Führung (49.). Und Bayer 04 blieb dran: Brandt schlenzte mit links drüber (53.), Bellarabi donnerte nach einem Schnellangriff hoch ans Außennetz (58.).
Was die Fans vor allem begeisterte: Bei Bayer 04 kämpfte jeder für jeden, auch die Offensivkräfte machten weite Wege nach hinten, es stand eine echte Mannschaft und Einheit auf dem Platz, die Handschrift von Heiko Herrlich war klar zu erkennen. Umso bitterer der nächste Rückschlag, als Hoffenheim einen Konter durch Uth zum 2:2 abschloss (70.) Der Stürmer war mit einem Schuss an die Unterkante der Latte erfolgreich, nachdem Benny Henrichs zuvor nach einem Kontakt mit Uth gestürzt war und so nicht mehr eingreifen konnte. Bernd Leno war wie schon beim ersten Gegentor ohne jede Abwehrchance. Die TSG erwies sich als brutal effektiv und war auf einmal im Spiel. Leon Bailey löste danach Julian Brandt ab (71.), wenig später nahm Herrlich einen Doppelwechsel vor: André Ramalho und Stefan Kießling kamen für Volland und Mehmedi (77.).
In der Schlussphase musste die Werkself auch ein wenig ihrem gewaltigen Tempo Tribut zollen und es ruhiger angehen lassen. Am Ende reichte die Kraft nicht mehr, um noch mal auf den entscheidenden Punch auszugehen. Doch bei aller Enttäuschung über das Ergebnis wurde das Team von den Fans mit viel Beifall verabschiedet – zurecht nach diesem starken Auftritt!
In der kommenden Woche legt die Bundesliga eine Länderspielpause ein. Bayer 04 bestreitet am Donnerstag, 31. August, um 15 Uhr im Haberland-Stadion ein Testspiel gegen den Zweitligisten VfL Bochum. In der Meisterschaft geht es für die Werkself am Samstag, 9. September, um 15.30 Uhr mit der Partie beim 1. FSV Mainz 05 weiter.
Die Statistik:
Bayer 04: Leno – Tah, S. Bender, Henrichs – Mehmedi (77. Kießling), Kohr, Aránguiz, Wendell – Bellarabi, Volland (77. Ramalho), Brandt (71. Bailey)
TSG Hoffenheim: Baumann – Bicakcic, Vogt, Hübner – Toljan, Zuber (57. Kaderabek) – Rupp (46. Demirbay) – Kramaric, Amiri (75. Grillitsch) – Uth, Wagner
Tore: 1:0 Wendell (32./Foulelfmeter), 1:1 Kramaric (47.), 2:1 Bellarabi (49.), 2:2 Uth (71.)
Gelbe Karten: Wendell – Vogt, Bicakcic
Schiedsrichter: Osmers (Hannover)
Zuschauer: 27.106
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