Entsprechend bedient gab sich der Kapitän nach dem Abpfiff. „Die Mannschaft hat eine gute Reaktion nach dem BVB-Spiel gezeigt, aber dieser Tag ist extrem bitter für uns. Wer so viel liegen lässt, hat es auch nicht verdient zu gewinnen. Wenn die Bayern nach dem Real-Spiel über Schwächen im Abschluss reden, dann gibt’s für unsere mangelnde Effektivität schon gar keinen Begriff mehr. Da brauchen wir gar nicht mehr drüber reden. Mit der Niederlage müssen wir jetzt umgehen, aber das wird nicht einfach nach diesem Spiel“, sagte ein geknickter Lars Bender.
Das Vorhaben der Werkself in der ausverkauften BayArena war klar annonciert: Mit einem Erfolg gegen den VfB sollte der vierte Platz zurückerobert werden, den am Freitagabend die Hoffenheimer mit ihrem Heimsieg gegen Hannover übernommen hatten. Bei diesem Unterfangen musste Trainer Heiko Herrlich ohne seinen Abwehrchef Sven Bender auskommen, dessen muskuläre Probleme einen Einsatz nicht zuließen. Ohnehin fehlten die verletzten Wendell, Tah und Pohjanpalo. Der Chefcoach der Werkself besetzte seine Startformation sehr offensiv und nahm im Vergleich zur Partie in Dortmund gleich sechs Veränderungen vor: Leno, Lars Bender, Jedvaj, Baumgartlinger, Havertz und Bellarabi rückten neu ins Team. Taktisch agierte Bayer 04 in einem 3-4-3 mit dem eigentlichen Sechser Julian Baumgartlinger als zentralem Mann in der Abwehrkette.
Die neuformierte Bayer 04-Elf begann im letzten Topspiel dieser Saison am Samstagabend konzentriert und im Vorwärtsmodus. Zugleich galt es natürlich, den durch die Erfolge der vergangenen Monate extrem selbstbewussten Stuttgartern keine Räume für deren schnelles Umschaltspiel anzubieten – eine gute Balance also war gefragt. Super, wie Kevin Volland nach schöner Kombination im Strafraum auf Karim Bellarabi durchsteckte, da fehlte nur ein Schritt zum erfolgreichen Abschluss (12.). Dann die Riesenchance zur Führung: Schiedsrichter Tobias Welz bemühte den Videobeweis – und es gab mit leichter Verspätung völlig zu Recht Elfmeter für Bayer 04 nach einem Handspiel von Baumgartl nach Ecke von Bailey. Doch Lucas Alario vermochte den Strafstoß nicht zu nutzen und scheiterte vom Punkt an Zieler, der die Ecke ahnte und die halbhoch geschossene Kugel aus dem rechten Eck boxte (16.). Den Abpraller sicherten die Stuttgarter, die allerdings gleich mit fünf, sechs Mann deutlich vor der Ausführung Alarios in den Strafraum gelaufen waren. Absolut verständlich also, dass sich Heiko Herrlich an der Seitenlinie vehement beim vierten Offiziellen beschwerte.
Die Werkself agierte überlegen und versuchte beständig, Druck aufzubauen und mit Tempo und Präzision in den Rücken der Abwehr zu kommen. Das gelang aber nicht so oft wie gewünscht, weil der VfB seinen Ruf bestätigte, dem Gegner durch aggressive Verteidigung und starke Raumaufteilung zwischen den beiden Viererketten nur wenig Chancen zum erfolgreichen Abschluss einzuräumen. Ein Kopfball von Kai Havertz nach Flanke Bellarabi rauschte ebenso deutlich am Pfosten vorbei (21.) wie eine Volleyabnahme mit links von Lars Bender (36.). Ärgerlich, dass Leon Bailey eine Flanke komplett über den Fuß rutschte – da wäre deutlich mehr drin gewesen (38.). Bevor Lars Benders Schuss noch zur Ecke geblockt wurde, war erneut Baumgartl mit der Hand am Ball (44.) – da wäre durchaus wiederum ein Strafstoß für die Werkself fällig gewesen, doch diesmal gab es weder einen Pfiff noch eine nachträgliche Entscheidung auf Elfmeter. Torlos ging es in die Pause.
In der zweiten Hälfte bot sich Leon Bailey das erste dicke Ding. Nach einem schönen von Alario inszenierten Angriff über mehrere Stationen kam der Jamaikaner im Strafraum frei zum Abschluss, Zieler aber parierte seinen Linksschuss (50.). Bayer 04 forcierte seine Bemühungen enorm, das war vom Anpfiff weg zu spüren. Kevin Volland knallte nach Top-Vorarbeit von Bender aus bester Position drüber – das hätte es doch sein müssen (56.)! Die Werkself schraubte jetzt mit Macht an der längst fälligen Führung. Kai Havertz setzte sich gegen drei Mann durch und zog flach ab – Zieler war rechtzeitig unten und parierte (62.). Danach rauschte Alario hauchdünn an Bellarabis scharfer Hereingabe vorbei (65.), ehe Bellarabi völlig allein vor Zieler die Übersicht verlor und am Keeper scheiterte (66.) – nicht zu fassen!
Das rächte sich bitter: Einen Angriff der Gäste bekam die Bayer 04-Abwehr nicht entscheidend geklärt und Gentner traf per Kopf gegen den chancenlosen Bernd Leno zur Stuttgarter Führung (67.). Julian Brandt kam danach für Bellarabi ins Spiel (68.) und Heiko Herrlich setzte mit der Hereinnahme von Stefan Kießling für Baumgartlinger alles auf eine Karte (76.). Kaum auf dem Feld legte „Kies“ auf Alario ab, doch der Linksschuss des Argentiniers aus 18 Metern flog am Dreieck vorbei (78.). Bayer 04 bäumte sich auf, fightete und biss. Brandt brachte die Kugel in Bedrängnis nach innen, der VfB klärte in höchster Not (80.). Eine Welle nach der anderen schwappte auf den Kasten der Schwaben. Kießling tauchte allein vor Zieler auf und versuchte den Torwart zu überlupfen, der den Braten aber irgendwie gerochen hatte (84.). Kohr kam für Lars Bender (86.). Zieler klärte auch gegen Brandts Linksschuss (90.). Und auch Alarios Kopfball in der Nachspielzeit wird eine Beute des VfB-Schlussmannes (90.+3). Es war wie verhext, und kurz darauf war Schluss – Bayer 04 ging als glückloser Verlierer vom Platz.
Für die Werkself geht es mit dem 33. Spieltag und der Partie bei Werder Bremen weiter. Anpfiff im Weserstadion ist am Samstag, 5. Mai, um 15.30 Uhr.
Die Statistik:
Bayer 04: Leno – Jedvaj, Baumgartlinger (76. Kießling), Retsos – L. Bender (86. Kohr), Aránguiz, Havertz, Bailey – Bellarabi (68. Brandt), Alario, Volland
VfB Stuttgart: Zieler – Baumgartl, Pavard, Badstuber, Insua – Gentner, Ascacibar, Aogo, Thommy (46. B. Özcan) – Gomez (86. Donis), Ginczek (78. Kaminski)
Tor: 0:1 Gentner (67.)
Besondere Vorkommnisse: Zieler hält Alarios Handelfmeter (16.)
Schiedsrichter: Welz (Wiesbaden)
Gelbe Karten: Baumgartlinger, Volland
Zuschauer: 30.210
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