UEFA-Cup '88 – Rein­hardts Schuss ins Glück

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Am 6. April 1988 gewann Bayer 04 sein Halbfinal-Hinspiel im UEFA-Cup gegen den Favoriten Werder Bremen mit 1:0. Den Unterschied an jenem Abend machte ein Mann aus, der sonst eher selten in seiner Profikarriere als Torschütze auffällig wurde.

Nach dem Coup gegen den großen FC Barcelona nun also im Halbfinale das deutsche Duell gegen Werder Bremen – die Begeisterung nach Bekanntwerden des Loses hielt sich in engen Leverkusener Grenzen. Es ging nicht nur gegen den Spitzenreiter der Bundesliga, sondern erneut musste die erste Begegnung auf eigenem Platz bestritten werden. Weil es der Terminplan der Bundesliga so wollte, fand zweieinhalb Wochen vor dem UEFA-Cup-Hinspiel gegen den SV Werder das Punktspiel beider Teams im Weserstadion statt – gleichsam als Generalprobe für das Duell in der Vorschlussrunde auf europäischer Ebene. Es war ein spektakulärer Schlagabtausch. Christian Schreier sorgte mit einem Doppelschlag für eine 2:0-Halbzeitführung der Werkself. Doch nach der Pause brodelte Werders Stadion: Der Tabellenführer entfachte einen dauerhaften Sturmlauf und verkürzte durch Karl-Heinz Riedle, ehe Manni Burgsmüller mit zwei Toren in der 86. und 89. Minute für den Sieg des Favoriten sorgte. Dachten zumindest alle, auch Bayer 04-Coach Erich Ribbeck, der nach dem dritten Bremer Tor wutentbrannt die Trainerbank verließ und in den Katakomben verschwand. Er verpasste in der Nachspielzeit einen Freistoß für sein Team aus gut 30 Metern – Tita legte sich die Kugel zurecht und zauberte einen unfassbaren Flatterball aus dem Fuß ins rechte Dreieck zum 3:3-Endstand. „Ich wusste, dass der Tita noch einen reinhaut, was sollte ich mir das anschauen“, sagte Ribbeck nach dem Abpfiff lapidar.

Doch während der Trainer immer noch kochte wegen des verspielten 2:0-Vorsprungs, „hatten wir für uns gemerkt, dass wir durchaus nicht chancenlos sein würden“, wie Torhüter Rüdiger Vollborn in der Rückschau anmerkte. In der Bundesliga fuhr Bayer 04 vier Tage danach einen verdienten 3:2-Sieg gegen Schalke ein und wollte anschließend bei Aufsteiger Hannover 96 nachlegen. Ein Vorhaben, das gründlich in die Hose ging: Die Leverkusener bekamen gehörig den Hintern versohlt und schlichen nach einem üblen 1:6 wie geprügelte Hunde vom Platz. Bayer 04 hatte binnen einer Woche elf Gegentreffer kassiert, nicht gerade beruhigend vor dem anstehenden europäischem Duell mit Werder.

 

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Die beiden Kapitäne Wolfgang Rolff und Mirko Votava beim Shakehand vor dem Anpfiff

Als beide Teams an diesem 6. April, ein Mittwochabend, auf der Baustelle im Haberland-Stadion aufliefen, versprühten 15.000 Zuschauer auf den Rängen nicht unbedingt das, was man prickelndes internationales Flair nennt. Passend zum innerdeutschen Vergleich trug der griechische Schiedsrichter übrigens den Namen Germanikos. So überschaubar wie die Resonanz auf den Rängen blieb auch die Rasanz auf dem Rasen. Werkself wie Werder waren vorrangig darauf bedacht, dass die Null hinten Bestand hatte. Die mit drei Stürmern (Neubarth, Riedle, Ordenewitz) angetretenen Bremer besaßen leichte Vorteile, aber kaum zwingende Chancen. Nach gut einer Stunde die entscheidende Szene der Partie. Erst wurde Christian Schreier, so etwas wie der Bayer 04-Torschütze vom Dienst, nach einem Konter über rechts von Borowka unsanft gestoppt, zog sich eine Leistenverletzung zu und fehlte seinem Team in den folgenden Wochen. Den folgenden Freistoß brachte Florian Hinterberger in den Strafraum, Bremens Kapitän Votava wehrte nur unzureichend ab, Alois Reinhardt zog von der Strafraumgrenze aus der Drehung ab und die halbhoch und scharf getretene Kugel rauschte vom Innenpfosten ins Tor (61.). 1:0 für die Gastgeber, die die Führung anschließend unter Aufbietung aller defensiven Anstrengungen ins Ziel retteten.

Es war ganz sicher das wichtigste Tor meiner Laufbahn und für mich ein wahnsinnig emotionaler Moment
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Erich Seckler im Kopfballduell mit dem Bremer Frank Neubarth

„Ich habe ja als Innenverteidiger nicht viele Tore gemacht, deshalb bin ich auf diesen Treffer auch besonders stolz. Es war ganz sicher das wichtigste Tor meiner Laufbahn und für mich ein wahnsinnig emotionaler Moment. Bremen war ja eine richtige Hausnummer damals und wurde wenig später auch Deutscher Meister“, sagte der Torschütze. Deshalb war jedem bei Bayer 04 auch klar, dass Werder ganz gewiss die Klasse haben würde, den knappen Rückstand im zweiten Treffen auf eigenem Platz zwei Wochen später noch zu drehen. „War das 1:0 ein gutes Ergebnis? Und was ist überhaupt ein gutes Ergebnis gegen eine Mannschaft, die in der zweiten Runde gegen Spartak Moskau ein 1:4 aus dem Hinspiel wettmachte und zu Hause 6:2 gewann?“, lauteten zwei Fragen, die sich Rüdiger Vollborn damals stellte. Bei den Leverkusenern richtete sich an jenem Mittwochabend gedanklich bereits nach dem Schlusspfiff im Haberland-Stadion alles auf dieses Duell ein, das am 20. April im Weserstadion angepfiffen wurde. Es sollte eine Abwehrschlacht werden, die alle Kraft kosten würde.

Die Statistik:

Bayer 04: Vollborn – Hörster – Hinterberger, Seckler, A. Reinhardt – Cha, Schreier (61. Götz), Tita (75. Buncol), Rolff, Täuber – Waas

Werder Bremen: Reck – Sauer – Bratseth, Borowka – Wolter, Votava, Hermann, Otten – Neubarth, Riedle, Ordenewitz (67. Meier)

Tor: 1:0 A. Reinhardt (61.)

Schiedsrichter: Germanikos (Griechenland)

Gelbe Karten: Seckler – Borowka, Neubarth

Zuschauer: 15.000

 

Hier gibt es den TV-Bericht vom Halbfinal-Hinspiel gegen Bremen:

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