Der Wel­ten­bumm­ler

Tho­mas „Tom“ Doo­ley

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Wenn er aus dem Fenster seines Apartments schaut, genießt er jeden Tag aufs Neue die fantastische Aussicht. Unter ihm breitet sich einer der schönsten Golfplätze der Philippinen aus, der Manila Golf and Country Club, dahinter fällt der Blick auf die Skyline von Makati, dem Wirtschafts- und Finanzzentrum des riesigen Inselstaates. Thomas Dooley selbst lebt in Taguig City, noch so eine Großstadt in der Region „Metro Manila“. Er hat‘s noch relativ ruhig angetroffen in seiner Wohngegend. Die knatternden Dreirad-Taxis sind hier nicht zugelassen. Ebenso wenig die „Jeepneys“, die zu Kleinbussen umgebauten Jeeps. „Der Verkehr ist trotzdem eine Katastrophe. Auf vierspurigen Straßen fahren acht Autos nebeneinander. Du hast Staus und Gehupe ohne Ende.“ Willkommen auf den Philippinen!

Dooley weiß, dass er hier ein privilegiertes Leben führt. 80 Prozent der Einwohner leben in Armut, der Kontrast zu seinen eigenen Verhältnissen ist gewaltig. Was also hat ihn hierhin verschlagen? Der 54-Jährige versteht sich als Entwicklungshelfer, will als Cheftrainer der Fußball-Nationalmannschaft Aufbauarbeit leisten. Seit fast zwei Jahren hat der Deutsch-Amerikaner seinen ständigen Wohnsitz auf Luzon, der Hauptinsel der Philippinen. In den USA hatte er einen Filippino trainiert, dessen Vater die Verbindung zum nationalen Fußballverband PFF herstellte. Der suchte einen Nachfolger für den deutschen Trainer Michael Weiß. Dooley, seinerzeit Coach der amerikanischen U23-Auswahl, fand das Angebot interessant, ließ sich auf das Abenteuer ein und hat es bis heute nicht bereut.

Er wusste, dass eine Herkules-Aufgabe auf ihn zukommen würde. Auf den Philippinen ist Basketball die Sportart Nummer eins, dann kommt Boxen. Der Fußball nimmt erst seit rund vier Jahren eine positive Entwicklung. Vor zwei Jahren wurde eine eigene Liga gegründet. Noch ist man weit entfernt von professionellen Strukturen geschweige denn von einer nachhaltigen Nachwuchsarbeit. Der über 7.000 Inseln umfassende Staat hat fast 100 Millionen Einwohner, aber Dooley schätzt die Zahl der Fußball spielenden Kinder und Jugendlichen auf gerade mal 15.000. Logisch, dass die Nationalmannschaft auf internationale Profis wie den für den Zweitligisten Greuther Fürth spielenden Stephan Schröck angewiesen ist, dessen Mutter auf den Philippinen geboren wurde. „Aber der überwiegende Teil meiner Mannschaft würde in Deutschland noch nicht mal in der Vierten Liga einen Verein finden.“

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In der Qualifikation der asiatischen Fußballkonföderation (AFC) für die WM 2018 in Russland sind die „Azkals“ („Straßenhunde“), wie die philippinischen Nationalspieler in der Heimat genannt werden, bereits gescheitert. Trotz zweier noch ausstehender Spiele kann das Dooley-Team in Gruppe H nicht mehr an die beiden Führenden Nordkorea und Usbekistan herankommen. „Wir haben größtenteils ansehnlichen Fußball gespielt, aber als die ganz wichtigen Partien kamen, waren die Spieler dem Druck nicht gewachsen“, sagt Dooley. „Da fehlt dann noch die Qualität.“

Neben sportlichen Aspekten dürften allerdings auch die Reisestrapazen, denen die Azkals ausgesetzt sind, ihren Teil zum Scheitern in der WM-Quali beigetragen haben. Zum Spiel in Nordkorea musste das Team einen 22-stündigen Flug in Kauf nehmen. Am Tag nach der Partie ging es gleich weiter nach Bahrein – die Reise dauerte noch mal 29 Stunden. „Und wenn man bedenkt, dass die meisten Spieler aus Europa kommen und zur Anreise ins eigene Land schon über 20 Stunden Flug in den Knochen haben, sind das alles andere als gute Voraussetzungen.“

Sei‘s drum, Thomas Dooley hat der Ehrgeiz gepackt. Sein Vertrag läuft bis April dieses Jahres. Aber er würde gerne bleiben, die WM in Katar 2022 ist jetzt das nächste große Ziel. Das Potenzial sei da. „Die Entwicklung von Spielern auf den Philippinen muss nun im Vordergrund stehen. Das alles geht nicht von heute auf morgen.“ Da ist Stehvermögen gefragt.

Einen wie ihn scheut so etwas nicht. Dooley hatte schon als Fußball-Profi einen langen Atem, war auf dem Platz als Innenverteidiger, Libero oder Mittelfeldspieler ein Arbeitstier und Kämpfertyp. Einer, der ordentlich hinlangen konnte. 199 Bundesligaspiele bestritt er für den 1. FC Kaiserslautern, den FC Homburg, Bayer 04 und Schalke 04. Dabei hatte er mit 18 noch bei TuS Eintracht Bechhofen in der Kreisliga C gespielt.

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Als er 1994 nach Leverkusen kam, hatte Tom mit dem FCK schon die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal gewonnen. Später wurde er im fortgeschrittenen Fußballeralter mit Schalke noch UEFA-Cupsieger. Für die USA nahm Dooley, Sohn eines Amerikaners und einer Deutschen, 1994 und 1998 an zwei Weltmeisterschaften teil, absolvierte 82 Länderspiele.

Aber die beste Mannschaft, in der er je gespielt habe, sei die Leverkusener der Saison 1994/95 gewesen. „Meine Güte, wir hatten doch fast nur Nationalspieler im Team damals.“ Und dann zählt er auf: „Rudi Völler, Bernd Schuster, Ulf Kirsten, Andreas Thom, Paulo Sergio, Pavel Hapal, Ioan Lupescu, Christian Wörns – das war eine Riesen-Truppe. Eigentlich hätten wir um die Meisterschaft spielen müssen.“ Am Ende sprang trotzdem nur Rang sieben heraus. Immerhin aber bleibt ihm ein Spiel auf ewig in besonderer Erinnerung: der 5:4-Sieg im UEFA-Cup gegen den PSV Eindhoven. „Ich glaube, das ist bis heute eines der spektakulärsten Spiele der Leverkusener Vereinsgeschichte und es war auch meine vielleicht beste Leistung für Bayer 04.“ Neben dem dreifachen Torschützen Ulf Kirsten und Hans-Peter Lehnhoff gelang nämlich auch Tom Dooley ein Treffer gegen Ronaldo und Co.

Dass seine Zeit an der Dhünn schon nach einer Saison wieder abgelaufen war, habe damals an Trainer Erich Ribbeck gelegen. „Er sagte zwar immer, ich sei eigentlich genau der Richtige, aber er stellte mich trotzdem kaum auf.“ Dooley wechselte mit 35 noch mal zu den Königsblauen, holte den UEFA-Cup mit ihnen und ließ die aktive Karriere in den USA ausklingen. Dort gründete der umtriebige gebürtige Pfälzer in Kalifornien die Dooley Soccer University, später sogar seinen eigenen Verein, die Orange County Kings, und war schließlich in der Anfangsphase von Jürgen Klinsmann als US-Nationalcoach dessen Co-Trainer. Zwei seiner drei Kinder leben in den USA, ein Sohn hat sich in der Nähe von Kaiserslautern sesshaft gemacht.

Thomas Dooley hingegen genießt das Weltenbummler-Dasein. Pendelt mehrmals im Jahr zwischen Manila, Kalifornien und der Pfalz. Wie viele zigtausende Flugkilometer mögen sich angesammelt haben in den vergangenen Jahren? „Keine Ahnung“, sagt er, „ich zähle sie nicht. Aber mir gefällt mein Leben so wie es ist.“

Dieses Porträt ist dem Werks11 Magazin #1 aus der Saison 2015/16 entnommen. HIER geht es zum kostenlosen Online-Blätterkatalog.