Im kommenden Jahr feiert Bayer 04 seinen 120. Geburtstag. Das möchten wir zum Anlass nehmen, um heute und in den nächsten Monaten auf bayer04.de regelmäßig einen Blick auf den Fußball unterm Kreuz zu werfen und in erster Linie der Frage nachzugehen: Wie sind wir zu dem Klub geworden, der wir heute sind. In Teil 3 unserer Serie geht es um das soziale Engagement von Bayer 04, das seit jeher zur DNA des Klubs gehört und das in den vergangenen Jahren um zahlreiche Projekte erweitert worden ist.
Der Andrang ist groß. Bis in die Wiesdorfer Fußgängerzone hinein reicht die Schlange. Und das schon eine halbe Stunde bevor die Christuskirche ihre Tür öffnet. An einem Freitagmorgen Mitte Dezember stehen hunderte bedürftige Menschen morgens ab 8 Uhr an, um die für sie gepackten Weihnachtspakete abzuholen. Darunter viele Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern, ältere Frauen und Männer, Alleinerziehende. Auch Frank Linde ist früh vor Ort. Der Koordinator und Projektmanager für den Bereich Soziales bei Bayer 04 hat Verstärkung mitgebracht. Markus Kaiser und Thorsten Stergiou, zwei Fans der Werkself, helfen mit bei dieser Aktion der Leverkusener Tafel. Sie weisen am Eingang der Kirche den Menschen den Weg zu den verschiedenen Ausgabetischen, helfen ihnen beim Hinaustragen der rund 9 Kilogramm schweren Pakete und packen draußen den Inhalt in die mitgebrachten Taschen und Handkarren um. Mehl, Reis, Nudeln, Kaffee, Tee, Schokolade, Konserven, Stollen: Das und einiges andere mehr haben tags zuvor Mitarbeitende des Lebensmittelgroßhändlers METRO in die 1.400 Weihnachtspakete gelegt, die dann von drei Lkw des Technischen Hilfswerks (THW) zur Christuskirche transportiert und dort aufgestapelt wurden.
Finanziert werden die Pakete ausschließlich durch Spenden. „Wir haben schon im vergangenen Jahr mitgemacht“, erzählt Frank Linde. Ein gutes Dutzend Bayer 04-Anhänger – fast alle Teilnehmer des vom Klub angebotenen Kurses „Fußballfans im Training“ – hatten seinerzeit schon am Vortag beim Aufstapeln der Pakete in der Christuskirche angepackt. „Diesmal war die Rekrutierung für diese Arbeit etwas schwierig, weil wir zeitgleich am Donnerstagabend in der Europa League gegen Molde spielten“, sagt Linde. Also habe man sich fürs Helfen bei der Ausgabe einen Tag später entschieden. Auch an diesem Freitag in Wiesdorf sind mehrere Fans im Schichtdienst im Einsatz.
Bayer 04 und die Leverkusener Tafel – das ist schon seit Längerem eine über Jahre gewachsene Beziehung. Im November vergangenen Jahres hatte der Werksklub erstmals vor dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart dazu aufgerufen, Lebensmittelspenden zur BayArena mitzubringen. Die wurden dort von Bayer 04-Fans an den Abgabestellen gesammelt und am nächsten Tag zur Tafel gefahren. In diesem Jahr wurde die Aktion vor zwei weiteren Heimspielen wiederholt. Mit großem Erfolg. Insgesamt wurden fast 1,5 Tonnen an Lebensmitteln und Hygieneartikeln von den Fußball-Fans gespendet. „Wir wissen das Engagement von Bayer 04 und seinen Fans sehr zu schätzen“, sagt Reiner Endlein, der 2. Vorsitzende der Leverkusener Tafel. „Es tut einfach gut, wenn wir bei Aktionen wie den Weihnachtspaketen zuverlässige Gruppen haben, die punktuell helfen und mit anpacken.“
Rund 7.000 Bedürftige mit Ausweisen für die Tafel gebe es aktuell in Leverkusen, berichtet Endlein. Etwa 1.500 davon kommen regelmäßig zu den sechs Ausgabestellen im Stadtgebiet. An diesem Freitag holen sich innerhalb von sieben Stunden rund 800 Menschen ihr Weihnachtspaket ab. Je nach Größe des Haushalts haben manche ein Anrecht auf bis zu drei Pakete. Die Dankbarkeit steht vielen ins Gesicht geschrieben. Manchen aber auch die Scham.
Ähnliche Reaktionen erleben Mitarbeitende von Bayer 04 seit einigen Jahren bei einer anderen Aktion auf dem Marktplatz in Wiesdorf. Rund um den Nikolaustag verteilen sie mit Lebensmitteln und Pflegeprodukten gefüllte Tüten an Obdachlose. Ob 5-Minuten-Terrine, Hustenbonbons, Hautcremes oder Schoko-Weihnachtsmänner: Auch hier wurden alle Artikel über Spenden finanziert, und zwar in diesem Fall Bayer 04-Mitarbeitern. Einen großen Betrag spendete auch die Mannschaft um Kapitän Lukas Hradecky sowie das Trainer- und Betreuerteam. So konnten vor dem Pokalspiel gegen den SC Paderborn am 6. Dezember auf dem Marktplatz 100 Tüten an Obdachlose überreicht werden. „Es ist erschreckend zu sehen, wie viele junge Menschen obdachlos sind“, sagt Linde. „Man spürt Verängstigung und bei einigen auch eine tiefe Enttäuschung.“ Ein Mann habe ihm erzählt, dass er im Wald lebe, weil er keine Lust mehr auf Menschen habe. „Zu viele seelische Verletzungen.“ Da habe er schlucken müssen, sagt Linde.
Aussteiger, Gestrauchelte, ja, auch aus den verschiedensten Gründen Alkoholabhängige: „Es sind in jedem Fall Menschen, die unsere Hilfe brauchen“, sagt Linde überzeugt. Seit fünf Jahren engagiert sich die gemeinnützige Organisation „Kältegang Leverkusen“ in der ehrenamtlichen Obdachlosenhilfe. Und seit vier Jahren wird sie dabei von Bayer 04 unterstützt. Nicht nur mit der Tüten-Aktion auf dem Marktplatz. Auch die Einnahmen aus der Pfandbecher-Spende in der BayArena kommen regelmäßig unter anderem dem „Kältegang Leverkusen“ zugute. Aus Spenden der Fans wurde beispielsweise das Info-Mobil der gemeinnützigen Organisation zum Teil mitfinanziert. Und erst kürzlich übergab Werkself-Kapitän Lukas Hradecky nach dem Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund in der BayArena 140 Decken an die Ehrenamtler der lokalen Obdachlosenhilfe.
„Soziales Engagement gehört seit jeher zur DNA der Bayer AG und ebenso zum Selbstverständnis unseres Klubs“, sagt Meinolf Sprink, Direktor Fans/Soziales bei Bayer 04. Ob lokale, regionale oder internationale Projekte: „Wir setzen auf Kontinuität, denn soziales Engagement muss nachhaltig sein“, so Sprink. Die seit Monaten spürbare Euphorie unterm Kreuz rund um Bayer 04 und die Werkself habe auch den schönen Nebeneffekt, dass soziale Initiativen und Aktionen für den guten Zweck eine höhere Aufmerksamkeit bekommen. Sprink: „Die Menschen hier in Leverkusen, aber auch in der näheren und weiteren Umgebung interessieren sich noch intensiver für uns als Klub, auch für unser Engagement abseits des Platzes. Der Wille, sich selbst einzubringen und bei einem unserer zahlreichen Projekte zu helfen, ist noch stärker geworden.“
Längst eine wunderbare Erfolgsgeschichte ist die Initiative „Einfach Fußball“. Erst kürzlich fand die 6. Auflage des „Einfach Fußball“-Cups für Kinder und Jugendliche mit geistiger Beeinträchtigung in der Ostermann Arena statt. Überall sah man glückliche Gesichter, Mädchen und Jungen, die Spaß am Fußball und Fairplay hatten und viele fleißige Helfer. Die Initiative wurde bereits 2010 von der Bayer AG und Bayer 04 im Zusammenspiel mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ins Leben gerufen. Mittlerweile haben sich vor allem in Nordrhein-Westfalen mehr als 20 Standorte gebildet und der Initiative angeschlossen. Wie immer ging der Erlös des „Einfach Fußball“-Cups auch in diesem Jahr wieder an die Partner-Förderschulen Hugo-Kükelhaus-Schule (Leverkusen), Martin-Buber-Schule (Leichlingen) und Anne-Frank-Schule (Wipperfürth).
Fester Bestandteil des regionalen Engagements ist auch der seit 2007 von der Bayer 04 Sportförderung gGmbH ausgelobte Ehrenamtspreis, der in diesem Jahr im Rahmen des Heimspiels gegen Borussia Dortmund an die drei Vereine BSV Roleber 1919, TuS 05 Oberpleis und SV 1924 Glehn überreicht wurde. Die Klubs erhielten ein Preisgeld von jeweils 5.000 Euro. Insgesamt hat Bayer 04 bereits 55 Vereine aus den Fußballverbänden Mittelrhein (FVM) und Niederrhein (FVN) mit mehr als 250.000 Euro finanziell unterstützt. „Das Ehrenamt ist ein elementarer Bestandteil des Fußballs“, betont Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bayer 04. „Die ehrenamtliche Tätigkeit eines jeden und jeder Einzelnen im Sport vermittelt und fördert Werte, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind. Der Preis dient nicht nur zur Anerkennung der Gewinner. Wir wollen auch alle anderen Bewerber für ihre tagtägliche Umsetzung von innovativen Projekten würdigen und hoffen, dass sich auch in Zukunft zahlreiche Vereine und Einzelpersonen weiterhin engagieren werden.“
Aber Bayer 04 engagiert sich nicht nur vor der eigenen Haustür. Bestes Beispiel für die grenzenlose, völkerverbindende Kraft des Fußballs ist die Football Club Social Alliance (FCSA). Seit 2009 ist Bayer 04 Mitglied dieses Verbundes von Profi-Fußballklubs, die sich gemeinsam in Krisen- und Entwicklungsgebieten rund um den Globus für Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebensumständen einsetzen. Im Mittelpunkt steht ein Ausbildungsprogramm für Young Coaches, qualifizierte Trainer im Kinder- und Jugendbereich. Als Instruktoren von Bayer 04 haben Peter Quast, Jörg Kappenhagen und Thorsten Judt in den vergangenen Jahren unzählige junge einheimische Trainerinnen und Trainer in Uganda, Kolumbien, Indien, Sudan, Vietnam, Jordanien und vielen anderen Ländern ausgebildet. Zuletzt war das FCSA-Projekt in Ecuador zu Gast und hat dort unter anderem eng mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zusammengearbeitet.
„Es ist Hilfe zur Selbsthilfe, die wir leisten“, sagt Peter Quast. Die Armut und Not der Menschen vor Ort sind oft bedrückend, die Einzelschicksale erschütternd. Geschichten wie die von dem Jungen in Kolumbien, der als Drogenkurier eingesetzt und auf einem Fußballplatz vor den Augen der eigenen Mutter erschossen wurde, weil er einmal seinen Auftrag nicht erfüllt hat, sind schwer zu ertragen. „Das auszuhalten, ist nicht ohne“, sagt Quast. Aber er und Jörg Kappenhagen haben auch andere, rührende Momente erlebt. Eine Frau aus einem kleinen Dorf im Norden Ugandas habe ihm berichtet, sie werde nun als ausgebildeter Young Coach regelmäßig als Expertin zu Talkrunden über die Themen Fußball und Afrika-Cup eingeladen, erzählt Kappenhagen. „In solchen Augenblicken geht mir das Herz auf.“ Schön, wenn der eigene Einsatz zu solchen Ergebnissen führt.
Es sind oft die Reaktionen der bedürftigen Menschen, die auch den Helfenden viel zurückgeben. Die das Engagement zu einem Gewinn in jeder Hinsicht machen. Auch in der Heimat bedarf es dabei nicht immer großer finanzieller Investitionen. Schon kleine Gesten können viel anstoßen. Und manchmal zum Beispiel wertvolle Erinnerungen zurückbringen. Wenn die an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner in Leverkusener Seniorenzentren von Bayer 04 mit einem „Erinnerungskoffer“ besucht werden, wird dies ganz deutlich. Das gemeinsame Singen der Bayer 04-Hymne, Memory-Spiele mit Bildern aus der Klubgeschichte und haptische Dinge wie Trikots, Torwarthandschuhe von Rüdiger Vollborn oder Eintrittskarten vom Champions-League-Finale 2002 in Glasgow wecken bei den Erkrankten Emotionen, regen an, schenken Freude. Für den „Erinnerungskoffer“, ein Projekt von Bayer 04 und dem Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz, sind fast 20 ehrenamtliche Fans der Werkself im Einsatz. Das Projekt ist gerade mit dem zweiten Platz beim „Heimat-Preis“ der NRW-Landesregierung ausgezeichnet worden.
Mit einer Vielzahl von erfolgreichen Initiativen, Aktionen und Projekten hat sich Bayer 04 auch in dem nun zu Ende gehenden Jahr engagiert. Viele davon wie die Bayer 04 Lernkurve, der Bayer 04 Hilft-Tag und die Fußballfans im Training sind längst zu einer Tradition gewachsen. Auch die Unterstützung der Leverkusener Tafel bei der Verteilung der Weihnachtspakete ist auf dem besten Weg dorthin.
Am Ende des Tages war die Aktion für die Bedürftigen ein voller Erfolg. Fast alle der 1.400 Pakete fanden ihre Abnehmer. Allzu viel Zeit für das eine oder andere Gespräch mit ihnen blieb an dem Tag zwischendurch nicht. Die Menschenschlange vor der Christuskirche wurde schließlich im Laufe des Tages nicht kürzer. „Wichtig war, dass wir alle zügig bedienen konnten“, sagt Frank Linde. „Und ein Lächeln dieser Menschen erwärmt auch unser Herz.“