Dino, wie gut kannst du dich noch an die Saison von Bayer 04 vor 20 Jahren erinnern?
Toppmöller: Das ist alles noch sehr präsent. Ich habe als Fan mitgefiebert und mitgelitten, es wirklich krass erlebt. Ich war in der Saison immer hautnah dabei, habe fast alle Spiele gesehen und war fast bei jedem Heimspiel im Stadion. Zu dieser Zeit war ich Spieler beim VfL Bochum und habe mit meinem Vater in Leverkusen quasi in einer WG gelebt. Es war für mich ganz praktisch, um Miete zu sparen. (lacht)
An diesem Samstag, 9. April, jährt sich das Viertelfinal-Rückspiel von Bayer 04 gegen den FC Liverpool. Hast du an dieses 4:2 auch noch spezielle Erinnerungen?
Toppmöller: Die Partie gegen Liverpool ist bis heute das beste Fußballspiel, das ich je gesehen habe. Diese ganze Dramatik war schon für neutrale Zuschauer unbeschreiblich, bei mir kam in dem Moment ja meine emotionale Beziehung zu dem Klub hinzu. Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Dazu erinnere ich mich an die elektrisierende Stimmung in der Arena, da lagen sich wildfremde Menschen in den Armen. Es war sehr besonders.
Wann hast du gespürt, dass diese Werkself in der Champions League sehr weit kommen kann?
Toppmöller: Das Heimspiel gegen den großen FC Barcelona war ein Marker. Bei dem 2:1-Sieg hat jeder gemerkt, wie gut Bayer 04 eigentlich ist. Die Mannschaft kam richtig in den Flow, da waren wahnsinnig viele Highlights dabei. Es waren Festtage in der BayArena.
Du spieltest in dieser Saison mit dem VfL Bochum in der 2. Runde des DFB-Pokals ausgerechnet gegen Bayer 04 und deinen Vater. Was ist von dem 2:3 noch hängen geblieben?
Toppmöller: Wir haben ein super Spiel gemacht, gehen 1:0 in Führung. Ich bin in der Halbzeit eingewechselt worden und hätte das Spiel dann beim Stand von 2:2 entscheiden können, als ich aus sieben, acht Metern zentral zum Abschluss kam. Hansjörg Butt hat ihn gehalten, am Ende gab es ein Tor von Dimitar Berbatov in der Schlussminute – und Bayer 04 kam bis ins Finale. Später hat mein Vater gesagt: ‚Vielleicht hätten wir das Spiel besser verloren, dann hätten wir noch ein paar Körner gehabt am Saisonende.‘
Wie hast du deinen Vater in dieser Phase erlebt, gerade auch an Spieltagen?
Toppmöller: Mein Vater war immer authentisch und an Spieltagen nicht besonders aufgeregt oder so. Er war einfach immer nur voller Vorfreude. Und ja auch Fan seiner Mannschaft.
Beim Nebel-Chaos in Turin soll er aber nicht mehr ganz so locker gewesen sein…
Toppmöller: Ich weiß noch, wie er mich aus Turin anrief und wütete: ‚Dino, die haben uns verarscht. Wir sind in der Nacht mehr als zwei Stunden mit dem Bus ins Hotel gefahren.‘ Ich habe das Spiel dann am nächsten Mittag nach dem Vormittagstraining in Bochum noch in der Kabine gesehen. Mein Vater hat sich tierisch aufgeregt über den abfälligen Spruch von Juve-Trainer Marcelo Lippi. Er sagte zu mir: ‚Im Rückspiel hauen wir die weg, die schießen wir aus der Arena. Hundertprozentig. Und dann werde ich sagen: So leicht hätte ich es mir gegen Juventus nicht vorgestellt.‘ So kam‘s dann ja auch. (lacht)
Welcher Spieler auf Seiten von Bayer 04 hat dich persönlich am meisten beeindruckt?
Toppmöller: Die linke Seite mit Zé Roberto und Placente war schon brutal. (lacht) Das war ja teilweise peinlich für die Gegenspieler, was die mit ihnen gemacht haben. Da gab es jedes Spiel mindestens einen Beinschuss, dazu ‚Balle‘ als Leader im Mittelfeld, Leute wie Calle Ramelow, die eher die Drecksarbeit verrichteten. Ach, es war einfach ein großartiges Kollektiv mit herausragenden Spielern.
Deren Reise immer weiter ging…
Toppmöller: Du hast von Spiel zu Spiel gemerkt, dass du mithältst, eigentlich jeden schlagen kannst. Nach dem Spiel an der Anfield Road in Liverpool hattest du trotz der Niederlage das Gefühl, dass du es schaffen kannst. Und als du Liverpool tatsächlich bezwungen hattest, kam mit Manchester United zu jener Zeit noch mal eine andere, gewaltigere Hausnummer. Aber nach dem 2:2 im Old Trafford wusstet du als Team: Du kannst in diesem Wettbewerb in dieser Saison wirklich jeden schlagen.
Was im Halbfinal-Rückspiel dank der Auswärtstor-Regel nicht vonnöten war.
Toppmöller: Diese Partie habe ich auch vollends abgespeichert. Es war der 30. April, wegen des folgenden Feiertages waren an diesem Abend viele Menschen aus unserer Familie da. Wir haben richtig gelitten auf der Tribüne und mitgefiebert. Ich sehe noch vor meinem geistigen Auge, wie Diego Placente in der 90. Minute den Schuss von Forlan auf der Linie klärt. Wahnsinn. Es war eine verrückte Reise, eine geile Zeit. Ich war ein großer Fan dieser Mannschaft.
Warst du auch beim Finale in Glasgow dabei?
Toppmöller: Na klar, in der Fankurve. Aber direkt nach dem Spiel im Hampden Park ging es wieder heim. Es war eine große Enttäuschung, denn es war ja der letzte mögliche Titel, und wieder wurdest du Zweiter, obwohl du wieder die bessere Mannschaft warst. Da war dann wirklich alles vorbei. Da war nur Leere.
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