Roland, wann und wie ist der Kontakt zu Bayer 04 damals entstanden?
Crump: Seit 1996 arbeite ich als Reiseleiter für deutschsprachige Touristen in England und habe anschließend auch deutsche Journalisten betreut, die auf der Insel über internationale Spiele von Klubs wie Bayern München berichtetet haben. Irgendwann im Jahr 2001 ist Bayer 04 auf mich zugekommen und hat bei mir angefragt, ob ich mich nicht im Rahmen des Champions-League-Spieles beim FC Arsenal um die mitreisenden Medienvertreter kümmern wolle. Das habe ich dann gemeinsam mit Petra Braun-Hahn von der Bayer 04-Presseabteilung auch sehr gerne gemacht.
Was genau waren deine Aufgaben?
Crump: Na ja, ich wartete am Flughafen auf die Ankunft von Bayer 04 und stieg dann in den Bus, der die Medienvertreter zu ihrem Hotel brachte. Unterwegs erzählte ich ein bisschen über die Sehenswürdigkeiten von London, an denen wir vorbeifuhren. Später übersetzte ich dann auch bei den Pressekonferenzen für die deutschen Journalisten vom Englischen ins Deutsche und umgekehrt.
Welche Verbindung hattest du zu Deutschland?
Crump: Ich war in den 70er Jahren erstmals als Jugendlicher zu einem Austausch in Ludwigshafen. Nach meinem Abitur ging ich für ein Jahr nach Deutschland und habe im Allgäu in einem Reha-Zentrum für Menschen mit Behinderung gearbeitet. Dann studierte ich Germanistik und Spanisch an der University of Birmingham. Während meines Studiums lebte ich für ein Jahr in Hamburg, zu der Zeit als Kevin Keegan beim HSV spielte. Mein deutscher Lieblingsverein ab Ende der 80er Jahre war allerdings der FC St. Pauli. Später wurde ich Deutschlehrer in Manchester.
Und was wusstest du über Bayer 04?
Crump: Ich bin seit inzwischen 60 Jahren Fußballfan und habe auch die Bundesliga immer aufmerksam verfolgt. Also war mir natürlich auch Bayer 04 Leverkusen ein Begriff. Aber ich muss gestehen: Sehr viel hätte ich über den Verein Ende der 90er Jahre noch nicht sagen können.
In der Saison 2001/02 sollte sich das ändern. London, Liverpool, Manchester, Glasgow – es ging Schlag auf Schlag. Viermal spielte die Werkself in der Saison 2001/2002 auf der Insel. Welche Erinnerungen hast du an diese Stationen?
Crump: (lacht) Mein erster Auftrag war wie erwähnt das Spiel von Bayer 04 beim FC Arsenal. Und nach dem 1:4 in Highbury hätte ich, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass ich die Leverkusener in dieser Saison noch einmal wiedersehen würde in England. Wie ich mich täuschen sollte! Mein persönliches Highlight-Spiel war das 2:2 von Bayer 04 im Old Trafford. Es gab nach diesem Spiel ein tolles Foto im „Guardian“, das eine Grätsche von Oli Neuville gegen Wesley Brown zeigt. Ich habe mir dieses Foto schicken und dann einrahmen lassen und Neuville nach dem Rückspiel geschenkt.
Manchester war ein Heimspiel für dich…
Crump: Ja, ich wohne nur 20 Gehminuten vom Old Trafford entfernt. Das war natürlich ein besonderes Match für mich. Wobei, das möchte ich deutlich sagen, ich Fan von Manchester City bin. Ich hatte aber schon ein paar Mal bei den Spielen von Bayern München gegen United auf den Pressekonferenzen übersetzt und kannte deshalb Sir Alex Ferguson ganz gut. Als er mich am Tag vor dem Spiel gegen Bayer 04 im Presseraum sah, rief er mir zu: „Hey, Roland, great to see you again!“ Das freute mich. Ein paar deutsche Journalisten sagten vor der PK zu mir, ich müsse eigentlich gar nicht übersetzen, sie könnten ja selbst alle ganz gut Englisch. Hinterher waren sie alle froh, dass ich es doch getan habe, sie hatten nämlich kaum ein Wort von Sir Alex verstanden. (lacht) Ferguson ist ja Schotte aus Glasgow, und sein Akzent hat nur sehr wenig mit dem Englisch zu tun, das die meisten Deutschen in der Schule lernen.
Wie war Ferguson denn im persönlichen Umgang?
Crump: Ich bin immer sehr gut mit ihm klargekommen. Und das, obwohl Ferguson wusste, dass ich City-Fan bin. (lacht) Das hat ihm nichts ausgemacht. Ich habe ihn als humorvollen Menschen kennengelernt. Wir hatten ein professionelles Verhältnis zueinander. Auch für mich war er einer der größten Trainer, die jemals in der Premier League gearbeitet haben.
Er schien vor dem Hinspiel gegen Leverkusen ziemlich siegesgewiss. „I smell the glory“, so zitierten ihn damals einige britische Medien, er rieche also schon den Ruhm Uniteds. Klingt nicht gerade nach typisch britischem Understatement…
Crump: Na ja, vielleicht hat er Bayer 04 tatsächlich etwas unterschätzt. Bis dahin waren stets die Bayern sein Gegner aus Deutschland gewesen. Leverkusen kannte doch kaum jemand auf der Insel. Auch die englischen Journalisten beschäftigten sich insgesamt wenig mit der Bundesliga. Die Erwartungshaltung in Manchester war ganz klar: Das Ding gewinnen wir, wir ziehen ins Finale ein, wer sonst!
Dabei hatte die Werkself doch gerade erst den FC Liverpool ziemlich spektakulär aus dem Wettbewerb geworfen.
Crump: Sicher, aber United war ja nicht Liverpool, zumindest war so das Selbstverständnis der Red Devils. Das Verhältnis zwischen Manchester und Liverpool ist vielleicht ein bisschen so wie das zwischen Köln und Düsseldorf. Die können sich auch nicht riechen.
Für viele Bayer 04-Fans, VIPs und Sponsoren zählten die Reisen nach England und Schottland zu den absoluten Highlights dieser Champions-League-Saison. Hast du diese besondere Lust auf die Insel bei ihnen auch gespürt?
Crump: Ja, absolut. Ich glaube, viele freuten sich auf unsere spezielle Fußball-Kultur. Ich fand es auch immer interessant, Deutschland und England in Sachen Fans miteinander zu vergleichen. In der Bundesliga zum Beispiel sind die Stadien meist schon 20 Minuten vor dem Anpfiff sehr gut gefüllt. Die Stimmung ist fast in jedem Stadion super. In der Premier League ist das nicht überall so. Dafür sind hier bei uns die Gesänge und Lieder humorvoller.
Wie hast du denn die Atmosphäre im Old Trafford, im Theatre of Dreams, dem Theater der Träume erlebt?
Crump: Was die Atmosphäre betrifft: Ich saß bei dem Spiel auf der Pressetribüne und musste mich beim Jubel über die Tore von Bayer 04 natürlich zurückhalten. Ich freute mich also klammheimlich über das gute Spiel und das gute Ergebnis der Leverkusener.
Weißt du noch, wie Ferguson das Spiel analysiert hat?
Crump: Nicht in den Einzelheiten natürlich. Aber er hat immer honoriert, wenn andere Mannschaften guten Fußball gezeigt haben. So auch in diesem Fall nach dem 2:2. Natürlich war er enttäuscht, als sein Team von Bayer 04 dann im Rückspiel aus dem Wettbewerb geworfen wurde. Ich erinnere mich, dass die Pressekonferenz nach dem 1:1 in Leverkusen in die Haberland-Halle verlegt worden war, weil es ein unglaubliches Medieninteresse auch von englischer Seite gab, und der Presseraum im Stadion zu klein war. Ich saß mit Ferguson und Toppmöller auf dem Podium und weiß noch, dass Sir Alex lobende Worte für den Gegner fand und ein fairer Verlierer war.
Bist du im Laufe dieser Zeit auch ein bisschen zum Bayer 04-Fan geworden?
Crump: Ja, auf jeden Fall. Die Mannschaft damals hatte unglaublich viele gute Einzelspieler wie Lucio, Ballack, Schneider oder Bastürk, um nur ein paar zu nennen. Und trotzdem hat sie vor allem als Team so gut funktioniert. Das hat mir sehr imponiert. Ich lernte Menschen aus dem Umfeld der Mannschaft kennen und auch einige Verantwortliche wie Reiner Calmund, auf den sich nach den Pressekonferenzen immer alle Journalisten sofort stürzten. Auch der kollegiale Umgang mit ihnen, den deutschen Journalisten, war einfach nett. Mit Manni Breuckmann, damals Reporter beim WDR, bin ich heute noch befreundet.
Du bist Bayer 04 immer noch eng verbunden und kümmerst dich schon seit vielen Jahren um den englischen Auftritt der Klub-Homepage. Fühlst du dich inzwischen als halber Leverkusener?
Crump: (lacht) Ja, das ist tatsächlich so. In dieser Saison durfte ich auch mal wieder als Dolmetscher arbeiten, als Bayer 04 in der Europa League gegen Celtic Glasgow spielte. Vielleicht klappt es ja in der kommenden Saison auch wieder einmal in der Champions League. Ich drücke jedenfalls die Daumen! Bis heute gab’s keine Duelle zwischen Bayer 04 und Manchester City. Wenn das kommt, sollte ich wohl auf zweimal Unentschieden tippen. In dem Sinne bin ich echt ein halber Leverkusener.
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