#RoadtoGlasgow – OnThisDay: Deportivo La Coruna – Bayer 04 1:3

Ein Sieg in Galizien war Pflicht für Bayer 04, um das Viertelfinale in der Champions League noch erreichen zu können. Bei entsprechender Schützenhilfe von Juventus Turin hätte auch ein Remis gereicht, aber solchen Rechnereien wollte sich Klaus Toppmöller nicht hingeben. Der Trainer überraschte an diesem 20. März 2022 nicht nur den Gegner mit einem ausgeklügelten taktischen Schachzug…
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Ausgangslage

Deportivo La Coruna konnte entspannt in dieses letzte Spiel der Zwischenrunde gehen, die Spanier waren nach ihrem 2:0-Sieg beim FC Arsenal am vergangenen Spieltag bereits sicher für das Viertelfinale qualifiziert. Selbst bei einer Niederlage gegen Bayer 04 wäre das Team von Trainer Javier Irureta zumindest Gruppenzweiter. Ganz anders die Situation für die Leverkusener: Würde der zweitplatzierte und punktgleiche FC Arsenal im Parallelspiel bei Juventus Turin gewinnen, bliebe für die Werkself nur Rang drei. Ein Unentschieden im Norden Spaniens würde nur dann fürs Weiterkommen reichen, wenn gleichzeitig Turin gegen Arsenal gewänne. „Ein Ohr werden wir immer in Turin haben, um flexibel reagieren zu können“, sagte Bayer 04-Coach Toppmöller. Schwarz-Rot reiste nach dem 2:0-Sieg beim VfB Stuttgart, mit dem man am 27. Spieltag die Tabellenführung in der Bundesliga behauptet hatte, zuversichtlich in die galizische Hafenstadt La Coruna. Am Abend vor dem Spiel traf Toppmöller beim Spaziergang an der Uferpromenade der 250.000-Einwohner-Stadt zufällig seinen spanischen Kollegen Irureta. „Ich sprach ihn an, wechselte ein paar Worte mit ihm. Er war unheimlich nett und freundlich“, erinnerte sich Toppi später an die kurze Unterhaltung.  

Spielverlauf

Im Estadio Municipal de Riazor, nur einen Steinwurf entfernt vom rauen Atlantik, verzichtete Irureta sicher nicht aus Freundlichkeit Toppmöller gegenüber zunächst auf Stammkräfte wie Valeron, Fran und Diego Tristan. Er konnte sich die Rotation schlicht leisten, weil seine Mannschaft bereits als Viertelfinal-Teilnehmer feststand. La Coruna, gerade frisch gekürter spanischer Pokalsieger nach einem 2:1-Sieg im Finale gegen Real Madrid, überließ dem Tabellenführer aus Deutschland die Initiative. Die Werkself dominierte die Partie vom Anpfiff weg und kam schnell zu guten Torgelegenheiten durch Michael Ballack, Bernd Schneider und vor allem Yildiray Bastürk, der prächtig von Thomas Brdaric bedient worden war (27.), aber aus vier Metern Deportivo-Keeper Nuno nicht überwinden konnte. Brdaric, den Toppmöller für viele überraschend als einzige Sturmspitze aufgeboten hatte, leistete wenige Minuten später die Vorarbeit zum Kopfballtreffer von Ballack (34.) und hatte selbst kurz vor dem Halbzeitpfiff Pech mit einem Distanzschuss ans Lattenkreuz. Schon zur Pause hätte Bayer 04 höher führen können. Nach dem Wechsel sorgte Bernd Schneider nach Eckball von Ze Roberto schnell für das 2:0 (53.). Auch von Tristans Anschlusstreffer, den Diego Placente unglücklich abgefälscht hatte (75.), ließ sich die Werkself nicht aus dem Konzept bringen. Nach maßgenauer Flanke von Ballack köpfte der eingewechselte Oliver Neuville kurz vor Schluss zum hochverdienten 3:1 für die Leverkusener ein (86.).

Momente des Spiels

Die Entstehung des 1:0 war exemplarisch für den exzellenten Kombinationsfußball, den die Schwarz-Roten an diesem Abend zeigten. Im Mittelfeld setzte sich Ze Roberto nach Zuspiel von Bastürk technisch stark im Zweikampf durch, marschierte übers halbe Feld und bediente in Linksaußen-Position Thomas Brdaric, dessen Flanke Michael Ballack aus fünf Metern per Kopf unter die Latte wuchtete. Technik, Tempo und Entschlossenheit im Abschluss – nach diesem Muster liefen viele Angriffe der Werkself ab. Selbst die Fans von Deportivo honorierten die Leistung der Leverkusener nach dem Abpfiff mit aufrichtigem Applaus.

Spieler des Spiels

Der taktische Schachzug von Klaus Toppmöller, nur mit einem Stürmer zu spielen, war voll aufgegangen, weil Thomas Brdaric diese Rolle perfekt ausfüllte. Er bereitete nicht nur das 1:0 von Ballack vor, sondern war bis zu seiner Auswechselung in der 64. Minute an fast jeder gefährlichen Angriffsaktion der Werkself beteiligt. Er hätte mit einem fulminanten Distanzschuss aus rund 27 Metern ans Lattenkreuz fast ein Tor des Monats erzielt, holte die Ecke vor dem 2:0 raus und lief sich die Lunge aus dem Leib. „Thommy war heute mit seiner Schnelligkeit und Konterstärke genau der richtige Mann“, fand auch Toppmöller.

Stimmen

Beim mitternächtlichen Bankett im Ballsaal des Hotels Melia Maria lobte Manager Reiner Calmund die Mannschaft überschwänglich: „Was ihr hier geleistet habt, ist sensationell. Diesen Triumph schätze ich höher ein als unseren Viertelfinal-Einzug 1998, weil die Gegner, die wir hinter uns gelassen haben, von ganz anderem Kaliber sind als damals.“ Für ihn sei der Einzug in die Runde der letzten Acht der „größte Erfolg seit unserem UEFA-Cup-Sieg 1988“. Gerade mit Blick auf die starke Leistung von Thomas Brdaric betonte Klaus Toppmöller: „Es muss Schluss sein mit dem Gerede von den Stammspielern auf der einen und den Ergänzungsspielern auf der anderen Seit. Dieser Erfolg in La Coruna wird unserem Teamgeist noch einen weiteren Schub vermitteln. Was in der Champions League jetzt noch kommt, ist Schaulaufen.“ Und der vielfach gepriesene Thomas Brdaric erklärte: „Toppi hat mir nach dem Abschlusstraining gesagt, dass ich sein Vertrauen genieße. Und ich denke, ich habe es gerechtfertigt.“

Pressespiegel

Auch die heimische Presse bewertete den Auftritt der Werkself in Galizien durchweg positiv. Der Kicker schrieb: „Eine reife, abgeklärte Leistung Bayers, das sich die Tabellenführung zum Abschluss der Zwischenrunde redlich verdiente. Das war internationale Klasse.“

In der Rheinischen Post hieß es: „Der Tanz geht weiter, nur die Partner ändern sich bei den nächsten Ball-Abenden. Der Sprung ins Viertelfinale der Champions League, die Einkehr in den erlauchten Kreis der acht besten Teams des Kontinents, bedeutet für Bayer Leverkusens Fußballprofis nicht nur einen gewaltigen Imagegewinn und weitere fette Einnahmen, sondern zugleich wohl auch den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte.“

Die Kölnische Rundschau hielt fest: „Mit Siegen wie dem jüngsten beim spanischen Vizemeister zeigt die Bayer-Mannschaft, dass sie mittlerweile auch die nötige Reife für große Erfolge besitzt.“

Statistik

Deportivo: Nuno – Hector (66. Tristan), Cesar, Naybet, Capdevila – Mauro Silva, Duscher (60. Valeron), Djalminha - Pandiani (60. Sergio), Makaay, Amavisca

Bayer 04: Butt – Sebescen (90. Zivkovic), Lucio, Nowotny, Placente – Schneider, Ramelow, Ballack, Ze Roberto, Bastürk (87. Vranjes) – Brdaric (64. Neuville)

Tore: 0:1 Ballack (34.), 0:2 Schneider (53.), 1:2 Tristan (75.), 1:3 Neuville (86.)

Gelbe Karten: Capdevila – Nowotny, Brdaric

Chancenverhältnis: 3:7

Torschüsse: 11:16; aufs Tor: 4:7

Ecken: 3:8

Schiedsrichter: Valentin Ivanov (Russland)

Zuschauer: 22.000

Bilder des Spieltags

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Support

Statt der zuletzt noch 2.500 Fans, die nach London mitgereist waren, waren diesmal nur rund 200 Anhänger der Werkself vor Ort in Spanien dabei. Die Gründe lagen für Bayer 04-„Reisemarschall“ Matthias Grimm vom Reisebüro BaySports Travel auf der Hand: „La Coruna ist schwer zu erreichen, die Tour ist nicht ganz billig, London gerade erst vorbei und das Pokal-Finale in Berlin steht vor der Tür.“ Zur zusätzlichen Unterstützung hatte Bayer 04 seine Traditionsmannschaft nach Galizien eingeladen. Und die erhielt beim Bankett nach dem 3:1-Sieg sogar noch einen Sonder-Auftrag von Reiner Calmund. Sie möge doch bitte „essen und trinken, was sich die Spieler verdient hätten“, die ja leider nicht groß feiern dürften, weil schon drei Tage später die nächste Partie in der Bundesliga anstehe. Dieser Aufforderung kamen Gerd Kentschke, Walter Posner, Heiko Scholz und Co. dann auch gerne nach…

Stand der Dinge: Gruppe D

Weil im Parallelspiel Juventus Turin gegen den FC Arsenal 1:0 gewonnen hatte, war Bayer 04 dank seines 3:1-Erfolges bei Deportivo nun am letzten Spieltag der Zwischenrunde sogar noch auf Platz 1 vorgerückt und gemeinsam mit dem Zweiten La Coruna für das Viertelfinale qualifiziert. Die Auslosung zwei Tage später in Nyon bescherte der Werkself den nächsten englischen Gegner: den FC Liverpool. Das Hinspiel an der Anfield Road war für den 3. April terminiert.

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