Was für eine berauschende Saison die Werkself bis hierhin in allen drei Wettbewerben gespielt hatte! Und nun, Ende April, begann eine Achterbahnfahrt, erlebten Mannschaft, Verantwortliche und Fans ein Wechselbad der Gefühle, in dem größtes Glück und tiefste Trauer nur wenige Tage auseinander lagen. Am 24. April hatte Bayer 04 mit einer fantastischen Leistung beim 2:2 gegen Manchester United im „Theater der Träume“ ganz Europa begeistert. 67 Stunden später wähnte sich dieselbe Mannschaft in einem Albtraum, denn sie hatte gerade mit dem 0:1 beim 1. FC Nürnberg in der Bundesliga die sicher geglaubte Meisterschaft verspielt. Dortmund übernahm am 33. Spieltag die Tabellenführung, die Bayer 04 mehr als zwei Monaten innegehabt hatte. Das Toppmöller-Team konnte auch mit einem Sieg gegen Hertha am letzten Spieltag nicht mehr aus eigener Kraft den Titel gewinnen, sondern war auf Schützenhilfe angewiesen. „Es tut sehr, sehr weh“, gestand der den Tränen nahe Reiner Calmund. „Wir liegen auf den Brettern, kriechen auf dem Zahnfleisch“, sagte der Bayer 04-Manager drei Tage vor dem Halbfinal-Rückspiel gegen Manchester United in der BayArena. Jetzt galt es: Flagge zeigen und die letzten Kraftreserven mobilisieren für den Endspurt. „Persönlichkeiten sind für mich nur diejenigen, die nach Tiefschlägen immer wieder aufstehen“, beschwor Klaus Toppmöller sein Team und erhob das Rückspiel gegen „die vielleicht beste Vereinsmannschaft der Welt“ damit auch in den Rang einer Charakterprüfung.
Manchester United hatte am Wochenende in der Premier League mehr oder weniger mit einer Reservemannschaft 1:0 bei Ipswich Town gewonnen und durfte sich als Tabellendritter immer noch Hoffnungen auf eine Titelverteidigung machen. Schon nach dem 2:2 gegen Bayer 04 im Old Trafford hatte Sir Alex Ferguson die Warnung in Richtung Leverkusen ausgesprochen: „Sie haben schon gefeiert, aber wir werden uns dort viel besser präsentieren.“ Zu Manchesters Delegation zählte unter anderem Englands Fußball-Legende Sir Bobby Charlton. Die Partie fand weltweit Beachtung, für die BayArena hatten sich 300 Medienvertreter akkreditiert, weshalb die neben dem Stadion gelegene Haberland-Halle zum provisorischen Pressezentrum umfunktioniert wurde. Personell konnte Toppi zwar aus dem Vollen schöpfen, allerdings gingen Michael Ballack (Fußprellung) und Jens Nowotny (Schmerzen im Rücken) nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte ins Spiel.
Beide Mannschaften begannen mit nur einer Spitze. Für Bayer 04 stürmte im Vergleich zum Hinspiel trotz eines angebrochenen Zehs Oliver Neuville anstelle von Dimitar Berbatov. Bei den Red Devils musste Ruud van Nistelrooy diesmal zunächst ohne seinen Kollegen im Angriff Ole Gunnar Solskjaer auskommen. Die Partie war in der Anfangsphase geprägt vom vorsichtigen Abtasten beider Teams. Bayer 04 erlebte allerdings einen frühen Schock-Moment: Schon nach zehn Minuten und einem Zweikampf mit van Nistelrooy erlitt Jens Nowotny einen Kreuzbandriss, für ihn kam Zoltan Sebescen. Wenig später die erste große Chance für die Gastgeber, als Bernd Schneider Pech mit einem Pfostenschuss aus 18 Metern hatte (14.). Manchester hielt dagegen, Laurent Blancs Kopfball wehrte Ze Roberto für den bereits geschlagenen Jörg Butt auf der Linie ab (19.). Es entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel, das auf hohem taktischen wie technischen Niveau stattfand. Die Führung für United besorgte Roy Keane nach einem Steilpass von van Nistelrooy (28.). Zum dritten Mal musste die Werkself gegen Manchester einem Rückstand hinterherlaufen. Sie tat dies mit bravourösem Einsatz und belohnte sich kurz vor dem Pausenpfiff, als Oliver Neuville nach Zuspiel von Yildiray Bastürk den Ball von der Strafraumgrenze fast ansatzlos unter die Latte knallte. Der Ausgleich brachte die BayArena zum Kochen (45.).
In der zweiten Hälfte dominierte zunächst Bayer 04, trug Angriff um Angriff vor, kam aber nicht zu den ganz großen Möglichkeiten. Ärgerlich, dass sich Ze Roberto eine unnötige Gelbe Karte wegen Meckerns einfing (67.) und damit für das mögliche Finale gesperrt war. In der Schlussphase machten Giggs und Co. noch einmal Druck. Bayer 04 bewies eine überragende Kampfmoral, stemmte sich mit letzter Kraft gegen einen drohenden zweiten Treffer der Gäste. Kurz vor dem Abpfiff noch einmal eine Schrecksekunde: Diego Forlan schoss nach einer zu kurzen Faustabwehr von Jörg Butt aus 17 Metern aufs leere Tor, Diego Placente stürmte heran und klärte in allerhöchster Not per Kopfball auf der Linie (89.). Danach war Feierabend, und der Jubel in der BayArena grenzenlos. Das Stadion ein Tollhaus! Bayer 04 stand im Finale der UEFA Champions League.
Zunächst die beiden Schocks: Nowotny mit Kreuzbandriss vom Feld, dann die Führung der Engländer durch Keane – es sah nicht gut aus für Bayer 04 nach einer halben Stunde. Aber es folgten ja noch drei Momente, die sich eingebrannt haben ins kollektive Fan-Gedächtnis: der wuchtig-platzierte Schuss von Oliver Neuville zum 1:1, die famose Rettungstat von Diego Placente nach dem Schuss von Forlan und schließlich der Abpfiff, der den Einzug ins Champions-League-Finale besiegelte. Alle drei Szenen hatten unbeschreiblichen Jubel zur Folge. Das schönste Bild des Abends aber lieferte nach dem Spiel das gesamte Team mit seinem Tänzchen am Mittelkreis: 15 hüpfende Männer und mittendrin Klaus Toppmöller, der am höchsten sprang.
Ohne ihn wäre es anders ausgegangen: Weil Diego Placente in der 89. Minute den Schuss von Forlan von der Linie kratzte, blieb es beim 1:1. Aber der Argentinier war nicht nur in dieser Szene voll auf der Höhe. Placente zeigte gegen United einmal mehr eine technisch-taktische Meisterleistung, die von seiner finalen Klärungsaktion gekrönt wurde.
„Jeder war am Ende platt, aber die Aussicht, das Endspiel zu erreichen, hat noch einmal Kräfte freigesetzt“, strahlte Yildiray Bastürk. „Wir haben in Manchester gezeigt, dass wir kämpfen können und auch im Rückspiel Charakter bewiesen.“ Auch Michael Ballack bekannte: „Nach dem Spiel saßen alle völlig fertig in der Kabine. Es war zum Schluss einfach nur noch eine Willensfrage.“ Für Reiner Calmund war angesichts der unglaublichen Kraftanstrengungen aller Spieler klar: „Wir sind mit dem letzten Tropfen Sprit ins Finale eingezogen.“ Ähnlich formulierte es Trainer Klaus Toppmöller: „Die Jungs haben das Letzte aus sich herausgeholt. Ich bin überglücklich, ein Traum ist wahr geworden.“ Meinolf Sprink, damals Sportbeauftragter der Bayer AG, jubelte: „Das ist ein Moment für die Ewigkeit.“ Auch Wolfgang Clement, der damalige Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, freute sich mit Bayer 04: „Ich bin selig. Für die Region ist das eine tolle Sache.“ Tief enttäuscht hingegen zeigte sich Manchesters Coach Sir Alex Ferguson: „Mein Team, das den besten Fußball in England spielt, hat nur zweimal verloren in den 16 Partien dieser Champions-League-Saison und ist trotzdem nicht ins Finale eingezogen“, sagte der gebürtige Glasgower, der dennoch ein Lob für Bayer 04 übrig hatte: „Leverkusen hat eine gute Mannschaft und auch gegen Real eine reelle Chance im Finale.“
Die Rheinische Post schrieb nach dem 1:1: „Das Leverkusener Fußballmärchen ist wahr geworden. … Und obwohl ManU phasenweise den Belagerungszustand ausrief, geriet der Leverkusener Kasten nur ganz selten einmal in ernstliche Gefahr. Bayer verteidigte sich mit einem heroischen Kampf.“ Auch der Kicker hob den „vorbildlichen Kampfgeist“ hervor und hielt fest: „Mit einer starken Leistung zieht Bayer nicht unverdient nach einem hoch spannenden Halbfinale ins Endspiel der Champions League ein.“ Der Kölner Stadt-Anzeiger sah „einen fantastischen Schlagabtausch zwischen Leverkusen und Manchester über 90 Minuten“. Und auch die internationalen Medien würdigten die Leistung der Werkself. Die spanische Marca konstatierte: „Die Deutschen waren besser und deshalb stehen sie verdient im Finale. Leverkusen ist derzeit die Mannschaft mit der besten Form in Europa.“ In Italien schrieb La Gazzetta dello Sport: „Bayer stand wie ein angeschlagener Boxer in der Ecke. Aber ManU schaffte es nicht, diese Mannschaft zu besiegen.“
Bayer 04: Butt – Zivkovic, Lucio, Nowotny (10. Sebescen), Placente – Schneider, Ballack, Ramelow, Bastürk (79. Vranjes), Ze Roberto – Neuville (85. Berbatov)
Manchester United: Barthez – Brown (81. Forlan), Silvestre, Johnsen (61. Irwin) – Scholes, Keane, Butt, Veron, Giggs – van Nistelrooy
Tore: 0:1 Keane (28.), 1:1 Neuville (45.)
Gelbe Karten: Ze Roberto – Butt, Scholes, Irwin, Barthez
Chancenverhältnis: 4:7
Torschüsse: 12:12; aufs Tor: 6:6
Ecken: 4:7
Schiedsrichter: Kim Milton Nielsen (Dänemark)
Zuschauer: 22.500 (ausverkauft)
„Steh auf, wenn du am Boden bist“: Der Song der „Toten Hosen“ dröhnte vor Anpfiff aus den Stadion-Boxen und war das Motto des Abends, das sich die Werkself im Spiel zu Herzen nahm. Auch die Fans standen wie der zwölfte Mann hinter dem Team, hatten den Spielern die 0:1-Niederlage in Nürnberg nicht nur verziehen, sondern munterten Ballack und Co. mit zahlreichen Plakaten auf („Kopf hoch, wir sind stolz auf euch!“).
Auch auf der Insel war man heiß aufs Halbfinal-Rückspiel. Über 2.000 Fans der Red Devils waren mit nach Deutschland gereist, einige hundert davon allerdings ohne Eintrittskarte. In Leverkusen hatte man sich darauf vorbereitet: mit einem erhöhten Polizei-Aufgebot, erstmaligen Vorkontrollen im erweiterten Bereich rund um die BayArena und einer im Haberland-Stadion hochgezogenen Leinwand, damit die weitgereisten Fans ohne Ticket zumindest dort das Spiel verfolgen konnten. Jubeln durften am Ende freilich nur die Bayer-Fans. Und das taten sie in aller Ausgelassenheit. Dass der Leverkusener Ratsherr Gerd Wölwer von den Grünen sich nach dem Schlusspfiff von Trikot sowie Unterhemd befreite und „mit nacktem Oberkörper durch die Reihen tanzte“, war der Rheinischen Post gar eine eigene Meldung wert. „Aber der Politiker, Mitbegründer des 1. Fanclubs von Bayer 04 (1976), befand sich in guter Glückseligkeits-Gesellschaft, in das die Toppmöller-Elf die BayArena verwandelt hatte.“
Gleich am Tag nach dem Halbfinale machte sich Klaus Toppmöller auf den Weg nach Madrid, um im Bernabeu-Stadion live mitzuerleben, mit wem es seine Mannschaft im Champions-League-Finale am 15. Mai 2002 in Glasgow zu tun bekommen würde. Mit dem 2:0-Sieg beim FC Barcelona hatte sich Real Madrid eine hervorragende Ausgangsposition erarbeitet. Im Rückspiel sah Toppi nun ein glanzloses 1:1 zwischen den Königlichen und Barca, womit Real den Finaleinzug perfekt machte. Raul hatte die Führung für die Gastgeber erzielt, der Ausgleich für Barca nach der Pause resultierte aus einem Eigentor von Helguera.
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