Es war ordentlich Druck auf dem Kessel vor dieser Partie gegen Juventus Turin – und zwar auf beiden Seiten. Denn sowohl Bayer 04 als auch die Italiener brauchten unbedingt einen Sieg, um die Chancen aufs Viertelfinale zu wahren. Beide Teams hatten jeweils drei Punkte Rückstand auf Deportivo La Coruna und den FC Arsenal. Ausgerechnet vor diesem wichtigen Spiel war nun auch noch die Personallage hüben wie drüben angespannt. Bei der Werkself fehlten der schwer erkältete Michael Ballack, der verletzte Oliver Neuville (Risswunde am Knöchel) und der gelb-gesperrte Boris Zivkovic. Anstelle des von Bayer 04-Coach Klaus Toppmöller bevorzugten „ersten Sturmes“ – Ulf Kirsten, Oliver Neuville – sollten es diesmal Dimitar Berbatov und Thomas Brdaric richten.
Auch Juves Trainer Marcello Lippi konnte nicht seine Bestbesetzung aufbieten. Gleich drei Abwehr-Stammkräfte fehlten dem Erfolgstrainer, der Juventus zwischen 1994 und 1999 unter anderem zu drei italienischen Meisterschaften und einem Champions-League-Titel geführt hatte. Neben dem französischen Welt- und Europameister Lilian Thuram waren in der Verteidigung Paolo Montero und Mark Iuliano nicht einsatzbereit. Und in der Offensive musste Lippi auf Superstar Alessandro del Piero sowie Edgar Davids verzichten.
Fast wirkte es, als wären die Gäste aus Turin überrascht von den druckvollen, leidenschaftlichen Angriffen der Hausherren. Von der ersten Minute an ließen die Schwarz-Roten in der ausverkauften BayArena keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie heute den Platz als Sieger verlassen würden. Dimitar Berbatov scheiterte früh mit einem Kopfball aus vier Metern am stark reagierenden Gianluigi Buffon (3.). Dass Leverkusens Abwehrchef Jens Nowotny mit einer Knöchelverletzung bereits nach zwölf Minuten ausgewechselt und durch Jurica Vranjes ersetzt werden musste, brachte die Werkself nicht aus dem Rhythmus. Carsten Ramelow rückte in die Viererkette, Vranjes ins Mittelfeld. Dort zogen in der Offensive vor allem Yildiray Bastürk und Ze Roberto die Fäden. Und vorne wirbelte der B-Sturm – Berbatov und Brdaric – die umgebaute Turiner Abwehrreihe durcheinander.
Als nach feinem Zuspiel Berbatovs sein Sturmpartner Brdaric von Zenoni nur durch ein Foulspiel gestoppt werden konnte, verwandelte Bayer 04-Torhüter Jörg Butt den Elfmeter zum 1:0 (24.). Das Toppmöller-Team hätte nach weiteren guten Chancen zur Pause längst höher führen können. Juventus kam zu Beginn der zweiten Halbzeit besser ins Spiel und durch den eingewechselten Igor Tudor zum zwischenzeitlichen Ausgleich (61.). Die Werkself hatte zuvor einige Konterchancen nicht konsequent zu Ende spielen können, zeigte sich aber unbeeindruckt von dem 1:1. Nur zehn Minuten später köpfte Brdaric nach einem Freistoß von Ze Roberto aus sechs Metern zur erneuten Führung ein (71.). Und kurz vor dem Abpfiff war es wieder der Brasilianer, der als Vorbereiter glänzte und den erst sieben Minuten zuvor eingewechselten Marko Babic bediente – der Kroate musste nur noch zum 3:1 einschieben (90.).
Schon das Kopfballtor von Thomas Brdaric zum 2:1 hatte die BayArena in Wallung gebracht. Aber der große Gänsehaut-Moment ereignete sich erst in der Schlussminute. Juventus bekam in Linksaußenposition noch einmal einen Freistoß, war mit Mann und Maus im Leverkusener Strafraum versammelt. Dann ging es blitzschnell: Lucio klärte per Kopf, Ze Roberto verlängerte ebenfalls per Kopfball, Pavel Nedved verschätzte sich, der lauernde Yildiray Bastürk bedankte sich, setzte den losstürmenden Marko Babic ein, der wiederum ein Auge für den links mitgelaufenen Ze Roberto hatte. Der Brasilianer umkurvte den weit aus seinem Tor herausgeeilten Buffon leichtfüßig an der Strafraumgrenze und legte noch mal quer auf Babic – das 3:1 war ein Konter wie aus dem Lehrbuch und nahm endgültig den Druck aus dem Kessel. Was jetzt explodierte, war die Stimmung auf den Rängen.
Ze Roberto glänzte als zweifacher Vorbereiter, brachte die Juve-Abwehr mit seinen Antritten und seinen technischen Kabinettstückchen ein ums andere Mal in Verlegenheit. Seine individuelle Klasse entschied an diesem Abend das Spiel.
„Das war ein Glückstag für Bayer 04 und eines meiner schönsten Fußballerlebnisse“, strahlte Klaus Toppmöller nach dem Spiel. Ein besonderes Lob hatte der Trainer für Stürmer Thomas Brdaric bereit: „Er hat uns in dieser Saison schon so manchen Punkt gewonnen und diesmal bewiesen, dass wir mit ihm einen weiteren starken Angreifer besitzen, auf den Verlass ist.“
Rudi Völler, damals Teamchef der deutschen Nationalmannschaft, hatte die Partie auf der Tribüne verfolgt und zeigte sich sogar etwas überrascht. „Eine tolle Leistung, die so nicht zu erwarten war. Der zweite Anzug bei Bayer passt besser als der von Juve.“ Michael Skibbe, sein Assistent beim DFB, fand: „Das war ein hervorragendes Spiel mit einem hoch verdienten Sieger.“
Bayer 04-Manager Reiner Calmund wusste natürlich, warum die Werkself wieder einmal so überzeugen konnte: „Unsere Mannschaft hatte nichts zu verlieren. Sie hat keinen Druck gespürt und herzerfrischend aufgespielt. Es war wundervoll.“
Und Juve-Trainer Marcello Lippi, der sich vor und nach dem 4:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Bayer in Turin so überzeugt von der eigenen Überlegenheit gezeigt hatte, musste nun geknickt zugeben: „Wir haben nicht zu unserem Spiel gefunden und in der ersten Halbzeit zu viele Fehler gemacht. Es ist eine große Enttäuschung. Bei Leverkusen gibt es einen großen Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsleistung.“
Die italienischen Medien gingen nach dem 1:3 von Juventus bei Bayer 04 hart ins Gericht mit dem Team von Marcello Lippi. Die Corriere dello Sport schrieb: „Juventus, Schande in Leverkusen, Abschied von Europa. Lippis Mannschaft bricht in Deutschland zusammen.“ Tuttosport sah „eine demütigende Niederlage in Leverkusen“. Deutlich wurde auch die Repubblica: „Eine charakterlose Mannschaft unterliegt Bayer Leverkusen. Die Deutschen haben den Sieg vollkommen verdient.“ Und La Stampa verstand die (Fußball-)Welt nicht mehr: „Es ist schwer zu glauben, dass Italiens prestigeträchtigster Klub, eine Liga, die die besten Spieler der Welt kauft, die Spielqualität eines europäischen Zweitligisten zur Schau stellt.“
Ganz anders natürlich war der Tenor in der deutschen Medienlandschaft. „Bayers Fußball-Feuerwerk der Extraklasse“, titelte die Kölnische Rundschau und schrieb weiter: „Es lag Schwerstarbeit hinter den Bayer-Profis, die allerdings schon lange nicht mehr so spielerisch leicht bei ihnen ausgesehen hatte. Denn von Beginn an hatten sie brillant aufgespielt und Juventus Turin, die große alte Dame des italienischen Fußballs, nach allen Regeln moderner Fußballkunst entzaubert.“ Der Kölner Stadt-Anzeiger hielt in seinem Kommentar fest: „Für zwei, drei Tage darf Bayer Leverkusen richtig stolz auf sich sein. Der Erfolg in der Champions League über Juventus Turin ist ein Prestigesieg, auch wenn Juve nicht in stärkster Besetzung antrat. Es ist immer noch Juve, Italiens Rekordmeister, dessen Reservespieler für die allermeisten Bundesligavereine unbezahlbar wären.“
Bayer 04: Butt – Sebescen, Lucio, Nowotny (12. Vranjes), Placente – Ramelow, Schneider, Bastürk (90. Kleine), Ze Roberto – Berbatov (83. Babic), Brdaric
Juventus Turin: Buffon – Zenoni, Birindelli, Ferrara, Pessotto (46. Tudor) – Zambrotta, Conte (46. Maresca), Tacchinardi, Nedved – Trezeguet, Amoruso (61. Zalayeta)
Tore: 1:0 Butt (24., FE), 1:1 Tudor (61.), 2:1 Brdaric (71.), 3:1 Babic (90.)
Gelbe Karten: Brdaric, Sebescen, Placente, Babic – Ferrara, Zalayeta, Nedved
Chancenverhältnis: 11:2
Torschüsse: 13:10; aufs Tor: 7:1
Ecken: 9:4
Schiedsrichter: Kim Milton Nielsen (Dänemark)
Zuschauer: 22.500 (ausverkauft)
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: „Ohne Nebel habt ihr keine Chance“, sangen die Bayer-Fans nach dem 3:1-Sieg genüsslich und in Anspielung auf die Partie in Turin ein paar Monate zuvor. So viel Spaß muss sein. Schließlich hatten auch sie, die Anhänger der Werkself, sich schon vor dem Spiel ordentlich ins Zeug gelegt, um für eine angemessen feierliche Atmosphäre in der BayArena zu sorgen. Viele Stunden vor dem Anpfiff hatten sie rote und silberne Folien in der Nordkurve ausgelegt, die – kurz vor dem Spiel entrollt – den Klubnamen darstellten. Eine feine Choreografie als Ouvertüre für einen großartigen Fußballabend.
Reiner Calmund gab sich trotz des beeindruckenden 3:1-Erfolgs gegen Juve zurückhaltend. Nur auf 30 Prozent taxierte der Bayer 04-Manager die Chancen auf das Erreichen des Viertelfinales. Mit einem Sieg bei Spitzenreiter Deportivo La Coruna (10 Punkte), das im Parallelspiel 2:0 beim FC Arsenal gewonnen hatte, wäre das Toppmöller-Team (7 Punkte) definitiv für die K.o.-Runde qualifiziert, weil es punktemäßig aufschließen würde zu den Spaniern, den direkten Vergleich aber für sich entschieden hätte. Bei einem Remis in Galizien müsste man darauf hoffen, dass der Tabellenzweite Arsenal – punktgleich mit Bayer 04, aber im direkten Vergleich im Vorteil – am letzten Spieltag der Zwischenrunde in Turin verlieren würde.
Der Videospiel-Hersteller Electronic Arts (EA) hat zusammen mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) die sechs Nominierten für die Wahl zum Bundesliga-„Spieler des Monats“ November bekannt gegeben – darunter ist mit Florian Wirtz auch ein Werkself-Profi. Fans von Schwarz-Rot können ab sofort abstimmen!
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