Zum ersten Mal traf Bayer 04 in einem internationalen Wettbewerb auf eine türkische Mannschaft. Während die Werkself ihre beiden ersten Gruppenspiele gegen die starken Gegner Olympique Lyon (1:0) und FC Barcelona (2:1) gewonnen hatte, stellte sich die Situation für Fenerbahce Istanbul genau andersherum dar. Die Türken waren mit zwei Niederlagen gestartet (0:3 gegen Barcelona, 0:1 gegen Lyon) und standen vor dem Duell in der BayArena ordentlich unter Druck. „Wir müssen gewinnen und wir werden gewinnen“, prophezeite Fenerbahces Trainer Mustafa Denizli. Auf Leverkusener Seite mahnte Manager Reiner Calmund: „Die Gefahr, dass wir trotz unserer schon erreichten sechs Punkte noch aus unserer Gruppe rausfliegen, ist größer, als viele denken. Die Partie gegen Istanbul ist die schwerste von allen.“
Und „Calli“ schien mal wieder Recht zu behalten. Denn schon nach sechs Minuten ging der türkische Meister durch seinen israelischen Star und Spielmacher Haim Revivo in Führung. Wie schon gegen Barcelona fand die Toppmöller-Truppe schwer ins Spiel. Torhüter Jörg Butt bewahrte sein Team mit einem klasse Reflex nach einem Kopfball von Akdeniz vor einem höheren Rückstand (35.). Im Gegenzug drosch Lucio nach einem seiner typischen Vorstöße und auf Vorarbeit von Michael Ballack den Ball aus 17 Metern humorlos zum Ausgleich in die Maschen (36.). Wenig später traf es die aggressiven Türken erneut hart, als Samuel Johnson nach einem rüden Foul an Carsten Ramelow mit Gelb-Rot den Platz verlassen musste.
Gleich mit Beginn der zweiten Hälfte setzte Bayer 04 die dezimierten Gäste massiv unter Druck. Nach knapp einer Stunde die verdiente Führung für die Hausherren: Jens Nowotny hatte von der linken Außenbahn geflankt, Ulf Kirsten ließ den Ball per Kopf auf Michael Ballack abtropfen und der bezwang Fenerbahce-Keeper Rüstü aus kurzer Distanz zum 2:1 (59.). Bayer 04 hatte das Spiel nun fest im Griff, Kirsten vergab noch eine gute Möglichkeit zum 3:1.
Die Großtat von Torhüter Jörg Butt, der den Kopfball von Akdeniz aus kürzester Distanz mit einer unglaublichen Fußabwehr von der Linie gekratzt hatte, schien nach dem Führungstreffer der Türken der letzte und dringend nötige Weckruf für die bis dahin etwas zu sorglose Werkself gewesen zu sein. Dass kurz nach dem Ausgleich durch Lucios Hammer der Ghanaer Johnson des Feldes verwiesen wurde, bezeichnete Klaus Toppmöller später als „Knackpunkt des Spiels“.
Abräumer, Antreiber und Torschütze: Lucio strahlte einmal mehr eine Präsenz auf dem Platz aus, die selbst den sonst so kritischen TV-Experten und Weltmeister Paul Breitner nach der Partie vom Brasilianer schwärmen ließ: „Ich könnte ihm 24 Stunden am Tag zuschauen.“
Für Klaus Toppmöller war es „ein Arbeitssieg, mehr nicht“. Der Coach trat nach dem dritten Dreier im dritten Gruppenspiel auf die Euphorie-Bremse: „Wir haben nichts erreicht, es kann noch viel passieren.“ Reiner Calmund zeigte sich dennoch erleichtert und fand: „Zu Beginn haben wir etwas zu pomadig gespielt. Uns hat es gutgetan, dass die Istanbuler Spieler ein hohes Maß an Aggressivität in die Partie gebracht haben, so mussten wir uns wehren und haben die Kurve noch gekratzt.“ Lucio gab sich trotz seines starken Auftritts wie immer bescheiden und selbstkritisch: „Ich habe erst ein richtig gutes Spiel für Bayer gemacht, in Lyon. Ich werde versuchen, mich zu verbessern.“
Der Kölner Stadt-Anzeiger hob nach dem 2:1-Sieg hervor: „14 Pflichtspiele ist Leverkusen seit Saisonbeginn ungeschlagen, zehn Siege sprangen in dieser Zeit heraus. Vor allem die Fähigkeit, Rückstände wettzumachen, ist eine neue Qualität der Elf der einstigen Zauderer.“ Für die Rheinische Post war „die Option auf das Erreichen der Zwischenrunde in der Champions League zwar noch nicht gezogen, liegt aber zumindest griffbereit in der Tasche“. Und die Kölnische Rundschau konstatierte, dass „Bayers Bilanz unter Toppmöller nach 14 Spielen ohne Niederlage inzwischen mehr als beeindruckende Formen annimmt“.
Bayer 04: Butt – Schneider, Nowotny, Lucio, Placente – Ramelow, Bastürk, Ballack, Ze Roberto (90. Vranjes) – Kirsten (86. Sebescen), Neuville (68. Berbatov)
Fenerbahce: Rüstü – Mirkovic, Ümit Özat, Ogün (79. Akin), Meric – Akdeniz, Lazetic (79. Günes), Johnson, Abdullah – Rapaic, Revivo (64. Bayraktar)
Tore: 0:1 Revivo (6.), 1:1 Lucio (35..), 2:1 Ballack (59.)
Gelbe Karten: Placente, Nowotny – Ogün, Revivo, Rapaic, Akdeniz, Ümit Özat
Gelb-Rote Karte: Johnson (38.)
Chancenverhältnis: 10:3
Torschüsse: 12:3; aufs Tor: 7:3
Ecken: 4:2
Schiedsrichter: Alain Hamer (Luxemburg)
Zuschauer: 22.500 (ausverkauft)
Schon einige Wochen vor dem Spiel war die BayArena restlos ausverkauft. Viele Fans von Fenerbahce hatten bereits zum zweiten Mal eine weite Anreise nach Leverkusen auf sich genommen, weil die für den 11. September angesetzte Partie wegen der Terroranschläge auf die USA kurzfristig verschoben worden war. Rund 3.000 Anhänger des türkischen Meisters stimmten sich schon Stunden vor dem Anpfiff in der Wiesdorfer Fußgängerzone auf die Partie ein (siehe Extra-Artikel dazu). Gelb-Blau, die Vereinsfarben von Fenerbahce, waren auch später im Stadion stark vertreten, wenngleich spätestens in der zweiten Halbzeit die knapp 20.000 Bayer 04-Fans stimmlich eindeutig die Oberhand gewannen.
Nach dem dritten Sieg im dritten Spiel blieb Bayer 04 mit drei Punkten Vorsprung vor dem FC Barcelona Tabellenführer. Die Katalanen hatten ihre Partie zu Hause gegen Olympique Lyon mit 2:0 gewonnen. Am 17. Oktober würden die Schwarz-Roten nun auswärts im Camp Nou auf Kluivert, Xavi und Kollegen treffen.
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