Patrik Schick hat im zweiten Jahr bei Bayer 04 bereits 20 Saison-Tore auf dem Konto – kein ausländischer Profi hat in Schwarz und Rot jemals mehr erzielt. Im Interview mit dem Werkself Magazin macht der Stürmer, der gerade eine Wadenverletzung auskuriert, aber deutlich, dass ihm persönliche Statistiken weit weniger am Herzen liegen als zwei andere große Ziele.
Patrik, dein außergewöhnlicher Treffer aus 45 Metern Distanz bei der vergangenen EM für Tschechien gegen Schottland hat es beim Puskas Award der FIFA unter die Top Drei der schönsten Tore im Jahr 2021 geschafft. Wie hast du diese Auszeichnung wahrgenommen?
Schick: Natürlich war ich ziemlich glücklich darüber – bei so vielen spektakulären Toren in aller Welt, die in dem Zeitraum geschossen worden sind. Und es war für mich eine besondere Ehre, unter die letzten Drei gekommen zu sein. Darauf bin ich stolz. Aber wenn ich ehrlich bin, muss ich auch sagen: Ich habe das schon fast wieder vergessen. Nachdem die Zeremonie vorbei war, habe ich kein einziges Mal mehr daran gedacht. Klar war es ein sehr besonderer Treffer, aber am Ende hat er genau so viel gezählt wie jedes andere Tor auch.
Im Dezember des vergangenen Jahres bist du zum Bundesliga-Spieler des Monats gewählt worden.
Schick: Das hat mich sehr gefreut, vor allem, weil ich zu dem Zeitpunkt gerade erst einen Bänderriss im Sprunggelenk auskuriert hatte. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich in der Phase so viele Tore mache, weil es nach einer solchen Verletzungspause meistens eine Weile braucht, bis man wieder in einer Topverfassung ist. Dass es dann so schnell gegangen ist – umso schöner für mich! Die Wahl ist mir sogar mehr wert als der FIFA-Preis, weil es dabei nicht um einen glücklichen Moment ging, sondern um konstant gute Leistungen in einem längeren Zeitraum.
Dich hat zuletzt zum zweiten Mal in dieser Saison eine Blessur ausgebremst, Mitte Februar hast du im Spiel in Mainz eine Muskelverletzung in der Wade erlitten. Dürfen wir damit rechnen, dass du ähnlich stark wie beim vergangenen Mal zurückkommst?
Schick: Jede Verletzung ist anders. Darauf sollte man sich nicht verlassen. Fakt ist aber, dass ich hier sehr gute Voraussetzungen habe, um möglichst schnell wieder auf dem Platz zu stehen. Ich will der Mannschaft helfen, unsere ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Dafür werde ich hart arbeiten.
Bist du selbst überrascht davon, wie gut es in dieser Saison für dich läuft?
Schick: Ja, tatsächlich – ein bisschen wundere ich mich selbst. Ich habe nicht erwartet, dass ich so regelmäßig meine Tore machen würde. Unter dem Strich habe ich in fast allen Spielen getroffen. Eine Phase wie vor dem Stuttgart-Spiel, als ich mal zwei Partien nicht erfolgreich war, hatte ich kaum in dieser Spielzeit. Aber so was kommt immer mal vor, dass man sich schwerer tut und kaum zu Chancen kommt. Es hat sehr gut getan, gegen Stuttgart noch in letzter Minute zu treffen, sonst hätte ich mir da womöglich einen Kopf gemacht.
Florian Wirtz hatte in der Situation ein sehr gutes Auge für dich, ihr harmoniert ohnehin prima.
Schick: Absolut. Für einen Stürmer wie mich ist es ein Geschenk zu wissen, dass in meinem Rücken jemand agiert, der mir mit seinem Spiel und seinen Vorlagen immer wieder Torchancen ermöglicht. Ich habe im Verlauf meiner bisherigen Karriere schon mit einigen sehr guten Fußballern zusammengespielt, aber mit Flo ist das noch einmal eine andere Sache. Ich hatte noch nie einen so jungen Mitspieler mit einer derartigen Klasse.
Gibt es Gründe für deinen hervorragenden Lauf? Hast du irgendetwas Spezielles in deiner Spielweise verändert oder umgestellt?
Schick: Ich habe mir vor dieser Saison fest vorgenommen, künftig unbedingt effektiver zu werden. Dass alles, was ich auf dem Platz mache, möglichst zu einem Ertrag fürs Team führt. Dazu gehört auch, dass ich versuche, einfach zu spielen, mit nur ein, zwei Ballkontakten und nicht so häufig ins Dribbling gehe. Klar gibt es manchmal auch Situationen, wo das sinnvoll ist. Aber grundsätzlich versuche ich, mein Spiel schneller zu gestalten.
Du bist im Oktober zum zweiten Mal Vater geworden. Welchen Einfluss hat die Familie auf deine Leistung?
Schick: Das sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. Meine Familie ist das eine, Fußball das andere. Wenn ich zu Hause bin, spielt die Familie die Hauptrolle, da ist der Fußball weit weg. Und wenn ich auf dem Feld stehe, bin ich voll auf meinen Job fokussiert. Für mich ist es wichtig, daheim völlig abzuschalten.
Für einen großgewachsenen Spieler bringst du eine erstaunliche Geschwindigkeit mit. Du wurdest mit einem Speed von 34,6 Kilometern gemessen.
Schick: Ich gebe nicht so viel auf diese Statistiken. Aber ich bin körperlich gut drauf, das ist sicher auch ein Resultat der sehr guten Arbeit unserer Athletiktrainer. Was das Tempo angeht, hat es natürlich auch immer damit zu tun, welchen Stil wir spielen und welcher Gegner uns gegenübersteht. In einer Partie wie bei unserem 4:2-Sieg gegen Stuttgart, wo der VfB mit zehn Mann tief in der eigenen Hälfte stand, gibt es nicht viel Platz für Sprints. Ich spiele ohnehin lieber gegen die Top-Teams wie Bayern oder Dortmund, weil die ebenfalls offensiv ausgerichtet sind, was mir als Angreifer dann mehr Raum eröffnet. Aber grundsätzlich ist es schon so, dass Schnelligkeit im Fußball eine immer wichtigere Rolle einnimmt.
Du hast in der Hinrunde 40 Prozent aller Werkself-Tore erzielt. Das Fachmagazin „kicker“ hat dir daraufhin Weltklasse-Niveau bescheinigt. Würdest du das so unterschreiben?
Schick: Wenn ich die Zahl meiner Tore sehe, kann man vielleicht zustimmen. Aber ich reduziere meine Leistung nicht allein darauf, wie oft ich treffe, sondern möchte den Zuschauern auch darüber hinaus zeigen, dass ich ein guter Fußballer bin. Aber es ist schon so, dass meine Hinrunde richtig stark war. Sicherlich die beste, die ich jemals gespielt habe.
Hattest du zu Jugendzeiten ein Idol?
Schick: Ich habe immer David Beckham und Cristiano Ronaldo bewundert.
Heute ist für dich Robert Lewandowski der weltbeste Stürmer, hinter dem du in der Torjägerliste aktuell auf Platz zwei liegst. Was zeichnet ihn aus?
Schick: Er steht einfach immer genau da, wo er sein muss. Seine traumhafte Sicherheit im Abschluss, seine Bewegungen im Strafraum, seine Verbindung zu den Mitspielern: Für mich gibt es weltweit keinen Besseren. Einfach unglaublich, wie er Woche für Woche performt und abliefert. Robert hört ja überhaupt nicht mehr auf mit dem Toreschießen.
Bei eurem 7:1-Sieg gegen Fürth, als dir vier Treffer glückten, traf das auch auf dich zu.
Schick: Ja, manchmal kannst du dir das selbst kaum erklären. Ich habe in der ersten Halbzeit wirklich nicht besonders gut gespielt, ich glaube, ich hatte keinen einzigen Abschluss. In der Pause saß ich in der Kabine und dachte darüber nach, was ich in der zweiten Hälfte besser machen könnte. Und auf einmal geht dann alles ganz schnell: zack, zack, zack, zack. Am Ende hätte ich auch gern noch ein fünftes Ding gemacht, aber unser Trainer hatte etwas dagegen und hat mich ausgewechselt (lacht).
Du könntest sogar die Marke von Stefan Kießling knacken, der mit seinen 25 Treffern aus der Spielzeit 2012/13 den Leverkusener Bundesliga-Rekord hält. Ist das ein Ansporn für dich?
Schick: Darüber denke ich nicht nach. Ich will keine Rekorde brechen, das interessiert mich nicht. Ich will einfach nur so viele Tore machen wie möglich. Meine ganze Konzentration zielt darauf ab, mit meiner Mannschaft die Spiele zu gewinnen. Aber natürlich würde ich mich auch nicht dagegen wehren, wenn es denn so käme.
Wie wichtig ist es für dich, in der nächsten Saison mit Bayer 04 in der Champions League zu spielen?
Schick: Das ist schon seit Saisonbeginn unser ganz großes Ziel. Und ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg, das zu schaffen. Wir liegen aussichtsreich im Rennen, aber noch haben wir nichts erreicht. Es sind noch einige Schritte zu gehen.
Als ihr zum Ende der Hinrunde gegen Hoffenheim eine 2:0-Führung in der Schlussphase noch aus der Hand gegeben habt, bist du sehr kritisch mit euch umgegangen und hast eine andere Mentalität auf dem Platz eingefordert.
Schick: Die ist ja inzwischen auch erkennbar. Wir haben in der Winterpause viel geredet und hart daran gearbeitet, es besser hinzubekommen. Gegen Hoffenheim war es das dritte Mal nach den Spielen in Köln und Frankfurt, dass wir ein Spiel kontrolliert und dann einen Zwei-Tore-Vorsprung hergegeben haben. Wenn das einmal vorkommt, okay. Aber in der Häufung darf das nicht passieren. Mittlerweile habe ich ein ganz anderes Gefühl auf dem Platz, die Mannschaft ist definitiv gereift und hat sich zum Guten entwickelt. Der Kopf spielt da eine entscheidende Rolle.
Das Interview ist dem Werkself Magazin #35 entnommen, das im März 2022 erschienen ist. HIER geht's zu den kostenlosen Online-Blätterkatalogen aller bisherigen Werkself Magazine.