Peter Bosz im Jahres-Interview: „Haben vieles gut gemacht“

Ein Jahr unter dem Bayer-Kreuz: Zum Jahreswechsel 2018/2019 übernahm Cheftrainer Peter Bosz die Werkself als Tabellenneunten – und führte sie zusammen mit seinem Trainerteam in der Rückrunde auf Platz vier und damit in die Champions League. In diesen Tagen feiert der sympathische Niederländer sein einjähriges Jubiläum in Schwarz und Rot. Im Interview mit bayer04.de spricht der 56-Jährige über seine Festtage, die Entwicklung seiner Mannschaft im Jahr 2019 und Zielsetzungen im neuen Jahr.
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Herr Bosz, nach den Englischen Wochen und dem abschließenden Spiel in Mainz stehen jetzt auch für Sie ein paar ruhige Tage an. Wie haben Sie das Weihnachtsfest verbracht und was ist für den Jahreswechsel geplant?
Nach dem Mainz-Spiel bin ich erst mit meinen Kindern für zwei Tage weggefahren, anschließend war ich mit meiner Frau bis jetzt also kurz vor Silvester im Urlaub. Silvester feiern wir dann zu Hause in Düsseldorf; ich werde auf dem Balkon stehen und das Feuerwerk genießen. Zu essen gibt es traditionell Fisch und Fleisch vom heißen Stein. Ich habe das in Japan für mich entdeckt und esse gerne mit Stäbchen. Insgesamt wird es eher ein gemütliches Fest. Am 3. Januar geht schließlich auch schon wieder die Vorbereitung auf die Rückrunde los.

Wenn Sie an den Festtagen in einem ruhigen Moment Ihr erstes Jahr unterm Bayer-Kreuz Revue passiert lassen haben, hatten Sie dann ein kleines Lächeln auf den Lippen? Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Ausbeute?
Wenn man das gesamte Jahr betrachtet, dürfen wir sicher ein kleines Lächeln im Gesicht haben. Es ist nicht immer einfach, als Trainer während der Saison einzusteigen (Bosz wechselte zum 1. Januar 2019 zu Bayer 04, Anm. d. Red.). Ich persönlich habe im Fußball zwar viele Erfahrungen machen dürfen, aber diese noch nicht. Wir haben zu Beginn des Jahres die Spielweise geändert, verlangen von den Spielern unter anderem eine andere Fußball-Kondition – das haben die Jungs alles super aufgenommen und umgesetzt. Unter dem Strich haben wir im Jahr 2019 vieles gut gemacht. Mit dem Highlight im Sommer: Als wir alle zusammen am 34. Spieltag auf den vierten Platz gesprungen sind und die Champions League erreicht haben.

Sie betonen immer wieder, dass die Ergebnisse zwar an erster Stelle stehen, Sie aber auch Wert auf die Qualität des Spiels legen. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung in diesem Bereich?
Klar, im Fußball geht es um Ergebnisse und den Erfolg. Aber die Menschen, die ins Stadion kommen und dafür viel Geld bezahlen, haben auch schönen Fußball verdient. Sie sollen nach Hause gehen und mit großer Freude über unsere Spiele sprechen. In diesem Jahr kamen viele Leute zu mir und sagten, dass sie gerne Spiele von Leverkusen schauen, weil sie den Fußball von uns sehr attraktiv finden.

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Peter Bosz über 2019: "Wir dürfen ein kleines Lächeln im Gesicht haben."

Wenn wir an den Früh-Sommer 2019 aus Sicht von Bayer 04 zurückdenken, fällt einem natürlich sofort die tolle Aufholjagd in der zweiten Hälfte der Rückrunde ein. Was hat – mit etwas Abstand betrachtet – den Ausschlag dafür gegeben, dass man am Ende noch Platz vier und damit die erneute Qualifikation für die Champions League erreicht hat?
Die Spieler haben unsere Vorgaben einfach sehr gut umgesetzt. Sie waren fit und frisch, wir sind sehr lange ohne Verletzungen ausgekommen. Es gab auch in der Rückrunde eine Phase, in der wir drei Spiele hintereinander verloren haben. Wir haben in der Phase nicht schlecht gespielt, uns hat aber das letzte Quäntchen gefehlt. Also haben wir uns zusammengesetzt und besprochen, was wir ändern müssen. Am letzten Spieltag hatten wir dann zwar ein bisschen Glück mit den anderen Ergebnissen, aber am Ende stand eben die Champions-League-Qualifikation. Und das ist das, was zählt.

In der neuen Saison ist die Bundesliga an der Spitze enger denn je. Wie bewerten Sie die bisherige Spielzeit 2019/20 Ihrer Mannschaft?
Wir haben in diesem Zeitraum sicher nicht alles schlecht gemacht – auch wenn uns die Niederlagen in Köln und zu Hause gegen die Hertha ärgern. Wir haben in den vergangenen Monaten allerdings viele wichtige Spiele gewonnen. Ich denke da an das Champions-League-Auswärtsspiel in Moskau, vor dem wir sehr viel Druck hatten. Wir überwintern im DFB-Pokal, zudem in der Europa League. Und liegen in der Liga zwei Punkte hinter Rang vier.

Wir wissen, dass Sie ungern über einzelne Spieler sprechen. Aber nach der überragenden Rückserie scheint Kai Havertz im ersten Halbjahr der neuen Saison eine schwierige Phase durchzumachen. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass er im neuen Jahr wieder sein Leistungspotenzial besser abrufen kann – und damit Pfiffe, wie bei seiner Auswechslung im letzten Heimspiel des Jahres gegen die Hertha, wieder der Geschichte angehören?
Kai ist ein hervorragender Spieler, der dem Verein schon sehr viel gegeben hat. Deshalb verstehe ich nicht, warum einige Fans so hart zu ihm waren und ihn ausgepfiffen haben. Er ist 20 Jahre jung, gibt immer sein Bestes. Es ist für keinen Spieler dieser Welt möglich, in jedem Spiel seine Bestform abzurufen – auch für Messi oder Ronaldo nicht. Seit ich hier bin, ist es jetzt das erste Mal, dass Kai nicht sehr gut spielt. Von daher kann ich nicht nachvollziehen, wie man einen eigenen Spieler auspfeifen kann, der sogar aus der eigenen Jugend stammt und zudem ein wirklich netter Junge ist.

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Peter Bosz (l.) über Spielmacher Kai Havertz (M.): "Er hat dem Verein schon sehr viel gegeben!"

Als Außenstehender hat man den Eindruck, dass der Mannschaft in der Hinrunde die spielerische Leichtigkeit fehlt, die sie in der Rückrunde 2018/19 ausgezeichnet hat. Dort schien klar zu sein: Wenn der Gegner zwei Tore erzielt, treffen wir eben drei- oder viermal. Wann ist die Mannschaft wieder so weit?
Wir sind Menschen, keine Maschinen. Wir versuchen natürlich, immer das Beste abzurufen. Aber das gelingt eben nicht immer. Ich kenne meine Spieler jetzt seit einem Jahr. Sie haben eine sehr gute Mentalität, trainieren hart und versuchen in jedem Spiel, das Maximale abzurufen. Wir haben zuletzt nicht so gut gespielt. Aber wir arbeiten hart daran, dort wieder hinzukommen.

Auch wenn die Neuzugänge immer wieder ihr Potenzial angedeutet haben, dauerhaft ist es bis dato keinem gelungen, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Man wird das Gefühl nicht los, dass es Zeit braucht, um das durchaus komplexe Spielsystem unter Peter Bosz zu verinnerlichen. Geben Sie uns da Recht? Oder liegen wir falsch?
Dass jemand vom ersten Tag an wie eine Granate spielt, ist eine Ausnahme. Nach meiner Erfahrung passiert das fast nie. Neuzugänge brauchen Zeit – und die bekommen sie bei mir. Ein Beispiel: Moussa Diaby. Er ist mit 19 Jahren aus Paris zu uns gekommen, spricht weder englisch noch deutsch. Nur Jonathan Tah und ich können mit ihm auf Französisch reden. Ansonsten ist der Junge – rein von der Sprache her – isoliert. Die Kommunikation ist aber nun mal sehr wichtig im Fußball. Deshalb brauchte er Zeit, um hier anzukommen und deshalb wollten wir ihn nach und nach aufbauen. Und man sieht: Jetzt kann er der Mannschaft helfen. Dieselbe Vorgehensweise habe ich auch bei Ajax Amsterdam umgesetzt: Matthijs de Ligt (jetzt Juventus Turin, Anm. d. Red.) oder auch Frenkie de Jong (jetzt FC Barcelona, Anm. d. Red.) haben bei mir nicht von Anfang an gespielt. Aber wenn man sie dann irgendwann nach und nach bringt, zeigen sie ihre Leistungen. Und so werde ich das auch in Zukunft weiterhin angehen.

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Peter Bosz lobt seine Spieler: "Sie trainieren sehr hart!"

Zu Jahresbeginn steht das Trainingslager in La Manga auf dem Plan. Auf was werden Sie in der Vorbereitung besonders Wert legen?
Wir haben insgesamt zwei Wochen Vorbereitung: eine in La Manga, eine in Leverkusen. Das ist nicht viel Zeit vor unserem Start in Paderborn. Aber zu dem Spiel müssen wir wieder fit und frisch sein. Wir wollen, wie in der vergangenen Saison, wieder eine gute Rückrunde spielen.

Sie sind noch in allen drei Wettbewerben vertreten. Im neuen Jahr geht’s auf internationaler Ebene in der Europa League weiter. Welchen Stellenwert haben die beiden Pokal-Wettbewerbe für Sie?
Es gibt in diesen Wettbewerben nicht viele Spiele bis zu einem möglichen Titel. Wir wollen hier im Verein gerne Titel gewinnen, von daher sind diese Wettbewerbe für uns sehr wichtig.

Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wo wird die Werkself nach 34 Spieltagen in der Tabelle der Bundesliga stehen?
Am liebsten natürlich auf Platz eins. (grinst) Aber man muss auch realistisch sein: In Deutschland haben wir mit Bayern München einen sehr großen Verein, Leipzig und Dortmund folgen normalerweise dahinter. Die Bundesliga ist sehr stark, und viele Vereine streiten sich um die europäischen Plätze – dazu gehören auch wir. Unser Ziel ist die Top vier.

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