Fernando Carro: „Ich schaue immer nach oben“

Seit dem 1. Juli 2018 ist Fernando Carro als Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH tätig. Der gebürtige Spanier hat sich innerhalb kurzer Zeit als meinungsstarker Manager in der deutschen Fußballbranche etabliert. Das Wort des gelernten Kaufmannes und Wirtschaftsingenieurs hat Gewicht – und der frühere Konzern-Lenker scheut nicht die klare Ansage. Der 56-Jährige ist aber nicht nur ein Mann der deutlichen Worte – sondern ein überaus zugewandter, amüsanter Gesprächspartner. Das Werks11 Magazin hat ihn für die neue Ausgabe, die ab sofort erhältlich ist, zum Interview getroffen.
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Herr Carro, Sie haben in Ihrem Berufsleben schon viel erlebt. Dennoch: Ist diese Corona-Pandemie die herausforderndste Situation, der Sie sich in Ihrem Berufs- oder vielleicht auch im Privatleben stellen mussten?
Carro: „Ich bin eigentlich ein großer Freund von Herausforderungen. In schwierigen Situationen habe ich mich schon immer wohl gefühlt. Es gefällt mir einfach, das hat auch meine Zeit bei Bertelsmann geprägt, eine komplexe Ausgangslage anzugehen und zu meistern. Die Corona-Pandemie war und ist allerdings schon sehr speziell, weil sich die Herausforderungen zum ersten Mal nicht auf einen Bereich beschränken. Sie betreffen unser ganzes Leben, in allen Bereichen: gesellschaftlich, privat und eben auch beruflich. Das ist einmalig. Aber es ändert nichts an meiner grundsätzlichen Einstellung. Ich nehme es, wie es kommt, bleibe zuversichtlich und versuche gemeinsam mit meinen Kollegen Tag für Tag, das Beste daraus zu machen.“

Was genau macht die Corona-Pandemie so unvergleichlich?
Carro: „Ich glaube, es ist vor allem die Erkenntnis, dass man die Lösung dieser gesamten Lage nicht vollends selbst in der Hand hat. Da bist du als Klubverantwortlicher abhängig von Impfungen, von Politikern, von Entscheidungen mit gesellschaftlicher Tragweite, die woanders gefällt werden und weit über den Sport hinausgehen. Das ist natürlich in manchen Momenten frustrierend, weil man selbst einen geringen Einfluss darauf hat, wann sich das drehen kann. Deswegen würde ich sagen: Ja, wahrscheinlich ist das in beruflicher Hinsicht und rückblickend auf meine nun 56 Lebensjahre die herausforderndste Situation, mit der ich konfrontiert worden bin. Privat ist es für mich sogar noch schwieriger. Ich bin naturgemäß eigentlich ein sehr kontaktfreudiger Mensch, aber das geht zurzeit eben nicht. Ich halte mich seit Monaten sehr streng an alle Vorgaben und treffe meine Freunde beinahe ausschließlich virtuell.“

Wie gehen Sie ganz praktisch damit um?
Carro:
„Ich bin jemand, der auch mit kurzfristigen Entscheidungen oder nicht vorhersehbaren Situationen ohne Probleme arbeiten kann. Wenn man die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unser Leben als Ganzes betrachtet, haben wir durchaus die Möglichkeit, mit diesen Rahmenbedingungen weitsichtig und mit hoffentlich auch positiven Effekten für Bayer 04 zu agieren. Hier liegt eine der speziellen Herausforderungen: in der schwierigen Situation kluge unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die uns weiterbringen. Das reizt mich.“

Einmalig für die Liga ist die Situation, dass keine Zuschauer in den Stadien sein dürfen. Wie sehr belastet das einen Klub? Wie können Sie damit, wie kann Bayer 04 damit umgehen?
Carro:
„Ich kann mich noch gut an das erste Spiel ohne Zuschauer erinnern, in Bremen. Dort sind wir im Parkhaus angekommen, wurden von Marco Bode (Aufsichtsratsvorsitzender von Werder Bremen, Anm. d. Red.) empfangen und mussten dann durch das Stadioninnere zu unseren Plätzen. Einmal ganz rum, weil wir zur anderen Seite mussten. Wir sind durch viele VIP- und Publikum-Bereiche, überall war es dunkel, und es standen die Stühle auf den Tischen, alles war leer: Es war deprimierend. Es ist schade, weil die Zuschauer, die Stimmung, die Emotionen, ein unglaublich wichtiger Teil des Live-Erlebnisses Fußball sind. Diese Dinge fehlen uns am meisten. Wir wären schon froh, wenn nur wenige Fans wieder dabei sein dürften, auch wenn wir dann als Klub draufzahlen müssten. Denn natürlich haben die leeren Plätze auch finanziell signifikante Auswirkungen, aber der wichtigste Faktor ist diese unwirkliche Stille und Leere in den Stadien.“

Pro Heimspiel geht Bayer 04 eine Einnahme im hohen sechsstelligen Bereich verloren.
Carro:
„Es ist alleine in diesem Bereich ein zweistelliger Millionenbetrag, der uns nach dieser Saison an Umsatz fehlt. Deswegen müssen wir versuchen, das zu kompensieren, Kosteneinsparungen zu tätigen – oder eben Transfer-Einnahmen zu generieren, auf die wir ansonsten vielleicht verzichtet hätten oder die wir eben möglicherweise anders verhandelt hätten.“

Oder im Gegenzug eben auf Neuzugänge verzichten.
Carro:
„Exakt. Wir wurden in der Öffentlichkeit kritisiert dafür, dass wir nach dem Verkauf von Kevin Volland und Kai Havertz angeblich zu wenig neue Spieler geholt haben. Es ist schon ein seltsames Schauspiel. Vorher heißt es: Im Fußball muss Demut einkehren, aber wenn ein Klub dann verantwortlich und zurückhaltend agiert, dann ist das auch nicht richtig. Fakt ist: Wir geben gerade in der jetzigen Lage nicht hundert Millionen Euro aus, wenn wir hundert einnehmen. Am Ende müssen wir neben den sportlichen Zielen auch die finanziellen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Wir benötigen dazu einen gesunden Mix aus wirtschaftlicher Stabilität und nachhaltiger Entwicklung, “

© Bayer 04 Leverkusen Fussball GmbH

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert sprach vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie von Einnahmeverlusten in Höhe von zwei Milliarden Euro in zwei Jahren, eine alarmierende Summe. Ist es angesichts dieser prekären Gesamtlage ein Vorteil, einen großen Konzern wie die Bayer AG im Rücken zu wissen?
Carro:
„Es ist auf jeden Fall sehr wichtig in Bezug auf das Thema Liquidität im operativen Geschäft. Die Herausforderung eines normalen mittelständischen Unternehmens, Liquidität zu gewährleisten, haben wir wegen des gemeinsamen Cash-Poolings mit der Bayer AG in der Form nicht. Das mag auf eine gewisse Weise angenehmer sein, dennoch haben wir ähnliche Herausforderungen zu meistern wie alle anderen Klubs. Wir müssen unsere Zahlen im Blick haben und uns jeden Tag Gedanken machen, wofür wir Geld ausgeben und wo wir welches verdienen können.“

DFL-Chef Seifert sprach davon, er hätte den Eindruck, nicht alle Klubs hätten den Ernst der Lage begriffen. Es wäre auch zu wenig passiert, etwa in Sachen Gehälter.
Carro:
„Das ist einfache Mathematik. Da aktuell und auch zukünftig Einnahmen fehlen, werden auch die Kosten entsprechend angepasst werden müssen. Aber das geht bei laufenden Verträgen eben nur mit Zeitverzögerung. Ich gehe schon davon aus, dass bei neuen Verträgen oder auch Verlängerungen die Gehälter runtergehen werden, dass auch Transfereinnahmen nicht mehr zu hoch ausfallen werden. Für absolute Topspieler wird es immer einen Markt geben, aber dahinter werden die Zahlen sinken. Das müssen alle verstehen. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis auch bei den Spielern und ihren Beratern Einzug gehalten hat. Was die Sache nicht einfacher macht: Selbst wenn es diese Erkenntnis gibt, musst du als Klubverantwortlicher die laufenden Verträge erst einmal so akzeptieren, wie sie sind.“

Es sei denn, die Spieler üben freiwilligen Verzicht.
Carro: „Die Spieler verzichten nicht einfach so auf Geld, sondern wollen wissen, wofür das genutzt wird. Das ist auch ihr gutes Recht. Wir haben im Frühjahr gemeinsam mit den Profis einen Gehaltverzicht vereinbart, dabei ging es uns nicht darum, das Geld für unsere Bilanz zu nutzen, sondern um etwa geringfügig Beschäftigte weiter zu bezahlen oder auch, um keine Kurzarbeit anmelden zu müssen. Ursprünglich galt diese Vereinbarung auch über den Sommer hinaus. Aber wenn du auf einmal eine gewaltige Summe für den Transfer eines Spielers einnimmst, kannst du auf der anderen Seite kaum fordern: ‚Ihr müsst jetzt aber auf Geld verzichten.‘ Das muss nach unserem Verständnis alles im Einklang sein. Als der Verkauf von Kai Havertz perfekt war, haben wir als Klub wieder die vollen Bezüge gezahlt. Alles andere wäre meiner Meinung nach nicht konsistent gewesen.“

Wie sieht es international aus? Glauben Sie, dass der deutsche Fußball trotz der Probleme stabiler dasteht als etwa der spanische?
Carro: „Ganz klar, ja. Erstens ist die deutsche Kultur und entsprechend das deutsche Fußball-Management zurückhaltender. Die Deutschen gehen generell vorsichtiger mit Geld um als etwa die Spanier. Ich als Spanier darf das sagen. In der spanischen Liga kalkulieren die Klubs gerne mal risikoreich, sie setzen auf sportliche Erfolge, um mit den daraus resultierenden Einnahmen auch die erhöhten Gehälter bezahlen zu können. Das Problem: Wenn sie dann nicht so erfolgreich sind, ist das Geld nicht vorhanden. In Deutschland ist man da grundsätzlich vorsichtiger. Wir bei Bayer 04 haben unseren Etat auf der Grundlage einer kompletten Saison ohne Zuschauer kalkuliert, auch in den K.o.-Wettbewerben planen wir immer realistisch und zurückhaltend. Dieses Handeln gilt vielleicht nicht für alle, sicher aber für die meisten unserer nationalen Wettbewerber. Deshalb sage ich: Der deutsche Fußball ist im Vergleich besser, solider aufgestellt als andere Ligen.“

Sind Sie zufrieden mit dem neuen Verteilungsschlüssel der DFL?
Carro:
„Ich glaube, das Präsidium hat gute Arbeit geleistet. Es gibt die neue Säule Gleichverteilung, die jedem zeigt, wie viel Solidarität tatsächlich geübt wird. Es gab diese Säule eigentlich schon vorher, aber nicht transparent. Sie nun deutlich erkennbar zu machen, war eine brillante Idee. Und wir sind uns zu 90 Prozent in der Liga einig, dass das Thema Leistung eine wichtige Rolle spielen muss. Es kann und darf nicht so sein, dass es am Ende der Saison egal ist, ob du Fünfzehnter oder Zehnter wirst. Das wäre eine Verzerrung des Wettbewerbs. Deswegen sage ich, generell können wir sehr gut mit dem Ergebnis leben. Ich persönlich würde die Säule Leistung sogar noch stärker gewichten.“

Im Vorfeld der Präsidiumssitzung gab es ein so genanntes G15-Treffen im Frankfurter Airport-Hotel, das maßgeblich auch von Ihnen mit initiiert worden ist. Sie sind, so scheint es, als Quereinsteiger ohne den viel zitierten Stallgeruch mittendrin. Entspricht das Ihrer Rolle oder Ihrem Charakter?
Carro: „Ich bin zwar quer eingestiegen, das stimmt. Aber ich habe nach zweieinhalb Jahren schon das Gefühl, als wäre ich bereits 30 Jahre dabei. Oder zumindest 20. (lacht) Ich bin ein leidenschaftlicher Netzwerker. Ich genieße den Dialog mit den Verantwortlichen der Liga, aber auch in den europäischen Gremien - und bin nebenbei auch überzeugt davon, dort etwas Wesentliches beitragen zu können, auch wenn ich kein Profifußballer gewesen bin. Es ist ja egal, ob man zwei Jahre dabei ist oder zwanzig, diese Differenzierung wird es immer geben.“

Im ständigen Austausch mit den sportlichen Entscheidungsträgern. Fernando Carro mit Sport-Geschäftsführer Rudi Völler...

Wer betont denn diesen Unterschied? Die früheren Profis oder die Öffentlichkeit?
Carro: „Diesen Unterschied gibt es einfach, und er gehört gewissermaßen zum Fußball-System dazu. Die Kompetenzen oder die Erfahrung, die ein Rudi Völler, ein Simon Rolfes oder auch ein Stefan Kießling haben, habe ich nicht – dafür habe ich andere. Das Entscheidende ist: Wenn du als Bundesligaklub in der Lage bist, unternehmerische Kompetenz mit dem sportlichen Wissen und Erfahrungsschatz zu kombinieren und in Einklang zu bringen, bist du grundsätzlich schon einmal gut aufgestellt. Ich denke, diese Dinge, dieses Wissen schnell aufnehmen und adaptieren zu können, gehört zu meinen Stärken.“

Schließlich geht es um mehr als 90 Minuten Fußball.
Carro:
„Das Ex-Profi-Dasein alleine reicht heute für die gestiegenen Anforderungen des Geschäftes nicht mehr aus. Die Vereine haben sich zu Unternehmen entwickelt. Teilweise, wie wir, mit Anschluss an einen Konzern, mehreren hundert Mitarbeitern und internationalen Ansprüchen über sportliche Wettbewerbe hinaus. Da gibt es schon eine ganze Reihe von Aufgabenfeldern, auf denen unternehmerisches Wissen und Erfahrung in diesem Bereich von großem Vorteil sind. Am besten, man hat all dies und war Fußballprofi.“ (lacht)

Es mehren sich die Stimmen, auch aus anderen Vereinen, die sagen: Wir haben Bedenken, ob der Fußball nach Corona wieder so wird wie er war.
Carro: „Wenn ich Bedenken habe, dann eher in Bezug auf den allgemeinen und schon zuvor gültigen Trend, dass die jüngere Generation anders aufwächst, sich das Nutzungs- und Freizeitverhalten grundsätzlich verändert, und vieles vermehrt am PC stattfindet. Aber vielleicht gehört das auch zum deutschen Wesen, dass man sich immer Sorgen macht und philosophisch-akademisch überlegt. Ich muss ehrlich sagen, ich mache mir die Sorgen im Hinblick auf Stadionbesuche nicht so sehr, sondern glaube, dass das Zuschauerinteresse mittel- und langfristig wieder wachsen wird. Natürlich besteht ein grundsätzliches Risiko, dass die Menschen gemerkt haben: Ich kann am Wochenende auch ohne Fußball auskommen, es geht auch anders. Aber am Ende, wenn es die Möglichkeit des Stadionbesuchs wieder gibt, werden die Fans zurückkommen. Das ist meine feste Überzeugung. Live-Erlebnisse üben einen großen Reiz aus, sie sind durch nichts zu ersetzen. Und das Live-Erlebnis Bundesliga-Fußball ist einfach gewaltig, daran ändert sich aus meiner Sicht vorerst nichts.“

Sie haben im Sommer als Fazit der Saison gesagt: „Anspruch und Realität liegen bei uns auseinander.“ Das war eine klare Aussage. Es sind seitdem fast fünf Monate ins Land gezogen. Wie bewerten Sie es jetzt in der Rückschau?
Carro:
„Das ist prinzipiell abgehakt, denn wir befinden uns bereits wieder mittendrin im Wettbewerb und das Schöne ist, dass es immer wieder Gelegenheiten geben wird, gesetzte Ziele zu erreichen. Abgesehen davon habe ich meine Meinung nicht geändert. Also ich kann mit der vergangenen Saison nicht zufrieden sein, weil wir unserem Anspruch nicht gerecht geworden sind. Wir wollten die Champions League erreichen, das haben wir nicht geschafft. Wir waren zwar im Pokalfinale und sind näher herangerückt an unseren Traum von einem Titel. Aber am Ende zählen die harten Fakten. Im Innersten meines Herzens habe ich schon immer nach oben geschaut und nicht nach unten.“

Und wie bewerten Sie die laufende Saison?
Carro: „Also ich finde, die Mannschaft hat in vielen Spielen die nötige Gier gezeigt, unbedingt gewinnen zu wollen. Viele Spieler haben erkannt, dass es an der Zeit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Jungs machen das bis jetzt sehr gut, auch wenn uns die unglückliche Niederlage gegen Bayern München vor Weihnachten etwas ausgebremst hat. Aber wir sind unter dem Strich widerstandsfähiger geworden, das macht mich zuversichtlich.“

Ist das der Schlüssel: Gier?
Carro: „Es geht nicht nur ums Wollen, sondern ums Tun. Immer, wenn ich mit den Spielern spreche, merke ich: Sie wissen, was wir für Ansprüche haben und sie teilen diese. Auch der Trainer ist überaus ehrgeizig.“

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Fernando Carro ist auch regelmäßig bei den Bundesliga-Spielen der Bayer 04-Frauen zu Gast.

Peter Bosz macht den Eindruck, sehr genau zu wissen, was er tut.
Carro:
„Unser Trainer hat eine Menge Erfahrung. Er hat unser Team insgesamt sehr gut durch diese vielen herausfordernden Phasen des vergangenen Jahres navigiert. Dabei musste er insgesamt vier Vorbereitungszyklen steuern, das gab es noch nie. Das Trainerteam war wegen der außergewöhnlichen Belastung ständig zu Anpassungen gezwungen. Trainer haben eine sehr wichtige Führungsaufgabe, müssen am Ende auch ein Stück weit Menschenfänger sein. Auf der einen Seite stehen das Fachliche, die Analyse, der Plan – und auf der anderen Seite die persönliche Beziehung zu den Spielern, die sie über die Kommunikation steuern. Da haben wir, glaube ich, im Jahr 2020 noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht.“

Wie eng ist Ihr Kontakt zur Mannschaft?
Carro: „Eng. Ich bin bei allen Spielen dabei, auch auswärts. Ich bin dazu regelmäßig in der Kabine und tausche mich mit den Spielern, aber auch den Mitgliedern des Staffs aus. Das ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit für Bayer 04, denn in diesem Bereich entscheidet sich letztlich unser Erfolg, und dafür fühle ich mich verantwortlich.“

Weil Sie als Vorsitzender der Geschäftsführung ja auch automatisch für den Sport mit die Verantwortung tragen…
Carro: „Wir sind ein Fußballverein, da sollte der Vorsitzende der Geschäftsführung in sportlichen Fragen auf Ballhöhe sein, zumal die wirtschaftlichen Effekte hier die größten sind. Wenn wir wie zuletzt im Sommer Transfers für Millionen-Summen tätigen, möchte und muss ich eng eingebunden sein. Es geht darüber hinaus vor allem um die großen Linien, die strategischen Fragen, Planungen, Entwicklungen. Wir stimmen uns immer ab, wer mit wem zu welchem Zeitpunkt etwas bespricht. Jeder bringt sich ein, das ist echtes Teamwork.“

Was kann oder sollte ein Fußball-Klub wie die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH darüber hinaus leisten?
Carro: „Wir entwickeln derzeit mit allen Mitarbeitern ein Leitbild mit einer Vision und auch Mission. Unser Hauptaugenmerk gilt natürlich der sportlichen Komponente. Wir wollen unter die Top 16 Europas, das ist das Ziel. Wir wollen zudem im globalen Kontext eine starke Fußballmarke sein, die Verbindung zum Bayer-Konzern noch stärker und zu beiderseitigem Vorteil nutzen. Darüber hinaus haben wir als ein in der Öffentlichkeit stehendes Fußball-Unternehmen, quasi als dritte Säule, gesellschaftliche Verantwortung zu tragen. Hier spielen Themen wie Nachhaltigkeit, ökologische und soziale Komponenten eine wichtige Rolle. Auch mit denen setzen wir uns verstärkt und strukturiert auseinander. “

Ein wichtiger Faktor ist das Thema Internationalisierung. Ist das möglicherweise ein Pfund, das Bayer 04 noch stärker ausspielen kann?
Carro:
„Nicht kann, sondern muss. Gucken Sie sich die großen Klubs an, sie verdienen ihre Anerkennung und letztlich auch ihr Geld damit, dass sie eine große Marke mit internationaler Strahlkraft sind. Wenn du auf so einem Niveau, wo wir sportlich hinwollen, mitspielen willst, dann musst du auch im globalen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit auf Dauer mithalten können. Wir besitzen international durch den Namen Bayer ebenso wie durch unsere sportlichen Erfolge und die vielen lateinamerikanischen Spieler in der Vereins-Historie schon heute einen recht hohen Bekanntheitsgrad. Wir wollen diese vielversprechende Ausgangsposition nutzen, arbeiten schon seit einigen Jahren in Märkten wie China, USA und Lateinamerika zielgerichtet daran. Bislang hatte diese Arbeit vorbereitenden Charakter und lief eher im Hintergrund ab. Das wird sich aller Voraussicht nach bald ändern, auch wenn es für Details an dieser Stelle noch zu früh ist.“

Das eine ist die strategische Ausrichtung, das andere ist der kurzfristige Erfolg. Wie schwer fällt es, jedes Wochenende am Ergebnis auf dem Rasen gemessen zu werden?
Carro: „Ich komme damit klar, wobei es schon manchmal frustrieren kann, diesen direkten Einfluss nicht zu haben. Man kann in der Klubführung eine super Arbeit machen, und die Mannschaft spielt dennoch nicht erfolgreich. Natürlich korreliert es zumeist, aber eben nicht immer. Deswegen muss man mit seiner Arbeit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Team auf dem Rasen bestmöglich abliefert.“

Das heißt?
Carro:
„Spiele gewinnen. Am liebsten jedes einzelne, denn dann hält man am Ende etwas in den Händen.“


Das Interview mit Fernando Carro ist im neuen Werks11 Magazin erschienen. Die aktuelle Ausgabe 29 können Clubmitglieder in diesen Tagen in ihrem Postfach vorfinden. Zudem ist das Heft ab sofort an allen üblichen Ausgabestellen in Leverkusen und Umgebung sowie in allen Bayer 04-Shops zu erwerben. Bayer 04-Fans dürfen sich auf interessanten schwarz-roten Lesestoff freuen – u.a. spricht Lucas Alario im Interview, Sven Bender über sein Karriereende, wir blicken auf das reizvolle Duell in der Europa League gegen die Young Boys Bern hinaus und haben den heute 66-jährigen ehemaligen Werkself-Verteidiger Dietmar Demuth aufgespürt. 

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