Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bayer 04, sagt: „Ich interessiere mich sehr für die Geschichte von Bayer 04 Leverkusen, und Christoph Daum ist ein ganz wichtiger Teil der Historie unseres Vereins. Er hat Bayer 04 emotionalisiert wie kein anderer. Ich erinnere mich genau an die Feiern anlässlich unserer 40-jährigen Bundesliga-Zugehörigkeit, als ich vor unserem damaligen Legenden-Spiel Zeuge seiner Trainer-Ansprache sein durfte. Das war einfach top, genauso wie unsere vielen Gespräche seitdem, in denen wir uns nicht über den Sport ausgetauscht haben. Mein herzlicher Glückwunsch an einen Erfolgstrainer, der nicht nur den deutschen Fußball wesentlich geprägt hat.“
Rudi Völler, dessen Mitgliedschaft im Gesellschafterausschuss von Bayer 04 derzeit aufgrund seiner Tätigkeit für den DFB ruht, betont anlässlich des runden Geburtstags: „Christoph Daum hat den Fußballverein Bayer 04 Leverkusen im Prinzip noch einmal neu erfunden. Mit ihm als Cheftrainer wehte in Leverkusen ein anderer Wind. Christoph hat damals unterm Kreuz ein Feuer entfacht, er hat Entwicklungen vorangetrieben, ohne die Bayer 04 nicht der Klub wäre, der er heute ist.“
Als Deutschland sich 1996 anschickte, in England seinen dritten Europameister-Titel zu gewinnen, unternahm auch Reiner Calmund seinen dritten Versuch. In einem Hotelzimmer in Manchester rückte der damals noch schwergewichtige Bayer 04-Manager seinem Gegenüber dermaßen auf die Pelle, dass der es mit der Angst zu tun bekam. „Ich befürchtete, dass er sich tatsächlich auf meinen Schoß setzen könnte“, beschreibt Christoph Daum die Szene in seiner Autobiografie „Immer am Limit“. Zweimal hatte der Trainer dem Werben Calmunds in den Jahren zuvor widerstanden. Diesmal aber ließ er sich von dessen Wortgewalt und physischer Präsenz buchstäblich überrumpeln. „Es war wie ein Überlebensreflex“, schreibt Daum scherzhaft über die Situation. „Reiner quasselte mir nicht nur ein Kotelett, sondern eine ganze Fleischtheke an die Backe. In dem Moment fühlte ich mich, als wäre ich unter der Last seiner Argumente zusammengebrochen.“
Dabei wollte Daum, der während der EM als Kolumnist für den kicker arbeitete, nach zwei erfolgreichen, aber auch kräftezehrenden Jahren bei Besiktas Istanbul eigentlich ein Jahr Pause machen. Doch bei Bayer 04 musste nach dem in letzter Minute verhinderten Abstieg in die 2. Liga ein Neustart her. Als Trainerkandidaten standen zwar unter anderem die Italiener Nevio Scala und Giovanni Trappatoni auf der Liste. Aber selbst Rudi Völler, der in Leverkusen nach Beendigung seiner aktiven Karriere gerade seinen neuen Job als Sportdirektor angetreten hatte und eine hohe Affinität zu Italien besaß, machte sich für Christoph Daum stark. „Ohne seine Unterstützung in dieser Frage wäre es schwierig für mich geworden, die Personalie Daum durchzusetzen“, bekannte Calmund.
Die Verpflichtung des gebürtigen Zwickauers im Sommer 1996 sollte sich als großer Glücksgriff erweisen. Mit Daum begann eine neue Zeitrechnung in Leverkusen. „Es war ein Meilenstein in der Entwicklung von Bayer 04“, sagte Rudi Völler einst im Werkself-Magazin. „Christoph hat damals hier erst mal ganz viel verändert in den Abläufen und der inneren Struktur. Einige Mitarbeiter und die zweite Mannschaft mussten Platz machen und wurden aus ihren alten Räumlichkeiten umquartiert, alles konzentrierte sich nur noch auf das Profiteam. Und Bayer 04 wurde fortan der größte Konkurrent des FC Bayern München oder Borussia Dortmund. Christoph hat hier unheimlich viel bewirkt und ins Rollen gebracht.“ Daum selbst bezeichnete seine vier Jahre unterm Kreuz in einem Interview mit dem Werkself-Magazin später einmal als seine „beste Zeit, was die Trainerarbeit betrifft“ und Bayer 04 als „den besten Verein, für den ich je arbeiten durfte“.
In Leverkusen gewährte man ihm, der seine Trainerlaufbahn beim 1. FC Köln begonnen und später den VfB Stuttgart zur deutschen Meisterschaft geführt sowie anschließend mit Besiktas Istanbul mehrere Titel in der Türkei gewonnen hatte, viel Gestaltungsspielraum. Daum wusste das zu schätzen und zu nutzen: „Das Tolle an Leverkusen war, dass meine Ideen und Maßnahmen nie im Grundsatz infrage gestellt wurden.“ Er habe sich wie ein Elektriker gefühlt, der einen Wackelkontakt behob. Denn viel mehr sei in Leverkusen gar nicht defekt gewesen. „Die Voraussetzungen waren traumhaft, also fügte ich ein paar Stecker zusammen, und der ganze Laden stand unter Hochspannung.“ Er selbst natürlich auch.
Die Zusammenarbeit mit Reiner Calmund, Rudi Völler, Fußball-Abteilungsleiter Kurt Vossen, dem Sportbeauftragten der Bayer AG Jürgen von Einem und später auch mit Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser trug schnell Früchte. Daum führte den Werksklub gleich in seiner ersten Saison 1996/97 zur Vizemeisterschaft und zur ersten Teilnahme an der UEFA Champions League. Und das gelang ihm mit einer Mannschaft, die nicht unbedingt mit Stars gespickt war. Daum machte Jens Nowotny, den jungen Neuzugang vom Karlsruher SC, zum Kapitän und Abwehrchef. Die damals jeweils 33 Jahre alten Hans-Peter Lehnhoff und Jan Heintze liefen noch einmal zur Hochform auf, der Trainer nannte sie die „älteste Flügelzange der Welt“. Ulf Kirsten, der in der Vorsaison nur achtmal einnetzen konnte und in einer tiefen Krise steckte, wurde am Ende der Spielzeit 1996/97 Torschützenkönig mit 22 Treffern.
Christoph Daum war seinem Ruf als Motivator einmal mehr gerecht geworden. Kirsten packte er mit der Staubsaugervertreter-Nummer: „Der klingelt sechsmal an der Tür und verkauft nix, aber beim siebten und achten Mal ist er erfolgreich, das ist wie bei einem Torjäger.“ Kirsten gewann auch ein Jahr später erneut und zum insgesamt dritten Mal in seiner Karriere die Torjägerkanone. Er weiß, dass er das auch Christoph Daum zu verdanken hat. „Wenn du nur 1,50 Meter groß bist, sagt er dir, dass du in Wahrheit 1,80 Meter groß bist. Und du gehst raus und legst dich mit jedem an, weil du es einfach glaubst.“ Aber nicht nur Spieler hingen an Daums Lippen. Selbst ein renommierter Sportjournalist wie Marcel Reif, der oft vor seinen Reporter-Einsätzen in Leverkusen zur Vorbesprechung in Daums Trainerkabine saß, schwärmte: „Danach war ich jedes Mal genauso Feuer und Flamme für das, was kommen sollte, wie er. Am liebsten hätte ich selbst sofort gespielt.“
So einen wie Daum hätte man sich früher in der Schule als Lehrer gewünscht. Weil seine Begeisterung ansteckte, weil man spürte, wie er für sein Thema brannte. Weil er so viel Leidenschaft, so viel Überzeugung, so viel Energie rüberbrachte in seiner bildhaften Sprache, die jeder verstand und die jeden mitnahm. Seine Metaphern waren nicht immer originell, dennoch packten sie einen, weil Daum ein mitreißender Redner mit viel Sinn für – manchmal auch derben – Humor ist. Ein Menschenfänger par excellence. Als er seine Spieler in Leverkusen auch noch über Scherben laufen ließ, war aus dem großen Motivator der Guru geworden. Daum gesteht in seinem typischen Duktus: „Mich hat es immer ein wenig gestört, darauf reduziert zu werden, denn ich wäre sicher nicht in der Bundesliga gelandet, wenn ich eine Viererkette nicht von einer Fahrradkette hätte unterscheiden können.“
Auf der anderen Seite gefiel er sich in der „Rolle des leicht verrückten Trainers, der gegen den Strom schwimmt und immer für einen markanten Spruch gut ist“. Daum bediente dieses Klischee gerne, sah aber auch das Dilemma. „So wie Felix Magath noch heute als der Medizinball-Schleifer angesehen wird, bekam ich den Selbstdarsteller-Stempel. Mein größtes Problem war, dass ich mich in meinen Rollen verlor – und alle daran teilhaben ließ.“
Daum, der Sprücheklopfer und Lautsprecher, der das Rampenlicht liebt und den Medien liefert, was sie gerne hören und sehen. Spätestens seit dem legendären Wortgefecht 1989 im Aktuellen Sportstudio mit Uli Hoeneß und Jupp Heynckes hatte er sein Image weg. Der Express nannte Daum den „Cassius vom Rhein“ in Anlehnung an Cassius Clay alias Muhammad Ali, der nicht nur ein großer Boxer, sondern eben auch für seine große Klappe berühmt war.
Dabei gab es immer auch den leisen, nachdenklichen, sensiblen Daum, der mit 17 als begabter Maler seine erste Ausstellung gab und Kunst studieren wollte. Der nicht nur ein begnadeter Erzähler und Unterhalter, sondern auch ein aufmerksamer Zuhörer ist. Vielseitig interessiert, neugierig, lernwillig. Er selbst sah sich vor allem immer als Kämpfer. Im Erzgebirge geboren, erlebte Daum seine Kindheit und Jugend im Ruhrpott. In Duisburg-Beeck packte „der schmächtige Kerl mit den dünnen Armen“ zu Hause gerne mit an, half Vater und Bruder beim Hämmern, Schrauben und Schweißen. Fing mit dem Fußball an, spielte beim DJK Viktoria Beeck, trainierte auf Plätzen aus Hochofenschlacke. Ging dann zu Eintracht Duisburg und fiel dort als Verteidiger, Marke Wadenbeißer, 1975 sogar schon einmal Bayer 04 Leverkusen auf. Der Klub war gerade in die 2. Liga aufgestiegen und lud Daum zu einem Probetraining ein. „Ich schlug mich gut und stellte ihren besten Stürmer kalt, trotzdem sagten sie mir kurze Zeit später ab und verpflichteten Walter Posner von Borussia Mönchengladbach“, erinnert sich Daum. Ihn selbst habe Bayer nur noch für die zweite Mannschaft gewollt. Daum war stinksauer. „Mit diesem Klub wollte ich nie wieder etwas zu tun haben.“
Gut 21 Jahre später war sein Ärger längst verraucht und Daum ein begehrter Fußballlehrer. Er galt als Perfektionist mit einem extremen Anspruchsdenken und einem „fast selbstzerstörerischen Ehrgeiz“, wie er gesteht. Als akribischer Arbeiter, der sehr wohl wusste, dass er manchmal übers Ziel hinausschießt. So, wie in einer für ihn privat schwierigen Situation 1998, über die er in seiner Biografie selbstkritisch schreibt: „Morgens um 8.45 Uhr war ich einer der Ersten am Trainingsgelände in Leverkusen und frühestens abends um zehn wieder im Hotel, und wenn ich schon so viel schuftete, dann sollten das auch meine Spieler tun! Oder zumindest sollten sie vernünftige Ergebnisse liefern! Ich merkte erst viel später, was für einen Mist ich teilweise von mir gab. Die Spieler müssen ihrem Trainer vertrauen können, und ich ging mit der Abrissbirne auf dieses Vertrauensverhältnis los.“
Christoph Daum führt Bayer 04 in seinen vier Jahren unterm Kreuz zu drei Vize-Meisterschaften und zu drei Teilnahmen an der UEFA Champions League. Dazu kommt ein dritter Platz in der Saison 1997/98. Mit 76 Siegen, 44 Remis und 24 Niederlagen in 144 Bundesligaspielen hat er bis heute die beste Bilanz, die je ein Trainer in Leverkusen erreichte. Kein Wunder, dass die Werkself unter ihm als Chefcoach mit dem 9:1 beim SSV Ulm 1846 und dem 8:2 bei Borussia Mönchengladbach die höchsten Siege der Klubhistorie einfährt. Spieler wie Jens Nowotny, Carsten Ramelow, Emerson, Zé Roberto und Michael Ballack entwickeln sich unter Daum zu National- und Weltklassespielern. Die Fans liegen ihm zu Füßen, in Leverkusen kleben sie 1999 Sticker mit der Aufschrift „Daum-Town“ auf Straßenschilder. Noch 20 Jahre später wählen sie ihn, den ehemaligen Kölner, zum beliebtesten Trainer der Bundesliga-Geschichte von Bayer 04.
In Leverkusen wird Christoph Daum zum gefeierten Superstar. Hier erlebt er aber auch seine schmerzlichste Niederlage, das 0:2 in Unterhaching, wo Bayer 04 die sicher geglaubte Meisterschaft am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 vergeigt. Nach der Partie habe er geheult wie ein Schlosshund, gemeinsam mit seinem damals 13 Jahre alten Sohn Marcel, der heute als Co-Trainer Analyse bei Bayer 04 arbeitet. Doch die tiefe Enttäuschung ist bald verarbeitet.
Nur knapp sechs Wochen später ist Daum am Ziel aller Träume. Er soll Bundestrainer werden und die darniederliegende Nationalmannschaft übernehmen. In der Villa Himmelseher bei Köln sitzen am 2. Juli 2000 alle zusammen, die im deutschen Fußball etwas zu sagen haben: DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Reiner Calmund, Rudi Völler und natürlich er, Christoph Daum. Weil Bayer 04 ihn nicht sofort freigibt, soll Völler für ein Jahr als Übergangslösung einspringen. Dann würde Daum übernehmen. Er ist im Fußball-Olymp angekommen. Selbst Hoeneß macht sich für ihn stark. Doch aus der Sache wird bekanntlich nichts. Eine positive Haarprobe lässt nur gut drei Monate später den Traum platzen. „Aus der Daum“ titeln Boulevard-Medien mal wieder.
Die Kokain-Affäre kostet ihn den Job in Leverkusen – und natürlich auch den beim Deutschen Fußball-Bund. Den größten Fehler seines Lebens nennt Daum seinen Drogenkonsum. „Diese Affäre ist wie eine Narbe, die du mit dir rumträgst. Sie verheilt zwar, bleibt aber für dich sichtbar“, bekannte er jüngst in einem Interview mit dem Express. In seiner Autobiografie nimmt diese schwärzeste Phase seiner Karriere über 50 Seiten ein. Es ist eine offene, intensive Aufarbeitung, in der Daum hart mit sich ins Gericht geht. In einer Dokumentation über ihn, die der TV-Sender Sky am 27. Oktober ausstrahlen wird, sagt Daum im Rückblick auf diese Zeit einen berührenden Satz: „Klar, einige Dinge hätte ich gerne ausgelassen, aber sie gehören zu meiner Vita dazu – das nennt man ein Leben.“
Sein Leben konfrontiert ihn seit über einem Jahr mit einer neuen Herausforderung. Auch mit seiner Erkrankung an Lungenkrebs geht Christoph Daum sehr offen um. Unterkriegen lässt einer wie er sich davon nicht. „Ich habe einen ungebetenen Gast in meinem Körper, gegen den ich permanent ankämpfen muss. Dem stelle ich mich, und ich werde ihn verjagen oder zumindest so einschränken, dass wir zusammen gut leben können.“
Bayer 04 wünscht Dir, lieber Christoph, viel Kraft dabei und zu Deinem 70. Geburtstag alles erdenklich Gute!
Spitzenreiter in der Premier League, drei Siege in drei Spielen in der Königsklasse und souverän ins Viertelfinale des League-Cups eingezogen: Der FC Liverpool hätte kaum besser in die Saison starten können. Und dem englischen Top-Klub gelang am vergangenen Wochenende auch die Generalprobe für das Duell mit der Werkself an diesem Dienstag, 5. November (Anstoß 21 Uhr), im legendären Anfield. Jetzt wollen Virgil van Dijk, Mohamed Salah und Co. gegen den deutschen Doublesieger den nächsten Erfolg feiern. Der Gegner-Check.
Mehr zeigenIm Rahmen des 4. Spieltags der Ligaphase der UEFA Champions League 2024/25 gastiert Bayer 04 beim FC Liverpool. Die Partie gegen den Spitzenklub der englischen Premier League steigt am Mittwoch, 6. November (Anstoß: 20 Uhr Ortszeit/21 Uhr deutscher Zeit), im legendären Anfield. Vorab gibt es für alle anreisenden Fans der Werkself die Reise-Tipps des Bayer 04-Partners weloveholidays.
Mehr zeigenVor dem 4. Spieltag in der UEFA Champions League 2024/25 gegen den englischen Spitzenklub FC Liverpool am Dienstag, 5. November (Anstoß: 21 Uhr dt. Zeit), hat die Bayer 04-Fanbetreuung alle Infos zum Duell in Anfield zusammengestellt...
Mehr zeigenZu Gast in Nordengland: Die in der UEFA Youth League weiterhin ungeschlagene U19 von Bayer 04 tritt im Rahmen des 4. Spieltags der Ligaphase beim FC Liverpool an. Vor der Partie am Dienstag, 5. November (Anstoß: 15 Uhr deutscher Zeit/Livestream auf Werkself-TV), sprach Cheftrainer Sergi Runge über die Stärken des LFC und die eigene Herangehensweise.
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