Bastürk: „Es hat so viel Spaß gemacht an diesem Tag“

Das 2:2 bei Manchester United am 24. April 2002 zählt zweifellos zu den legendärsten Spielen der Bayer 04-Geschichte. Einer, der damals ganz groß auftrumpfte, ist Yildiray Bastürk. Der ehemalige Mittelfeldspieler der Werkself blickt im Interview mit bayer04.de noch einmal zurück auf diesen besonderen Abend im Old Trafford vor 18 Jahren, erinnert sich an die magische Saison 2001/02 und spricht über sein enges Verhältnis zu Trainer Klaus Toppmöller.
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Yildiray, welche Bilder kommen dir als erste in den Sinn, wenn du an das 2:2 bei Manchester United denkst?
Bastürk:
Oh, da sind mir noch eine ganze Menge Bilder sehr präsent. Da ist erst mal dieses außergewöhnliche Stadion. Und dann erinnere ich mich an Spielszenen, als wär’s gestern gewesen. Es war ein fantastisches Match, in dem beide Mannschaften viele Chancen hatten. Vielleicht war ManU in der ersten Halbzeit ein bisschen besser, aber in der zweiten Hälfte haben wir einen Zahn zugelegt und absolut verdient den einen Punkt aus Manchester mitgenommen. Meine Güte, wer hat da nicht alles in diesem ManU-Team gespielt: Barthez, Blanc, Scholes, Veron, Giggs, die waren gespickt mit Weltstars. Und einer der größten bei ihnen war sicherlich Torjäger Ruud van Nistelrooy.

Michael Ballack sagte einmal, er habe schon beim Einlaufen ins Old Trafford Gänsehaut gehabt. Wie hast du die Atmosphäre damals empfunden?
Bastürk: Ja, das war wirklich atemberaubend. Wir hatten vorher im Highbury-Stadium bei Arsenal London und auch an der Anfield Road in Liverpool gespielt. Und auch dort war die Stimmung schon unglaublich. Aber im Old Trafford, da hat Michael Recht, das war noch einmal intensiver. Das hat dich als Spieler unglaublich beeindruckt.

Für den Kicker warst du der Man of the Match, sie haben dir die Note 1,5 gegeben. Hast du dich selbst auch so stark gesehen?
Bastürk: (lacht) Na ja, ich hatte schon viele gute Aktionen nach vorne. Machte viele Tempodribblings, war an beiden Toren beteiligt. Dem 2:2 von Olli Neuville ging ja ein abgefälschter Torschuss von mir voraus. Es hat so viel Spaß gemacht an diesem Tag! Ich glaube, das konnte man meinem Spiel dann auch ansehen.

Du warst aber auch sehr präsent in den Zweikämpfen…
Bastürk: Das stimmt. Ich war ohnehin schon ein Mittelfeldspieler, der viel nach hinten mitgearbeitet hat. Und gerade in diesem Spiel war es nötig, dass ich aggressiv reingegangen bin in die Zweikämpfe. Vor allem in der ersten Halbzeit mussten wir uns bei viel Gegenwind voll reinhängen und uns behaupten. Da wollte ich vorneweg marschieren.

Unter den Top Ten deiner besten Spiele ever: Wo würde diese Partie da rangieren?
Bastürk: Auf jeden Fall unter den Top drei - es bedeutet mir tatsächlich viel, dass ich in diesem Match der Spieler des Spiels war. Selbst Sir Alex Ferguson hat mich nach der Partie ja herausgehoben. Und unser Coach Klaus Toppmöller auch. Es war für mich ein wirklich gelungener Abend.  

Nach eurem starken Auftritt applaudierten euch sogar die Fans von ManU. Solch eine Geste erlebt man auch nicht jeden Tag.
Bastürk: Das war wirklich ganz großes Kino! Es ist typisch für England, dass du auch als Gegner Applaus bekommst, wenn du gut und fair gespielt hast. Das wird auf der Insel eben anerkannt. Und wir haben uns ja tatsächlich an diesem Abend auf Augenhöhe mit dieser Top-Mannschaft bewegt. Wir mussten uns nicht verstecken, weil wir selbst viele, viele Super-Fußballer in unseren Reihen hatten. Und die Fans von Manchester wussten nun ja auch, dass wir vorher schon einige Klasse-Teams aus dem Weg geräumt hatten.

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Yildiray Bastürk (r.) spielte mit Bayer 04 unter anderem gegen Manchester United (hier: Juan Sebastian Veron).

Trotz der großartigen Leistung und der guten Ausgangsposition ist es im Rückspiel beim 1:1 noch mal verdammt eng geworden.
Bastürk: Oh ja, das war ein sehr hart umkämpftes Spiel. Die Zuschauer in der BayArena haben nicht mehr diesen guten Fußball aus dem Hinspiel gesehen. Es wurde viel mehr taktiert. Aber kämpferisch stand das Spiel auf ganz hohem Niveau.

Roy Keane brachte Manchester in der 28. Minute in Führung, dann sahst du in der Nachspielzeit der ersten Hälfte Olli Neuville am Sechzehner.
Bastürk: Ich spielte einen kurzen Pass auf ihn, Olli nahm den Ball kurz an, drehte sich und schoss dann quasi aus dem Stand unter die Latte. Ein super schönes Tor. In der zweiten Halbzeit wollten wir das Ergebnis einfach halten.

Was kurz vor Schluss fast noch schief gegangen wäre…
Bastürk: (lacht) Ja, aber wir hatten ja Diego Placente, der den Schuss von Forlan im letzten Moment per Hechtkopfball vor der Linie klärte. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht mehr auf dem Platz und verfolgte die Szene von der Bank aus. Klar, die letzten Minuten wurden zu einer echten Zitterpartie, weil ManU noch mal alles auf eine Karte setzte. Aber dann hatten wir es tatsächlich geschafft und waren ins Finale eingezogen. Da brachen alle Dämme bei uns und unseren Fans. Aber eine Sache war trotzdem bitter: Jens Nowotny hat sich in der Anfangsphase des Spiels das Kreuzband gerissen. Unser Kapitän fehlte uns dann in den letzten Partien extrem.

 Lass uns noch einen Blick auf die anderen Spiele in dieser magischen Saison 2001/02 werfen. In der Champions League gab es ja unzählige Highlights. Welche Spiele sind dir noch in besonderer Erinnerung?
Bastürk: Auf jeden Fall noch der 2:1-Sieg zu Hause gegen den FC Barcelona in der Gruppenphase, bei dem wir 0:1 zurücklagen. Das Viertelfinal-Hinspiel an der Anfield Road, das wir zwar 0:1 verloren, in dem wir aber trotzdem richtig gut gespielt hatten. Und dann natürlich auch das Rückspiel gegen die Reds, unser 4:2-Sieg, bei dem wir eine bärenstarke Leistung abgerufen haben.

Gab es für dich ein Schlüsselspiel in dieser Champions-League-Saison? Eine Partie, nach der du gedacht hast, okay, das kann jetzt ganz weit gehen?
Bastürk: Vielleicht war es tatsächlich das 2:1 gegen Barcelona. Es war ja unser erster Sieg gegen eine richtig große Mannschaft. Wir konnten fußballerisch mithalten mit Xavi, Kluivert und Co, wenn wir diszipliniert spielen. Das haben wir dann auch gegen die anderen Topklubs tatsächlich umsetzen können.

Ihr hattet großartige Fußballer in den eigenen Reihen. Aber was hat euch damals als Mannschaft außer eurer spielerischen Qualität noch ausgemacht?
Bastürk: Also, wenn ich heute zurückblicke auf unser damaliges Team, dann war es wirklich so, dass unsere ersten zwölf, dreizehn Spieler auch zu den wirklich guten, ja auch besten Fußballern Europas gehörten. Und die Jungs haben einfach auch charakterlich gut zueinander gepasst. Alle waren bodenständig, jeder hat jedem geholfen, niemand war sich zu schade, auf dem Platz die Drecksarbeit zu verrichten. Das hat uns ausgezeichnet.

Du hattest ein besonders herzliches Verhältnis zu Trainer Klaus Toppmöller, richtig?
Bastürk: Ja, absolut, er war mein Ziehvater. Er hat mir als 18-Jährigem schon in Bochum das Vertrauen geschenkt und mich behutsam aufgebaut. Toppi wusste einfach, wie er mich anpacken musste. Ich habe ihm sehr, sehr viel zu verdanken! 

Ihr wurdet dreimal „Vize“ in dieser Saison. Welcher zweite Platz hat dir persönlich am meisten wehgetan?
Bastürk: Ganz klar die verpasste Meisterschaft. Wir führten drei Spieltage vor Schluss die Tabelle mit fünf Punkten Vorsprung vor Dortmund an, hatten den BVB kurz vorher zu Hause 4:0 geschlagen. Da durfte doch einfach nichts mehr anbrennen. Aber es kam anders. Und das war so ärgerlich!

Schließlich folgte nach dieser Spielzeit noch die WM, bei der du mit der Türkei den dritten Platz holtest. Ein wunderbarer Abschluss einer fantastischen Saison.
Bastürk: Ja, das stimmt. Ich bin direkt nach dem Champions-League-Endspiel zur türkischen Mannschaft gestoßen, die schon länger im Trainingslager war. Die WM war ein großer Erfolg für die Türkei. Ich konnte meine Leistung aus der Saison in Japan/Südkorea noch einmal bestätigen und bin dann auch bei der Wahl zum Weltfußballer (Ballon d’Or, Anm. d. Red.) Neunter geworden - das hat nach mir kein Türke mehr geschafft. Auch darauf bin ich stolz.

Welchen Stellenwert besitzen die drei Jahre in Leverkusen für dich?
Bastürk: Es war eine tolle Zeit. Sicher, meine erste Saison war die erfolgreichste meiner Karriere. In meinem zweiten Jahr musste ich verletzungsbedingt längere Zeit pausieren. Wir spielten gegen den Abstieg, retteten uns im letzten Moment. Insgesamt zählen die Jahre in Leverkusen auf jeden Fall zu schönsten meiner Karriere.

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Vom Fußballplatz in die Immobilienbranche: Yildiray Bastürk, Ex-Werkself-Profi.

Was machst du heute beruflich?
Bastürk: Ich bin Geschäftsführer einer Immobilienfirma im Rhein-Ruhr-Bereich.

Verfolgst du die Spiele von Bayer 04 noch?
Bastürk: Ja, nicht mehr so intensiv wie in früheren Jahren. Aber das Interesse ist definitiv noch da, obwohl ich nur noch selten in der BayArena bin. Immerhin habe ich in dieser Saison den 2:1-Sieg gegen Atletico Madrid vor Ort gesehen. Und zumindest telefonischen Kontakt halte ich noch zu Carsten Ramelow und Jens Nowotny.

Zur Person:
Yildiray Bastürk wurde 1978 in Herne geboren. Erstmals gegen den Ball trat er für Sportfreunde Wanne-Eickel, anschließend zehn Jahre für die SG Wattenscheid 09. Sein Durchbruch gelang ihm ab 1997 beim VfL Bochum, mit dem er in die Bundesliga aufstieg und auch im UEFA-Cup spielte. 2001 zog es ihn zu Bayer 04, für das er in den folgenden drei Jahren 114 Pflichtspiele (9 Tore/22 Assists) absolvierte. Anschließend ging es für ihn jeweils drei Jahre bei Hertha BSC und dem VfB Stuttgart weiter, seine letzte Station vor seinem Karriereende 2011 waren die Blackburn Rovers. Bastürk lief zudem in seiner Karriere insgesamt 49-mal für die türkische Nationalmannschaft auf. Mit der Auswahl wurde er 2002 WM-Dritter. Nach seiner aktiven Laufbahn wechselte er in die Immobilienbranche.

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