120 Jahre Bayer 04 Leverkusen: Eine bewegte Geschichte

Die Saison 2023/24 war in vielerlei Hinsicht eine historische für Bayer 04. Erstmals in seiner Geschichte wurde der Werksklub Deutscher Meister, zum zweiten Mal nach 1993 DFB-Pokalsieger und zum dritten Mal nach dem UEFA-Cup-Gewinn 1988 und dem Champions-League-Finale 2002 stand er im Endspiel eines europäischen Wettbewerbs. Dass all diese Erfolge in dem Jahr gelangen, in dem der Klub seinen 120. Geburtstag feiert, verleiht dem Jubiläum einen besonderen Glanz. Und ist anlässlich des Stichtags 1. Juli ein guter Grund, noch einmal einen Blick zurückzuwerfen auf die Anfänge des Turn- und Spielvereins, aus dem wenige Jahre später auch die Fußballabteilung hervorging.
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Der 1. Juli 1904 ist ein Freitag. Als in der alten Speiseanstalt auf dem Werksgelände der „Turn- und Spielverein der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen“ gegründet wird, fällt in St. Louis, Missouri, im Rahmen der Weltausstellung der Startschuss für die 3. Olympischen Spiele der Neuzeit. Heute mag man diese Parallelität als gutes Omen für den Werksklub betrachten, der später bei den Spielen so viel Edelmetall gewinnen sollte. Die erste Leverkusener Goldmedaille holte, 60 Jahre nach der Gründung der Zehnkämpfer, Willi Holdorf bei den Spielen 1964 in Tokio.

Damals aber entfachen beide Veranstaltungen kaum nennenswertes mediales Interesse. Kein Wort davon ist in der Wochenend-Ausgabe der „Opladener Zeitung – Verkündiger und Anzeiger an der Nieder-Wupper“ vom 2. Juli 1904 zu finden.

Des Kaisers Frühstück

Die Schlagzeilen dort werden beherrscht vom weltpolitischen Geschehen und von boulevardesken Neuigkeiten wie der, dass Kaiser Wilhelm II. „am Freitag bei dem Amerikaner Cornelius Vanderbilt auf dessen Yacht das Frühstück eingenommen hat“. Die wenigen regionalen Meldungen berichten von Wasserknappheit im Wuppergebiet und Nachtfrösten in der Eifel, „die an den Saaten, Kartoffeln und Bohnen großen Schaden angerichtet haben“. Wen sollte also schon die Gründung eines weiteren Turnvereins vom Hocker reißen?

Zumal sich die Turnbewegung im Rheinland längst in voller Blüte befand. Neukirchen, Opladen, Schlebusch, Wiesdorf, Rheindorf, Hitdorf – hier gab es bereits im 19. Jahrhundert sogenannte „wilde“ Turnvereine, d.h. nicht der Deutschen Turnerschaft angeschlossene. Und auch beim gerade aus der Taufe gehobenen TuS 04 wird in Paragraf 1 der Satzung festgehalten, dass der Zweck des Vereins „die Förderung des Turnens als ein Mittel zur körperlichen und sittlichen Kräftigung bei gleichzeitiger Pflege vaterländischer Gesinnung“ sei. Mitglied im TuS 04 werden durften ausschließlich Werksmitarbeitende sowie sämtliche Familienangehörige dieser als außerordentliche Mitglieder.

Grafik 120 Jahre

Auf dem Klubwappen ist ab 1904 der vom Unternehmenslogo bekannte Löwe zu sehen. Die Bayer AG nutzte den Bergischen Löwen, der auch im Stadtwappen von Elberfeld zu sehen ist – der Stadt im Bergischen Land, in der die Bayer AG gegründet wurde. Es ist ein weiteres Zeichen der engen Verbindung zwischen Werk und Vereinsmitgliedern.

Vom Fußball wollten die Gründerväter des TuS 04 zunächst einmal nichts wissen. Sie alle stammten schließlich aus der Turn-Hochburg und der Bayer AG-Stammzelle Wuppertal Elberfeld oder Barmen und fühlten sich der Tradition und dem Geist der Deutschen Turnerschaft verpflichtet. Das trifft auch auf Wilhelm Hauschild und August Kuhlmann zu, die mit ihrem Brief an die Direktion der Farbenfabriken und ihrer Unterschriftensammlung schon im Februar und November 1903 alles initiiert hatten.

Dennoch: Schon bei der Gründungsversammlung wird darüber diskutiert, was genau für ein Verein man denn sein will. Viele regen ein breitgefächertes Sportangebot an. Bringen neben Turnen auch Schwimmen, Eis- und Schneelauf, Rudern, Tennis und Radfahren ins Spiel. Das Unternehmen steht dem von Beginn an prinzipiell offen gegenüber und stellt zu einem späteren Zeitpunkt einen Ausbau der Aktivitäten in Aussicht.

Als der Bayer-Fußball laufen lernte

Gerade unter den jungen Männern, die im Werk arbeiten, gibt es viele, die des militärischen Drills beim Turnen überdrüssig sind. Sie finden Gefallen an einer anderen Sportart. Im Jahr 1900 hatte sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gegründet. 1903 war der VfB Leipzig erster Deutscher Meister geworden. Ein Jahr später, am 21. Mai 1904, gründete sich der Weltfußballverband FIFA in Paris, dem der DFB wenige Tage später beitrat.

Erstes Mannschaftsfoto 1907

Auch in Leverkusen, das als Stadt noch gar nicht existiert, erfreut sich der aus England importierte Fußball längst großer Beliebtheit. Die Zeit ist reif: Am 31. Mai 1907 versammeln sich im Wiesdorfer Hof an der Kurtekottenstraße (heute Titanstraße) 16 junge Mitglieder, um eine Fußballriege zu gründen. Unter der Bedingung, dass sie sich „in erster Linie als Turner fühlen und wenigstens zwei Turnabende regelmäßig besuchen“, stimmt der Vereinsvorstand dem Vorhaben zu. Ein erster Meilenstein ist gesetzt.

Die Fußballriege ist 1907 die erste Spezialsparte im Turn- und Spielverein. Als der Bayer-Fußball laufen lernt, hat der TuS 176 Mitglieder, rund 50 mehr als im Vorjahr, darunter 23 Spieler und 4 Spielfreunde der Fußballabteilung. Ein Jahr später folgt die Schwimmriege, 1913 die Fechtriege. Und weil zum Turnen leichtathletische Disziplinen wie Laufen, Springen und Werfen gehören, aber auch Spiele wie Schleuder-, Schlag- und Faustball, herrscht schon in den Anfangsjahren ein buntes sportliches Treiben unter dem Dach des TuS 04.

Historisch gewachsen: Die Bayer Sports Family

Es sind die Wurzeln der Bayer Sports Family, die heute, über 100 Jahre später, noch intensiv gelebt wird. Werkself-Profis wie Robert Andrich, Alejandro Grimaldo oder Piero Hincapie trugen etwa bei den Double-Feierlichkeiten die rot-weißen TSV-Retro-Caps als schönes Zeichen eines Traditionsbewusstseins und Wir-Gefühls, das auch unter den Fans von Schwarz-Rot stark ausgeprägt ist. Die Caps verkaufen sich prächtig. Und auch in die andere Richtung funktioniert das Zusammenspiel bestens: Bayer-Giant Dennis Heinzmann, Werkselfin Jennifer Souza, Degenfechterin Alexandra Ndolo oder TSV-Para-Leichtathleten wie Markus Rehm, Leon Schäfer und Johannes Floors präsentierten kürzlich auf den Social-Media-Kanälen des Klubs das nagelneue Werkself-Trikot für die Saison 2024/25, um sich dabei an ihre Lieblingsmomente aus der abgelaufenen Rekord-Spielzeit des Teams von Cheftrainer Xabi Alonso zu erinnern.

Amine Adli beim Basketball

Überhaupt drückte sich die historisch gewachsene Verbindung von Bayer 04, Bayer-Sportvereinen und Bayer AG im vergangenen Jahr in vielen gemeinsamen Aktivitäten aus. Der Bayer Sports Family-Spieltag und die Bayer Sports Family-Woche sind nur zwei Beispiele. Letztere bietet Fans der Werkself die Möglichkeit, die Sportstadt Leverkusen zu entdecken. So können sie mit ihrem Ticket für ein Heimspiel in der BayArena innerhalb einer Woche auch kostenlos Spiele der Bayer 04-Fußballfrauen, der Bayer Volleys, der Bayer Giants oder der Werkselfen besuchen. Regelmäßige Beiträge über Leichtathletinnen und -athleten, Volleys und Co. im Werkself-Magazin, auf Werkself-TV, in der Bayer 04-App bis hin zu den Social-Media-Kanälen des Klubs sind andere Beispiele der wechselseitigen Wertschätzung. Ein weiteres Highlight des Miteinanders stellt das Content-Format Bayer Sports Family-Duell dar, bei dem Werkself-Profis gegen Athletinnen und Athleten des TSV Bayer 04 in deren Sportart antreten.

Sondertrikot zum Jubiläum

Freuen dürfen sich die Fans der Werkself in der kommenden Saison auch auf ein Bayer 04-Sondertrikot anlässlich des 120-jährigen Jubiläums. In seiner bewegten Geschichte errang der Klub seit seiner Gründung am 1. Juli 1904 viele herausragende sportliche Erfolge, sammelte Medaillen, Rekorde und Titel. Der Double-Sieg der Werkself stellt diesen historischen Tag noch einmal in ein besonders helles Licht. Kein Zweifel: Die im Kaiserreich Anfang des 20. Jahrhunderts noch etwas skeptisch beäugten Fußballer haben innerhalb des Klubs längst ihren Teil zum national wie international hervorragenden Ruf beigetragen. Und selten zuvor war die Identifikation mit Bayer 04 so groß, die Verbindung zwischen Fans, Mannschaft und Verantwortlichen so eng und intensiv wie in den vergangenen Monaten.

Natürlich hat es im Gesamtverein im Laufe der Zeit Strukturveränderungen, Ausgliederungen und Wiedervereinigungen gegeben. Es ging lebhaft zu in den vergangenen zwölf Jahrzehnten. Wie das in einer großen Familie so ist. Fest steht: Ambitionierte Ziele, das Streben nach Erfolgen, die internationale Ausrichtung und das familiäre Miteinander werden Bayer 04 und den TSV auch in Zukunft prägen.

Einige Meilensteine auf dem langen Weg des Bayer-Fußballs sind unter folgendem Link chronologisch aufgeführt.

Chronologie von 120 Jahren Bayer 04 Leverkusen