Am 24. Juni 2007 wurde die U19 von Bayer 04 nach einem 2:1-Sieg n.V. gegen den FC Bayern München Deutscher A-Junioren-Meister. Heute vor genau 15 Jahren sahen 22.500 Zuschauer in der ausverkauften BayArena ein packendes Finale zweier Mannschaften, die gespickt waren mit vielen außergewöhnlichen Talenten. Dazu zählten auf Münchner Seite Thomas Müller und Toni Kroos. Für Schwarz-Rot liefen unter anderem Stefan Reinartz, Bastian Oczipka, Jens Hegeler und Marcel Risse auf. Auch Richard Sukuta-Pasu, der just am Finaltag 17 Jahre jung wurde, gehörte zum Meisterteam von Trainer Thomas Hörster und galt als Stürmerjuwel in Deutschland.
Heute feiert der Sohn einer Französin und eines Kongolesen seinen 32. Geburtstag. Happy Birthday, Richie! Im Gespräch mit bayer04.de verrät uns der zuletzt noch beim SV Meppen unter Vertrag stehende, bald aber in Dänemark aktive Mittelstürmer, wie er das Endspiel gegen die Bayern erlebt hat. Er erinnert sich darüber hinaus an einen weiteren großen Titel, an sein Bundesliga-Debüt für die Werkself und berichtet von seinen Abenteuern in Asien.
Richie, mit welchem Gefühl seid ihr damals in dieses Finale gegangen? Waren die Bayern klarer Favorit?
Sukuta-Pasu: Nein, das haben wir nicht so gesehen. Warum auch! Wir hatten ja eine überragende Saison in der Staffel West gespielt und sind dort mit acht Punkten Vorsprung vor dem FC Schalke 04 Erster geworden, haben uns dann auch im Halbfinale klar gegen den 1. FC Kaiserslautern durchgesetzt. Wir sind also mit großem Selbstvertrauen ins Finale gegen die Bayern gegangen, das für uns die Krönung einer tollen Saison werden sollte. Nicht nur wir Spieler haben uns drauf gefreut, der ganze Staff, unsere Eltern – das war damals wirklich wie eine große Familie. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.
Der für dich ja auch in anderer Hinsicht ein ganz besonderer war…
Sukuta-Pasu: Ja, ich bin an diesem 24. Juni 17 Jahre alt geworden. Und an meinem Geburtstag meinen ersten großen Titel als Spieler zu gewinnen, das war unbeschreiblich schön.
Und es war vermutlich die größte Geburtstagsparty, die du je gefeiert hast…
Sukuta-Pasu: (lacht) Kann man so sagen, ja. Wir spielten vor 22.500 Zuschauern in der ausverkauften BayArena, darunter natürlich meine ganze Familie, viele Freunde. Vor so einer Kulisse hatte ich bis dahin noch nie gespielt.
Du selbst bist erst zu Beginn der zweiten Halbzeit eingewechselt worden. Warum eigentlich? Du warst ja in dieser Saison hinter Deniz Naki mit 15 Treffern der erfolgreichste Torschütze eures Teams.
Sukuta-Pasu: Ich hatte unglaublich viele Spiele in dieser Saison gemacht, nicht nur für Bayer 04, sondern auch für die deutsche U17-Nationalmannschaft. Mir fehlten am Ende einfach die Körner und ich musste dann in der zweiten Halbzeit der Verlängerung ein paar Minuten vor dem Abpfiff wegen Wadenkrämpfen wieder ausgewechselt werden.
Lass uns mal einen Blick auf die Aufstellungen werfen. Für euch standen unter anderem Bastian Oczipka, Stefan Reinartz, Jens Hegeler und Marcel Risse auf dem Platz, allesamt später erfolgreiche Bundesliga- und zum Teil Nationalspieler. Auf der anderen Seite liefen zum Beispiel Holger Badstuber, Thomas Müller und Toni Kroos auf. Sagten dir diese drei Namen damals eigentlich schon etwas?
Sukuta-Pasu: Ich kannte nur Toni, mit dem ich in der U17-Nationalelf schon zusammengespielt hatte. Die anderen beiden waren mir kein Begriff. Aber die starteten später dann ja auch richtig durch.
Was ist dir von dem Finale in der BayArena in Erinnerung geblieben? Von der Stimmung? Vom Spielverlauf?
Sukuta-Pasu: Wir lagen relativ schnell in Rückstand durch den Treffer von Thomas Müller. Aber ich war felsenfest davon überzeugt, dass wir das Ding noch drehen würden. So, wie wir das in dieser Saison schon oft geschafft hatten. Je länger das Spiel allerdings dauerte, desto schwieriger wurde es für uns. Als ich zur zweiten Hälfte reinkam, spielte ich nicht Mittelstürmer wie sonst meistens, sondern auf der Linksaußen-Position. Hinter mir auf der linken Abwehrseite hatte ich Basti Oczipka. Wir harmonierten ziemlich gut und er machte dann mit seinem schwächeren rechten Fuß eine Viertelstunde vor Schluss auch den Ausgleich zum 1:1. Eher ein Kullerball, aber egal, Hauptsache, das Ding war drin. Mir war in dem Moment eigentlich klar, dass wir noch gewinnen würden. Allerdings hatte ich gehofft, dass wir dazu nicht mehr in die Verlängerung müssen...
…in der Alexander Hettich dann tatsächlich der umjubelte Siegtreffer gelang.
Sukuta-Pasu: Ja, aber ich konnte mich irgendwann einfach nicht mehr auf den Beinen halten und musste mit Krämpfen wieder raus. Wir haben nichts mehr anbrennen lassen und am Ende ein ziemlich ausgeglichenes Spiel knapp, aber nicht unverdient gewonnen.
Danach wurde ausgiebig gefeiert.
Sukuta-Pasu: Oh ja, alle rannten irgendwo auf dem Feld rum, wir lagen uns in den Armen und ich hätte später fast vergessen, meine Medaille mitzunehmen, die ich irgendwo hingelegt hatte. Wir fuhren später am Tag auch noch irgendwohin zum Feiern, ich kann mich aber nicht mehr an die Location erinnern.
Thomas Hörster war damals euer Trainer. Was war er für ein Coach?
Sukuta-Pasu: Er hat uns unheimlich heiß gemacht auf dieses Finale und uns zusammen mit seinem Co-Trainer Tom Cichon super eingestellt. Und was mich betrifft, haben die beiden mich noch mal auf ein ganz anderes Level gebracht. Ich war zwar immer ehrgeizig, aber ich habe bei Thomas Hörster gelernt, über meine Grenzen zu gehen. Er hat viel Disziplin eingefordert, was mir sehr gutgetan hat. Und ich bin unter ihm variabler geworden, spielte eben nicht nur Mittelstürmer, sondern auch mal Zehner oder wie im Finale Linksaußen.
Du kamst als Zehnjähriger aus Wuppertal nach Leverkusen und hast ab diesem Zeitpunkt alle Jugendteams hier durchlaufen. Wer hat dich am stärksten geprägt?
Sukuta-Pasu: Ach, das waren so viele Menschen. Ich kann sie unmöglich alle aufzählen. Dr. Burak Yildirim und Slawomir Czarniecki waren meine ersten Trainer in Leverkusen, Jörg Bittner und Dirk Diekmann haben mir als Coaches viel beigebracht, Kai Braun als Athletiktrainer war wichtig für mich, Markus von Ahlen im taktischen Bereich – und natürlich Thomas Hörster, Tom Cichon und später dann auch Ulf Kirsten.
Ein Jahr nach dem Meistertitel hast du 2008 als Jüngster und einziger 1990er-Jahrgang der deutschen Mannschaft an der U19-EM in Tschechien teilgenommen, die ein großer Erfolg werden sollte…
Sukuta-Pasu: Ja, das war auch ein fantastisches Erlebnis unter Horst Hrubesch als Trainer.
Durch dein Siegtor beim 2:1 gegen Tschechien kamt ihr ins Finale gegen Italien – und auch dort gelang dir beim 3:1-Sieg der Treffer zum 2:0. Im Team standen neben deinen Leverkusener Mannschaftskollegen Stefan Reinartz, Marcel Risse, Bastian Oczipka und Deniz Naki auch Lars und Sven Bender sowie Ömer Toprak…
Sukuta-Pasu: Meine Güte, was für ein tolles Team. Es hat riesig Spaß gemacht mit den Jungs. Ich hatte mich zu Beginn des Turniers verletzt, konnte erst im Halbfinale wieder spielen. Und machte dann in der 120. Minute tatsächlich den Siegtreffer gegen Tschechien. Der EM-Gewinn mit der U19 war eine große Sache für mich, auch weil ich der Jüngste im Team war. Auf der anderen Seite: Ich habe in dieser Phase meiner Karriere auf so vielen Hochzeiten getanzt, hab so wahnsinnig viele Spiele gemacht, hart trainiert. Mit meinem Wissen von heute hätte ich damals einiges anders steuern sollen, ein bisschen auf die Bremse treten müssen. Später fiel ich in ein Leistungsloch.
Erst einmal hast du aber ein paar Wochen nach dem EM-Triumph dein Bundesliga-Debüt für die Werkself gegeben, spieltest in einem Team mit Stefan Kießling und Simon Rolfes. Was ist dir davon im Gedächtnis geblieben?
Sukuta-Pasu: Ja, wir verloren 2:3 beim Hamburger SV, Bruno Labbadia brachte mich gegen Ende der Partie für Arturo Vidal ins Spiel. Diese Premiere, aber auch die ganze Zeit bei den Profis werde ich nie vergessen. Simon Rolfes hat sich damals sehr um mich gekümmert. Er hat mir gezeigt und vorgelebt, was das überhaupt heißt: Profi sein. Dass man mit Disziplin und harter Arbeit viel erreichen kann. Er war ein toller Kapitän. Auch Hans Sarpei hat mir viel geholfen, wir sind bis heute gut befreundet. Sami Hyypiä war unglaublich clever, gedankenschnell und hatte ein fantastisches Stellungsspiel. Er war nicht der Schnellste, aber du kamst trotzdem nicht an ihm vorbei.
Du wurdest 2008 auch noch mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze als bester Nachwuchsspieler in Deutschland hinter Sebastian Rudy und Toni Kroos ausgezeichnet. Rudy ist später Nationalspieler, Kroos sogar Weltmeister und dreifacher Champions-League-Sieger geworden. Du bist auch Bundesligaspieler gewesen, hast 34 Einsätze für Bayer 04, den 1. FC Kaiserslautern und den FC St. Pauli absolviert. Was glaubst du: Warum hat es mit dem ganz großen Durchbruch bei dir nicht geklappt?
Sukuta-Pasu: Es kommt immer darauf an, wie man den großen Durchbruch definiert. Wenn ich auf meine Kindheit und meine Anfänge zurückblicke, auf meine Startbedingungen, dann ist die Tatsache, dass ich überhaupt Profi geworden bin, für mich ein Riesenerfolg. Ich konnte bei Bayer 04 eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann absolvieren. Auch dafür bin ich dankbar. Man kann Spieler und Menschen nicht miteinander vergleichen. Jeder kommt woanders her, bringt andere Voraussetzungen mit, hat ein anderes Umfeld. Da kommen so viele Komponenten zusammen. Letztlich geht jeder seinen eigenen Weg, hat jeder seine eigene Geschichte. Ich bin mit meiner sehr glücklich. Niemand in meiner Familie und in meiner Umgebung hätte in meinen Anfangsjahren als Fußballer daran geglaubt, dass ich mit diesem Sport mal mein Geld verdienen würde. Ich war auch in der Bayer-Jugend sicher kein Überflieger, musste mir alles hart erarbeiten. Man kann durch Ehrgeiz viel erreichen, aber vielleicht habe ich dann in einer entscheidenden Phase zu wenig auf meinen Körper gehört. Und musste Jahre später ein bisschen zurückschrauben. Umso schöner, dass ich mich trotzdem wieder zurück kämpfen konnte.
Du bist viel rumgekommen als Fußballer. Inklusive deines ersten Vereins Grün-Weiß Wuppertal hast du bislang bei 14 verschiedenen Klubs gespielt. Nach Leverkusen zählten unter anderem der FC St. Pauli, 1. FC Kaiserslautern, VfL Bochum, Sturm Graz, Energie Cottbus und der MSV Duisburg zu deinen Stationen. Du bliebst selten länger als ein, zwei Saisons. Warum?
Sukuta-Pasu: Das täuscht ein wenig. Ich hatte in Kaiserslautern einen Fünf-Jahres-Vertrag, bin von dort aber einige Male an andere Vereine ausgeliehen worden, weil der FCK das so wollte. Das war nicht mein Wunsch, ich wollte nicht immer sofort weg.
2019 zog es dich in die zweite chinesische Liga zu den Guangdong Southern Tigers. Wie kam es dazu?
Sukuta-Pasu: Das kam tatsächlich sehr überraschend. Ich spielte in der 2. Liga beim MSV Duisburg, der aber für die kommende Saison nicht mehr wirklich mit mir plante. Im Februar 2019 erhielt ich aus heiterem Himmel das Angebot aus China. Meine Frau und ich hatten gerade zum ersten Mal Nachwuchs bekommen und ließen uns auf das Abenteuer ein. Auch weil ich nicht wusste, ob ich so eine Chance noch einmal bekommen würde. Es war schon eine komplett neue Welt für uns. Ohne Dolmetscher wären wir in China total aufgeschmissen gewesen (lacht), da werden selbst die alltäglichsten Dinge zu einer Herausforderung. Eine interessante Erfahrung.
Anschließend gingst du nach Südkorea und Thailand. Liebst du das Abenteuer?
Sukuta-Pasu: Ich bin ein sehr offener Mensch und habe auf allen meinen Stationen viele Freunde gewonnen. Dafür bin ich dankbar. Es ist aber auch nicht so, dass man sich seinen Weg immer aussuchen kann. Manchmal hat man gerade keine andere Möglichkeit. Und macht dann das Beste draus. In Südkorea hat es uns gut gefallen, hier kam unser zweiter Sohn zur Welt, in Thailand waren wir nur ein paar Monate, weil dort aufgrund von Corona gar nicht gespielt werden konnte. Ich war froh, als wir im Herbst 2021 wieder zurück nach Deutschland konnten und ich beim SV Meppen in der 3. Liga spielen durfte.
Aber nun steht erneut ein Wechsel an…
Sukuta-Pasu: Ja, ich spiele in der kommenden Saison für den dänischen Zweitligisten Vejle BK, der in der vergangenen Spielzeit noch erstklassig war. Ich freue mich auf eine neue Herausforderung mal wieder in einem neuen Land, in dem ich bisher noch nicht gelebt habe. Ich bin jetzt 32 und möchte möglichst noch ein paar Jahre Fußball spielen. Mal schauen, vielleicht schließt sich ja irgendwann der Kreis und ich komme irgendwann wieder nach Leverkusen zurück. Bayer 04 ist sicher der Verein, dem ich am meisten zu verdanken habe. Und der mir immer noch viel bedeutet.