Die Jahresanfangs-Euphorie wurde erstmals getrübt – und das nicht zu knapp. 2:3 unterlag Borussia Dortmund am Dienstagabend im DFB-Pokal dem SV Werder Bremen und verspielte damit eine von drei Titelchancen. „Das Aus tut weh, es ist nicht zu reparieren“, sagte Sportdirektor Michael Zorc nach dem Abpfiff. Dabei schien nach einer nicht immer nach Plan verlaufenen Saison gerade wieder vieles im Lot zu sein beim BVB. Die ersten drei Bundesligaspiele der Rückrunde hatte Dortmund allesamt jeweils zu einer Offensivgala gestaltet: 5:3 in Augsburg, 5:1 gegen Köln, 5:0 gegen Union Berlin. Drei Spiele in Serie mit mindestens fünf eigenen Treffern hatten in der Bundesliga-Historie erst drei Mannschaften zuvor geschafft. Fast unglaublich liest sich auch die Dortmunder Offensivstatistik der vergangenen neun Spiele: 3,67 Tore im Schnitt gelangen dem BVB in diesem Zeitraum. Durch die Torflut zu Jahresbeginn hat sich die Borussia auch wieder mitten hinein ins Meisterschaftsrennen gearbeitet, liegt nur drei Punkte hinter Spitzenreiter Bayern München auf Rang drei.
Die Dortmunder Angriffspower wird momentan in erster Linie mit einem Namen verknüpft: Erling Haaland. Der 19-jährige Norweger, im Winter von RB Salzburg gekommen, brauchte keinerlei Anlaufzeit, hat in jedem seiner vier Pflichtspiele in Schwarz-Gelb getroffen – obwohl er nur einmal von Beginn an auflief. Schier unglaublich ist seine bisherige Torquote in der Bundesliga: Insgesamt 136 Minuten stand Haaland auf dem Feld, erzielte dabei sieben Treffer – im Schnitt benötigt die neue BVB-Attraktion weniger als 20 Minuten für ein Erfolgserlebnis. Dennoch baut Coach Lucien Favre den Mittelstürmer noch behutsam auf, in Bremen kam Haaland erst zur Pause in die Partie – und war mit seiner Präsenz gleich maßgeblich an der am Ende nicht von Erfolg gekrönten Dortmunder Aufholjagd beteiligt. Gut möglich also, dass Favre seinen Neuzugang in Leverkusen von Beginn an ins Rennen schickt.
Aber Dortmund ist bei weitem nicht nur Haaland: Auch Jadon Sancho und der Ex-Leverkusener Julian Brandt befinden sich aktuell in Topform – und dann wären da noch zwei neue Namen im BVB-Kader, die von sich reden machen lassen dürften: Nationalspieler Emre Can wechselte am letzten Tag der Winter-Transferperiode von Juventus Turin nach Dortmund und kam in Bremen zu einem ersten Kurz-Einsatz. Gut möglich, dass es in der BayArena, wo Can in der Saison 2013/14 für die Werkself auflief, zu einem längeren Einsatz für den Allrounder reicht. Und nicht zuletzt machte Giovanni Reyna Schlagzeilen: Der Sohn des ehemaligen Bayer-04-Profis Claudio Reyna wurde in Bremen wie Haaland eingewechselt und erzielte ein Traumtor zum 2:3-Endstand. Mit 17 Jahren, zwei Monaten und 22 Tagen ist der US-Amerikaner damit der jüngste Torschütze der Pokalgeschichte – und ein großes Versprechen für den BVB.
In Bremen tat sich der BVB vor allem vor dem Seitenwechsel enorm schwer, seine Offensiv-PS auf die Straße zu bringen. Gegen einen tiefstehenden Gegner fehlten – wie schon vereinzelt zuvor in dieser Saison – lange Zeit die Mittel. „Das war überhaupt nicht gut, wir haben fast alle Zweikämpfe verloren und uns nicht gut bewegt“, analysierte Coach Favre, Abwehrchef Mats Hummels bemängelte „fehlende Tiefe im Spiel“. Da passt es nicht gerade gut, dass Marco Reus dem BVB in den kommenden Wochen fehlen wird. Der Kapitän zog sich in Bremen eine Muskelverletzung zu und wird nicht nur gegen Bayer 04 fehlen, sondern auch weit darüber hinaus.
Dass Dortmund in der Lage war, den bei vielen Topklubs gehandelten Haaland zu verpflichten, sagt viel aus über das Standing, das sich der BVB in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Die Borussia ist ohne Frage eine internationale Top-Adresse und erfüllt alle Voraussetzungen, um in den kommenden Jahren noch erfolgreicher zu werden. Die aktuelle Mannschaft mit Haaland (19), Sancho (19), Reyna (17), Dan-Axel Zagadou (20) oder Achraf Hakimi (21) kann in den kommenden Jahren definitiv noch weiter wachsen – und unter Umständen so richtig explodieren.
Haaland bringt dem Spiel der Dortmunder eine neue Dimension, die sie in der Hinrunde oft hatten vermissen lassen. Der Norweger könnte ein entscheidendes Puzzlestück für die BVB-Offensive sein, Can womöglich das gleiche für die Defensive. Sollte das Team den Reus-Ausfall in den kommenden Wochen gut auffangen und die gelegentlichen Abwehrmängel abgestellt werden, kann Dortmund bis zum Ende um die deutsche Meisterschaft mitspielen. In der Champions League sind die Schwarz-Gelben im Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain ebenfalls alles andere als chancenlos.
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